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Studie: EU-Mercosur-Abkommen neu verhandeln

Die neue Studie von Brot für die Welt zeigt: Das EU-MERCOSUR-Abkommen benachteiligt Südamerika stark gegenüber Europa. Es untergräbt die Armutsbekämpfung und blockiert den Aufbau einer klimaneutralen Wirtschaft in den MERCOSUR-Staaten. Brasilien will deshalb komplett neu verhandeln.

Von Sven Hilbig am
EU-Mercosur-Abkommen, Protest von Indigenen

Indigene aus der Amazonasregion protestieren mit Klimaaktivistinnen vor dem EU-Parlament gegen das Handelsabkommen.

Seit Lula da Silva die Amtsgeschäfte in Brasilien übernommen hat, erhofft sich Europa den baldigen Abschluss des Assoziierungsabkommens mit den MERCOSUR-Staaten. Das Freihandelsabkommen war einer der Schwerpunkte beim EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel, der am 17. und 18. Juli in Brüssel stattfand. Doch der brasilianische Präsident erteilte dem EU-MERCOSUR-Abkommen eine Absage, weil es „unser Land zur ewigen Rolle des Rohstoff-Exporteurs verdammt“. Er fordert Nachverhandlungen, genau wie sein argentinischer Amtskollege Alberto Fernández, und die lateinamerikanische Zivilgesellschaft warnt ebenfalls vor dem EU-MERCOSUR-Abkommen.

Warnung vor Freihandelsabkommen

Kritiker befürchten, dass kleine und mittelständische Unternehmen durch Abbau der Zölle und steigende Importe aus Europa vom Markt verschwinden, und dass Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger steigen. Sie fordern daher ebenfalls den gesamten Assoziierungsvertrag neu zu verhandeln und dabei auf Arbeinehmerrechte, Landwirtschaft und Klimaschutz zu achten.

Studie stützt Kritik an EU-MERCOSUR-Abkommen

Die neue Studie von Brot für die Welt lässt keinen Zweifel aufkommen: Das Abkommen schränkt massiv den Spielraum für die vier MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ein. Das Abkommen hindert sie vor allem daran, eine sozial gerechte und klimaneutrale Wirtschaft aufzubauen, die so dringend notwendig ist. Die ganze Studie (Langfassug) „EU-MERCOSUR-Assoziierungsabkommen: Folgen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im MERCOSUR“ listet noch weitere Gründe auf, die gegen den Vertrag sprechen. Hier die Kurzfassung

EU kennt Gefahren für Arbeitnehmerrechte

Sogar die offizielle Folgenabschätzung der EU-Kommission bestätigt die zu erwartenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des Abkommens. Sie prognostiziert für Südamerika eine Vertiefung der ökonomischen Kluft durch Produktionseinbußen und Arbeitsplatzverluste im Maschinenbau, der Metallindustrie und der Autoindustrie. Beim Handel mit Industriewaren könnten die Wachstumsraten der Exporte der Europäischen Union demnach annähernd um das zehnfache höher ausfallen als die Exporte der MERCOSUR-Staaten: 74 Prozent (EU-Exporte) gegen 7,9 Prozent (MERCOSUR-Exporte).

Abhängigkeit der MERCOSUR-Staaten steigt

Dabei durchlitten Brasilien und Argentinien bereits in den vergangenen Jahrzehnten eine starke Deindustrialisierung, die sich bis heute fortsetzt. Die Schrumpfung ihrer verarbeitenden Industrie und die damit einhergehende Spezialisierung auf den Agrar- und Rohstoffsektor verursachen weiterhin massive Umweltschäden, auch im Regenwald und dem gesamten Amazonas-Gebiet. Hinzu kommen gravierende Beschäftigungsverluste und eine geringe Innovationskraft. Mitverantwortlich für diesen Teufelskreis: Die Handelspolitik des ressourcenarmen Europas. Die im EU-MERCOSUR-Abkommen vereinbarten Zollsenkungen werden die ungleiche Beziehung zwischen der Europäischen Union und den MERCOSUR-Staaten weiter vertiefen.

Verbot von Exportsteuern gefährdet Energiewende

Mehr noch: Wegen des grundsätzlichen Verbots von Exportsteuern verlieren die MERCOSUR-Länder ein wichtiges industriepolitisches Instrument. Mithilfe von Exportsteuern könnten Regierungen die kostengünstige inländische Verfügbarkeit knapper Rohstoffe für die inländische Wirtschaft sicherstellen. Argentinien etwa erhebt zurzeit Exportsteuern etwa auf Gold, Silber, Kupfer und Lithium. Diese Rohstoffe sind für die Energiewende und den Klimaschutz unverzichtbar, sei es für die Produktion von Batterien, Windrädern oder Solaranlagen. Sollten die MERCOSUR-Staaten künftig stärker in den Aufbau eigener grüner Technologien investieren, wird die günstige Rohstoffverfügbarkeit auch für sie zentral.

