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Ergebnisse der COP27 in Sharm El Sheikh

Vom 06. November bis zum Morgengrauen des 20. November tagte der 27. Weltklimagipfel (COP27) im ägyptischen Sharm El Sheikh. Die Ergebnisse sind zum einen als Meilenstein für Klimagerechtigkeit zu bewerten und zum anderen auch Anlass für große Besorgnis.

Von Sabine Minninger am
COP27 in Sharm El Sheikh

COP27 in Sharm El Sheikh

Die zweiwöchige Konferenz im ägyptischen Scharm El Sheikh sollte eigentlich nur bis Freitag dauern, wurde aber kurzfristig um zwei Tage verlängert, weil es der Staatengemeinschaft nicht gelungen war, rechtzeitig einen gemeinsamen Beschluss zu fassen. Im Vordergrund des diesjährigen Treffens stand das Thema klimabedingte Schäden und Verluste, im Verhandlungsjargon kurz Loss and Damage genannt. Brot für die Welt verfolgt intensiv dieses Verhandlungsthema und wird daher hierzu auch detaillierter berichten als zu anderen Verhandlungsthemen.

Seit 30 Jahren versuchen kleine Inselstaaten, die ärmsten Staaten und besonders verwundbare Entwicklungsländer das Thema auf die UN-Verhandlungsagenda zu bringen. Bisher erfolglos. Seitdem Brot für die Welt vor 15 Jahren in den Verhandlungsprozess eingestiegen ist, unterstützen wir die Forderung der ärmsten und verletzlichsten Staaten nach finanzieller Unterstützung in der Bewältigung von Klimaschäden. Diese treten bereits jetzt auf, wenn Anpassungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind, z.B. wenn niedrig gelegene Inselstaaten im Pazifik aufgrund von Meeresspiegelanstieg sinken, oder trotz Anpassungsmaßnahmen, wenn Deiche und Dämme in Bangladesch durch immer heftiger auftretenden Zyklone zerstört werden.

Mehr als 130 ärmere Länder hatten einen neuen Fonds gefordert, der ihnen bei der Bewältigung der irreparablen Schäden durch Überschwemmungen, Dürren und andere klimabedingte Auswirkungen helfen soll. Bisher durfte darüber nicht einmal gesprochen werden. Noch bei den Verhandlungen des Pariser Klimaabkommens 2015 haben alle Industriestaaten jegliche Kompensationsansprüche wegverhandelt, die USA hat sogar auf eine Klausel bestanden, die besagt, dass niemals Kompensationsansprüche gestellt werden dürfen.

Die gesamte Gruppe der Entwicklungsländer hat nun gemeinsam darauf gedrängt, dass ein eigenständiger Fonds zur Bewältigung von Klimaschäden beschlossen werden muss, die Industriestaaten dagegen sprachen sich für eine Mosaiklösung aus, was vor allem die Auffüllung von bestehenden Töpfen beinhalten solle. Dies wurde jedoch von den Entwicklungsländern vehement abgelehnt, denn zu groß ist die Angst, dass alter Wein durch neue Schläuche fließen könnte. Sie bestanden darauf, dass die Finanzzusagen für Loss and Damage neu und zusätzlich zur Anpassungsfinanzierung, zur Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Official Development Assistance) und Humanitären Hilfe bereitgestellt wird. Von einem eigenständigen Fonds versprechen sie sich mehr Transparenz darüber, wer einzahlt und um welche Mittel es sich handelt.

Die ägyptische Präsidentschaft hat daher die deutsche Staatssekretärin Jennifer Morgan aus dem Auswärtigen Amt zusammen mit Maisa Rojas, die chilenische Umweltministerin, beauftragt, die Staatengemeinschaft zu einem gemeinsamen Beschluss zu führen. Bereits im Vorfeld der COP27 waren die Fronten verhärtet und die Aufgabe schien schier unlösbar.

Agendapunkt zu Loss and Damage

Direkt zum Auftakt der COP27 wurde der Agendapunkt 8f „Matters relating to funding arrangements for addressing loss and damage“ angenommen. Das man überhaupt über die finanzielle Unterstützung bei Klimaschäden reden und verhandeln konnte, galt bereits als historischer Meilenstein für mehr Klimagerechtigkeit. Diese positive Dynamik ist dann allerdings bald abgeflacht. Die Industriestaaten wollten sich nicht auf einen eigenständigen Fonds einlassen und verwiesen auf existierende Töpfe. Die USA verwies zudem auf Geldquellen außerhalb der Klimarahmenkonvention, wohl mit dem Hintergrund, dass diese nicht an das Verursacherprinzip gekoppelt sind.

