Folgen des Klimawandels
Bangladesch: Ein Dorf wird klimaresilient
Der Klimawandel hat Bangladesch längt erreicht: Der Deich in Posurbunia war wie in vielen Orten seit Jahren zerstört, Felder und Häuser standen unter Wasser, doch von der Regierung kam keiner, um ihn zu reparieren. Also nahm das Dorf mit Unterstützung des Leuchtturmpartners CCDB sein Schicksal selbst in die Hand. Genau wie in Vamia, wo dank neuer Filtertechnik die Menschen endlich wieder sauberes Trinkwasser haben.
Drei Stunden am Tag brauchte Jasomoti Biswas noch bis vor wenigen Monaten, um ein paar Liter klares Wasser zu bekommen. Die 50-Jährige lebt mit ihrer Familie in Vamia, einem Dorf im Distrikt Sathkira, im Süden Bangladeschs. Sie musste täglich den drei Kilometer langen Weg in das Nachbardorf zurücklegen, um an sauberes Wasser zum Trinken und Kochen zu gelangen. Die Schlangen an den Brunnen sind lang. Oft wartete Jasomoti ein bis zwei Stunden, bis sie mit Hilfe ihrer Tochter ihre Eimer mit Wasser füllen und den weiten Weg zurücktragen konnte. Früher gab es auch in Vamia noch genügend Trinkwasser, doch mittlerweile ist der Salzgehalt zu hoch. Denn Meerwasser dringt von der Küste immer weiter vor, da für Garnelenfarmen stetig wertvolles Ackerland mit Salzwasser geflutet wird, Dämme und Deiche nicht in Stand gehalten werden und die immer häufiger auftretenden Zyklone salzige Wassermassen ins Land drücken. Zudem verringern Staudämme im Nachbarland Indien den Durchfluss der Flüsse in ihrem Ober- und Mittellauf, sodass mehr Salzwasser vom Meer ins Landesinnere vordringt.
Die Versalzung des Wassers und die weiten Wege zu den Brunnen haben fatale Folgen, vor allem für Frauen und Kinder, die oft für das Wasserholen zuständig sind. „Sie versuchen so wenig Wasser wie möglich zu verbrauchen, um nicht so oft neues holen zu müssen. Sie trinken dann viel zu wenig oder sogar das versalzene Wasser und bekommen teilweise schwere gesundheitliche Probleme“, sagt Foezullah Talukder von CCDB.
Die Schwachen stärker machen
Ein großer Teil der Bevölkerung in Bangladesch ist besonders anfällig für den Klimawandel und seine Folgen: Mehr als 50 Millionen Menschen leben in Armut. Die Bewohner im Norden des Landes leiden während der Wintermonate zunehmend unter Dürre. In den flachen Küstengebieten des Südens hingegen bedrohen Wirbelstürme und damit verbundene Überschwemmungen das Leben der Menschen. Dreiviertel der Bevölkerung wohnen auf dem Land, die Landwirtschaft ist ihre Haupteinnahmequelle. „Die Dürren und Starkregenfälle zerstören ihre Ernten. Es mangelt ihnen jedoch an Infrastruktur, Technologie, Geld und Wissen, um auf die ständigen Naturkatastrophen und die schleichenden negativen Veränderungen durch den Klimawandel reagieren zu können“, so Talukder.
CCDB, der Leuchtturmpartner der Diakonie Katastrophenhilfe und von Brot für die Welt, entwickelt darum gemeinsam mit der betroffenen Bevölkerung Community Climate Resilience Centre (CCRC), individuelle Programme zur Stärkung der Resilienz der dörflichen Gemeinschaften. An einem solchen klimaresilienten Dorf beteiligen sich Menschen verschiedener Berufe und sozialer Schichten, um die Herausforderungen des Klimawandels zu diskutieren, praktische Lösungen für die langfristige Anpassung und zur Katastrophenvorsorge zu entwickeln. Durch den Austausch von Erfahrungen sollen die Modelldörfer auch Signalwirkung für andere Dörfer und durch Kampagnen- und Lobbyarbeit sogar auf nationaler Ebene haben.
In insgesamt dreizehn Dörfern funktioniert das bereits mit Erfolg: Seit acht Monaten ist Jasomotis Weg zu sauberem Trinkwasser deutlich kürzer. 500 Meter von ihrem Haus entfernt errichteten die Männer und Frauen aus Vamia mit Hilfe von CCDB eine Entsalzungsanlage, die Wasser nach dem Prinzip der umgekehrten Umkehrosmose aufbereitet: Durch Druck wird im Wasser gelöstes Salz entfernt. Diese Art der Wasseraufbereitung ist dann nötig, wenn wie in Vamia das Wasser aus den Brunnen zu stark versalzen ist, um es für den Haushalt und insbesondere als Trinkwasser nutzen zu können. Die neue Anlage bedeutet eine große Erleichterung für alle: „Bisher hat das Wasserholen für meine Frau und mich sehr viel Zeit beansprucht. Da ich Alleinverdiener bin, haben wir dadurch immer Einkommen verloren, weil ich in dieser Zeit nicht arbeiten konnte“, sagt Kanuram Mondol, ein junger Familienvater aus dem Dorf. Jetzt kann sich der Fischer wieder ganz auf seinen Beruf konzentrieren. Immer mehr Männer in den Küstenregionen verlassen ihre Heimat auf der Suche nach Arbeit. Auf dem Land zurück bleiben die Frauen, die allein für ihre Familie sorgen müssen, während in den Großstädten die Slums wachsen.