Exportsteuern könnten zudem den Aufbau der Kreislaufwirtschaft im MERCOSUR unterstützen. Um diese und die Energiewende voranzutreiben, wäre es demnach notwendig, den MERCOSUR-Staaten Exportsteuern auf Rohstoffe und Elektroschrott zu ermöglichen sowie die technologische Entwicklung des Recyclings zu befördern. Das Freihandelsabkommen orientiert sich jedoch lediglich an der sicheren Rohstoffversorgung der EU, während es dem MERCOSUR industriepolitische Beschränkungen auferlegt.

Kein Technologietransfer für den Klimaschutz

Entwicklungs- und Schwellenländer fordern schon lange vergeblich, den Zusammenhang zwischen dem strengen Schutz geistiger Eigentumsrechte und der mangelhaften Verbreitung grüner Technologien anzuerkennen. Um diesen Mangel zu beheben, verlangen sie vor allem einen effektiven Technologietransfer. Die Dringlichkeit dieser Forderungen ergibt sich auch daraus, dass internationale Instrumente zum Technologietransfer im Klimabereich bisher weitgehend erfolglos geblieben sind, wie etwa der Technology Mechanism der UN-Klimarahmenkonvention. Der bei den UN-Klimaverhandlungen in Cancún 2010 eingerichtete Mechanismus sieht eigentlich Maßnahmen zur Technologieentwicklung und zum Technologietransfer in Entwicklungsländer vor, um sie bei der Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen.

Grüne Technologie wird ausgebootet

Das EU-MERCOSUR-Abkommen bietet jedoch auch in dieser Hinsicht keine Hilfe. Die wäre dringend erforderlich, auch um der Gefahr des fossilen Lock-in zu begegnen. Bis heute investieren europäische Konzerne in die fossile Energiewirtschaft der MERCOSUR-Staaten. Beispielsweise erhielt Siemens Energy im Jahr 2021 einen Auftrag für den Bau eines Gaskraftwerks im brasilianischen Hafen Porto do Açu, das mit dem besonders klimaschädlichen Flüssigerdgas LNG (Liquified Natural Gas) befeuert werden soll.

Deregulierung des öffentlichen Beschaffungswesens

Viele politische Unterstützungsmaßnahmen der MERCOSUR-Regierungen für eine nachhaltige und lokale Wirtschaftsentwicklung, etwa Vorschriften zur Verwendung von Mindestanteilen inländischer Produkte oder Investitionsauflagen, werden durch das Abkommen verboten. Stattdessen sollen bei Staatsaufträgen – die in Argentinien 13 Prozent und in Brasilien rund 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen – die wettbewerbsfähigeren EU-Konzerne und deren günstigere Produkte den Vorzug erhalten.

MERCOSUR-Abkommen untergräbt Standards

Umwelt- und Arbeitsstandards werden wie bei den gescheiterten Verhandlungen über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TTIP unter den Generalverdacht gestellt, den Handel zu behindern. Einen Handel, bei dem ausschließlich der Preis zählt. Die MERCOSUR-Länder verlieren damit die Möglichkeit, mit öffentlicher Beschaffung Leitmärkte für innovative Produkte zu etablieren. So könnten sie über Lizenzverträge mit der IT-Industrie die Digitalisierung fördern und über den Einkauf emissionsarmer Produkte die Dekarbonisierung vorantreiben.

Partnerschaft für eine grüne, armutsmindernde Wirtschaft

Ein modernes Handelsabkommen hingegen ist eine Chance, gemeinsam die Klimakrise zu bewältigen und die wachsende Armut zu beseitigen. Deshalb sollten wir den Ball der südamerikanischen Gesellschaften aufnehmen und einen Neustart in den EU-MERCOSUR-Beziehungen wagen. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich in der EU für ein faires Abkommen einzusetzen, das Spielraum für ein soziales und klimaneutrales Wirtschaften im MERCOSUR schafft. In der Publikation „EU-MERCOSUR-Beziehungen erfordern Neustart“, bei der es sich um eine Kurzfassung unserer Studie handelt, beschreiben wir weitere Gefahren des Abkommens und präsentieren unsere Forderungen.

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Lachender Junge

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