Ariel und seine Schwester Dina tragen geernteten Reis

Vom Feld auf die Schulbank

Auf der Insel Negros schuften tausende Minderjährige auf Zuckerrohrplantagen: Sie pflanzen, jäten, helfen bei der Ernte. So auch die Schwestern Karylle und Reyca Jay. Ohne ihre Unterstützung kämen die Eltern nicht über die Runden – bis jetzt.

Zuckerrohr, soweit das Auge reicht

Vier Meter hoch steht das Zuckerrohr, ein endloses Meer aus braunen Stängeln und weißen Wedeln. Dumpfe Schläge schallen aus dem stickigen Dickicht, in dem sich die schwüle Tropenluft staut. Der monotone Rhythmus der Macheten erklingt auf der Insel Negros von morgens früh bis abends spät, ganz gleich, ob der Monsunregen die dunkle Erde in rutschigen Morast verwandelt oder die sengende Sonne die Temperatur auf über 35 Grad treibt.

Die Kinder müssen helfen

Mit einem großen Buschmesser schlägt Erntehelfer Randy Occeñola die Halme ab und trägt dann 30 Kilo schwere Bündel zu einem Lastwagen. Wenn’s gut läuft, verdient der Familienvater 150 Peso am Tag, keine drei Euro. „Das reicht nicht einmal für unsere tägliche Ration Reis“, sagt seine Frau Janet. Deswegen müssen auch die beiden Töchter mithelfen: Karylle (8) und Reyca Jay (10) kriechen einem Wasserbüffel hinterher, der mit einem Pflug Furchen zieht, stecken Setzlinge in den Boden und häufen Erde auf – mit bloßen Händen.

Gesetze allein reichen nicht

Eigentlich ist Kinderarbeit auf den Philippinen per Gesetz verboten. Doch seit der Kolonialzeit hat sich auf Negros an der ungerechten Verteilung des Landes wenig geändert: Großgrundbesitzer besitzen riesige Plantagen, auf denen nach wie vor tausende Kinder und Jugendliche schuften, um ihre Familien zu unterstützen. „Die Einhaltung des Verbots von Kinderarbeit wird vielfach einfach nicht kontrolliert“, sagt Gemma Estoya. Sie arbeitet als Sozialarbeiterin für Quidan Kaisahan, eine Partnerorganisation von Brot für die Welt.

Erfolgreiche Aufklärungsarbeit

Dass man überhaupt von den beiden Mädchen weiß, ist bereits ein Erfolg der Hilfsorganisation. Mit Aufklärungskampagnen und Workshops haben ihre Mitarbeitenden die Menschen in der Region über Kinderrechte informiert. Jeder Ort hat inzwischen ein Team von Freiwilligen, die Quidan Kaisahan benachrichtigen, wenn Familien mit arbeitenden Kindern Unterstützung benötigen.

Projektfilm: Kinderarbeit auf den Philippinen

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Kostenlose Nachhilfe

Alle Schülerinnen und Schüler, deren Eltern sich die Schulmaterialien nicht leisten können, erhalten von Quidan Kaisahan ein Start-Paket. „Endlich habe ich meine eigenen Schulhefte, Bleistifte, Kulis – alles, was man braucht“, sagt Reyca Jay. Zudem hat ihre Klassenlehrerin ihr kostenlose Nachhilfe gegeben. „Wegen der vielen Fehlzeiten hatte Reyca Jay einiges aufzuholen. Doch inzwischen ist sie eine der Besten ihres Jahrgangs“, sagt sie.

Corona und die Folgen

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat auch Familie Occeñola hart getroffen: Von Mitte März bis Mitte Mai galt eine zweimonatige Ausgangssperre. Daran haben sich weitere strikte Bestimmungen angeschlossen, inklusive Schließung der Schulen. Zwar wanderten Teile des Unterrichts schnell ins Radio. Gerade benachteiligte Kinder aber hatten unter den Konsequenzen zu leiden. Im August verhängte die Regierung einen erneuten Lockdown. Mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt kauften die Mitarbeitenden von Quidan Kaisahan Lebensmittel und verteilten sie an bedürftige Familien. Und sie sorgten dafür, dass auch die staatliche Hilfe bei den richtigen Adressaten ankam. Präsident Rodrigo Duterte hat zwar angekündigt, dass im August wieder ein reguläres Schuljahr beginnen soll. Ob es so kommt, ist zweifelhaft. Weil die Zahlen wieder steigen, haben einige Regionen strikte Formen der „community quarantines“ verhängt.

Unterstützung beim Lernen

Monatelang konnten Reyca Jay und Karylle nicht mehr in die Schule gehen. Erst am 5. Oktober hat der Schulunterricht wieder begonnen, und das auch nur via Internet. Für Familien wie die Occeñolas ist das keine Lösung: Sie haben keinen Strom in ihren Häusern, geschweige denn Computer oder Laptops. Quidan Kaishan hat daher bei der Schulbehörde erwirkt, dass die Kinder ihre Lernmodule in Papierform erhalten. Gleichzeitig werden sie von Freiwilligen der Organisation beim Lernen unterstützt.

Große Träume – trotz Corona

Viele Tagelöhner hat die Corona-Epidemie hart getroffen – so auch Familie Occeñola. Aufgrund der Ausgangssperren hatte sie plötzlich keine Einnahmen mehr. Doch mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt konnte Quidan Kaisahan sie und 1.000 weitere betroffene Familien mit Reis versorgen. Auch Eltern- und Kind-gerechte Informationen zur Pandemie gehörten zum Angebot sowie psychosoziale Angebote. Zudem wurden Sicherheitsbeamte, die die Auflagen umsetzen, zu Kindeswohl-relevanten Themen sensibilisiert. Inzwischen wurden die Ausgangssperren gelockert, so dass Plantagenarbeit wieder möglich ist. So besteht trotz der Krise die Chance, dass die Träume der Mädchen wahr werden: Karylle möchte Lehrerin werden, Reyca Jay Medizin studieren. „Wir werden alles tun, damit die Wünsche unserer Kinder in Erfüllung gehen“, sagt Janet Occeñola.

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Gilbert Peque erntet Zuckerrohr auf dem Feld

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