Sierra Leone
Schule statt Kinderarbeit
In Sierra Leone muss jedes zweite Kind zum Lebensunterhalt der Familien beitragen. Eine Partnerorganisation von Brot für die Welt ermöglicht Jungen und Mädchen in die Schule zu gehen, und unterstützt die Familien dabei ihr Einkommen zu erhöhen.
Kinder arbeiten als Straßenverkäufer
Mbalu hat keine Zeit zu den Kindern zu schauen, die da drüben toben, lachen und singen. Sie muss arbeiten und läuft weiter, vorbei an den kleinen Lehmhäusern, vorbei an grasenden Ziegen. Es ist später Nachmittag und drückend heiß in Maducia, einem kleinen Dorf im Zentrum von Sierra Leone. Auf dem Kopf balanciert Mbalu eine Schale, bis oben gefüllt mit Tabak, Zigarettenschachteln und Kolanüssen. Die älteren Männer im Dorf kauen gern die bitteren Samen. Jeden Tag dreht das Mädchen die gleiche Runde. Will jemand etwas kaufen, kniet es sich in den roten Staub und wickelt seine Schätze aus.
Ansprechpartnerin

Keine Zeit zum Spielen
„Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit zum Spielen, aber ich weiß, dass meine Oma Hilfe braucht“, sagt Mbalu. Sie ist acht Jahre alt. Ihr Vater starb, als sie drei war. Ihre Mutter verkraftete den Tod des Mannes nicht, wurde krank und starb ebenfalls. „Oft wissen wir nicht, wie wir für Mbalu sorgen sollen“, sagt Ya Namina Fullah, die Großmutter. Mit ihrem Mann, Mbalu und neun weiteren Familienmitgliedern lebt sie auf engstem Raum in ihrem kleinen Häuschen.
Bildergalerie: Schule statt Kinderarbeit

Aufgrund der Corona-Pandemie wurde Projektbudget für die Verteilung von Schutzausrüstung, Solarradios und Lebensmittel für besonders bedürftige Kinder und deren Familien bereit gestellt.
© SIGA/Brot für die Welt

Sierra Leone gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Mehr als die Hälfte aller Kinder müssen arbeiten, damit ihre Familien überleben können. Zur Schule gehen sie meist nicht.
© Christoph Püschner/Brot für die Welt

Auch Mbalu muss arbeiten: Jeden Tag dreht sie eine Runde durch ihr Dorf Maducia, um Tabak, Zigaretten und Kolanüsse zu verkaufen.
© Christoph Püschner/Brot für die Welt

Deshalb besprechen SIGA-Mitarbeiter mit Mbalus Großmutter, wie sie ihr Vorhaben unterstützen können, neben dem Haus einen kleinen Kiosk zu eröffnen.
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Bald darauf kann Mbalu zum Unterricht. Seitdem schlüpft sie jeden Morgen in ihre blaue Uniform, die sie ebenso wie Hefte und Stifte von SIGA bekommen hat, und geht mit ihrer Freundin zur Schule.
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Die Graswurzel-Organisation SIGA versucht, Kindern und Jugendlichen den Schulbesuch zu ermöglichen. Wegen der Corona-Pandemie findet der Unterricht draußen statt.
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Der Schulbesuch eröffnet Mbalu ganz neue Möglichkeiten: „Wenn ich groß bin“, erzählt sie, „möchte ich Ärztin werden und den Menschen in meinem Dorf helfen.“
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Kinderarbeit ist aus der Not geboren
„Es ist die pure Not, die die Angehörigen dazu treibt, ihre Kinder arbeiten zu lassen“, sagt Mohammed Jalloh. Er ist als Sozialarbeiter für die Siera Grass-roots Agency (SIGA) tätig, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt. Mit seinem Motorrad ist er ständig in den umliegenden Gemeinden unterwegs, geht von Haus zu Haus. Eines Tages kam Jalloh auch nach Maducia. Er sah Mbalu und sprach mit ihr, fragte sie nach ihren Lebensumständen. Eine Schule hatte das Mädchen damals noch nie von innen gesehen.
Stolz in der Schuluniform
Immer wieder besuchte Jalloh Mbalu zuhause, sprach mit der Großmutter über die Zukunft des kleinen Mädchens. Für die alte Frau war es anfangs undenkbar, die Enkelin in die Schule zu schicken. Wovon sollten sie die Schulsachen bezahlen? „Dafür finden wir eine Lösung. Aber es ist wichtig, dass das Mädchen eine Perspektive hat“, erklärte Jalloh ihr immer wieder.
Seit einem Jahr nun schlüpft Mbalu jeden Morgen in ihre blaue Uniform, die sie von SIGA bekommen hat, und schultert ihren bunten Rucksack mit Heften und Stiften, ebenfalls von SIGA. Die Achtjährige wirkt wie verwandelt. Sie ist nun nicht mehr die tüchtige Verkäuferin, sondern ein kleines Mädchen. In ihrer Klasse gehört Mbalu zu den Besten. „Das Lernen fällt mir leicht“, sagt sie.
Unterstützung für die Großmutter
Gemeinsam mit den Großeltern überlegen die Mitarbeitenden von SIGA, wie sie das Einkommen der Familie so erhöhen können, dass Mbalu nicht mehr arbeiten muss. Die Großmutter hofft auf einen kleinen Kiosk neben ihrem Haus. „Dann könnten die Leute direkt zu mir kommen“, sagt sie. Und Mbalu müsste nicht mehr losziehen. Die Mitarbeitenden von SIGA wollen die Großmutter bei ihrem Vorhaben unterstützen. „Aber nur unter einer Bedingung“, betont Jalloh in jedem Gespräch: „Du musst Mbalu weiter in die Schule schicken.“
Dem Coronavirus trotzen
Wegen der Corona-Pandemie wurden im Frühjahr alle Schulen in Sierra Leone geschlossen. Trotz aller Einschränkungen versucht SIGA, die Projektarbeit aufrechtzuerhalten. So unterstützen die Mitarbeitenden der Organisation die Menschen bei der Ernte und Weiterverarbeitung ihrer Produkte. Und sie besuchen die Kinder häufiger zu Hause. So besteht Hoffnung, dass die aktuelle Krise Mbalu nur kurzfristig aufhalten wird. Schließlich bedeutet ihr Name „die Starke“. „Wenn ich groß bin“, sagt sie, „möchte ich Ärztin werden und den Menschen in meinem Dorf helfen.“ Mbalu weiß, dass noch ein langer Weg vor ihr liegt. Doch sie weiß auch, dass ihre Träume nicht unerreichbar sind. Seit Oktober 2020 sind zumindest die Schulen wieder geöffnet und die Kinder können können wieder zum Unterricht gehen.
Material zum Mitnehmen

Projektinformation Sierra Leone
Hier finden Sie mehr Informationen zum Schulprojekt in Sierra Leone: Persönliche Geschichten der Kinder, Interviews mit Verantwortlichen, Zahlen über das Projekt und Länderinfos.
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