Neue Chancen statt trüber Aussichten
Verschmutztes Trinkwasser ist eine der Hauptursachen von Durchfall und daraus resultierender Mangelernährung. Bis zu 30 Liter darf sich jede Familie täglich aus der Trinkwasseranlage in Vamia holen. „Das Wasser ist sauberer als aus anderen Wasserquellen hier in der Gegend. Das spüren auch meine drei Kinder und die anderen Kinder in unserem Dorf: Sie haben viel seltener Durchfall, Cholera oder Ruhr“, erklärt Jasomoti Biswas.
100 Taka, umgerechnet 1,13 Euro, müssen die Bewohner von Vamia im Monat für das Trinkwasser aus der Filteranlage zahlen, normalerweise ist das Wasser an Brunnen in Bangladesch kostenlos. Doch der Filter wird mit Energie aus Solarkollektoren angetrieben, weil es in Vamia keinen Strom gibt. Das kostet, genau wie die Instandhaltung der Anlage. Verantwortlich dafür ist der 33-jährige Mohabbat Hossain Mollah: Er wurde von der Dorfgemeinschaft für diese Aufgabe ausgewählt. Jetzt wartet Mollah die Anlage täglich, gibt sechs Stunden am Tag Wasser aus und legt die erwirtschafteten Einnahmen für Reparaturen bei der Bank an. Alle drei Monate kommt ein Techniker der Baufirma und berät ihn zur Wartung. „Ich bin sehr glücklich, dass ich diese Verantwortung übertragen bekommen habe“, so Mollah. Die Menschen in Vamia nennen ihn mittlerweile den „Wasserengel“.
Selbsthilfe statt auf Hilfe warten!
Selbst in die Hand genommen haben auch die Kleinbäuerinnen und -bauern des Dorfs Posurbunia im Distrikt Bagerhat die Herausforderungen des Klimawandels: Starke Regenfälle, Hochwasser und Überschwemmungen haben den Deich um ihr Dorf brüchig gemacht und rauben ihnen die Lebensgrundlage. Mehr als 264.000 Hektar Land sind in den Küstenregionen Bangladeschs schon versalzen, auch weil die Deiche nicht in Stand gehalten werden. Die Bauernfamilien verlieren Ernten und Habseligkeiten in den Fluten. CCDB versuchte in vielen Gesprächen die lokale Regierung zu überzeugen, sich um die Situation der Menschen in Posurbunia zu kümmern – erfolglos.
Also sammelten die Dorfbewohnerinnen und -bewohner mit Unterstützung von CCDB selbst Geld ein, um Material für die Reparatur des Deiches zu kaufen. Jeder beteiligte sich mit dem, was sie oder er beisteuern konnte: Der 75-jährige Md. Abdur Rahman zum Beispiel brachte 1250 Taka (BDT), umgerechnet 14,18 Euro auf, um Baumaterial für die Reparatur kaufen zu können. Er hat ein kleines Stück Land, nur 0,3 Hektar groß, das direkt an den Deich angrenzt. Seit drei Jahren hat er seine Felder wegen des Deichbruchs nicht mehr bewirtschaften können. „Das war früher nicht so, dass durch die Überschwemmungen und den Regen soviel Wasser kommt, dass es in unser Dorf vordringt“, sagt Rahman. In den Fluten starben während des Monsuns Kühe und Puten, Häuser wurden zerstört, Haushaltsgegenstände schwammen umher und die Kinder konnten nicht zur Schule gehen. „Wir konnten nicht kochen und noch nicht mal unsere Toilette benutzen – überall war Wasser!“ sagt die 70-jährige Rowsonara Begum.
Gemeinsam reparierten die Dorfbewohner den Deich. Mehr als 200 Familien sind nun bei Hochwasser geschützt. „Durch die gemeinsame Deichreparatur und andere Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge haben viele nun ein stärkeres Bewusstsein für die Klimaveränderungen und ihre Auswirkungen bekommen“, so Foezullah Taludker. Auch das Interesse der Regierung ist geweckt: Häufig wird Posurbunia nun besucht und als Modelldorf vorgestellt. Die Beteiligten zeigen gern, was sie geschafft haben: „Das war das erste Mal in unserem Dorf, das wir Dorfbewohner uns selbst gerettet haben”, sagt Rahman stolz.
Material zum Mitnehmen

Im Fokus Klimawandel
Das Heft stellt auf 36 Seiten die gemeinsamen „Leuchtturmprojekte“ von Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe zur Katastrophenvorsorge und Klimaanpassung vor.
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