Santiago Network on Loss and Damage

In der Mitte der 2. Verhandlungswoche ist es gelungen, das bei der COP25 im Jahr 2019 beschlossene Santiago Network in Loss and Damage (SNLD) zu operationalisieren. Damit wäre ein konkreter Implementierungsarm geschaffen zur technischen Beratung von Entwicklungsländern im Umgang mit Klimaschäden. Besonders die USA aber auch weitere Industriestaaten haben versucht, sowohl die Struktur des SNLD zu schwächen wie auch seine politische Relevanz. Dies gehört zur normalen Verhandlungstaktik, ist jedoch bei einem Verhandlungsthema zur konkreten Nothilfe nicht akzeptabel und hat zudem viel Kritik seitens der Zivilgesellschaft beschert, so dass die Blockadehaltung bald aufgegeben wurde und eine robuste Struktur verabschiedet werden konnte.

Der Loss and Damage Klimafonds

Am Ende einigten sich rund 200 Länder auf einen eigenständigen Fonds. Ein großer Erfolg, den die Delegierten aus den ärmsten und verwundbarsten Staaten sowie die internationale Zivilgesellschaft für sich feiern. Hinter den Kulissen hat auch Deutschland und die EU sich sehr stark nach vorne bewegt und alle weiteren Industriestaaten motiviert, dem Beschluss zuzustimmen. Im nächsten Jahr muss der Fonds eingerichtet werden, dafür muss geklärt werden, wer einzahlt und wer empfangsberechtigt ist. Nach zähen und schwierigen Verhandlungen steht im Abschlusstext nun, dass Entwicklungsländer die besonders verwundbar sind, Zugriff auf die Hilfsmittel haben sollen. Ein Übergangskomitee wurde beschlossen, aus 24 Mitgliedern, 10 aus Industrieländern und 14 aus Entwicklungsländern. Das Komitee wird im nächsten Jahr die Modalitäten ausarbeiten, um den Fonds zu operationalisieren. Wichtig wird dabei sein, wo das Geld herkommen soll, dabei sollen innovative Finanzierungsinstrumente wie die Besteuerung der fossilen Industrie eine herausgehobene Rolle spielen. Diesbezüglich gibt es von Seiten der Zivilgesellschaft bereits viele Vorschläge, so dass die Mittel zusätzlich und bedarfsgerecht, gemäß des Verursacherprinzips generiert, in Form von Schenkungen und nicht von Krediten, bereitgestellt werden könnten.

China spielte bei diesen Verhandlungen eine besonders schwierige Rolle, denn sie beriefen sich darauf selbst Entwicklungsland zu sein, und als der mittlerweile größte Emittent an Treibhausgasen, selbst in den Fonds nicht einzahlen, sich daraus aber bedienen zu wollen. Wenn es schon per Definition im Schlussdokument nicht möglich was dies auszuschließen, so sollte China seine Verantwortung gegenüber der Klimakrise und zu den ärmsten und verletzlichsten Staaten annehmen, selbst einzahlen und auf eine Inanspruchnahme verzichten.

Die Kehrseite der Medaille

Im anstrengenden Endgame geht es meistens nicht mehr nur um ein Verhandlungsthema, sondern ein Zocken der Verhandlungspakete beginnt. Alle wichtigen Themen werden zur Verhandlungsmasse, so auch diesmal bei der COP27 zu Loss and Damage. Dieses Thema blockierte in den letzten 36 Stunden alle anderen strittigen Punkte, vor allem einen ambitionierten Klimaschutz. Der Gipfel drohte zu scheitern.

Die problematischen Streitpunkte konnten nicht ausgeräumt werden und müssen in dem nächsten Jahr nachverhandelt werden. Neben China, haben auch weitere Schwellenländer und ölexportierende Entwicklungsländer wie Saudi Arabien ambitionierten Klimaschutz blockiert. Deutschland und die EU bestanden darauf, dass im Abschlussdokument der Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle verankert wird und die Bekennung zum 1.5 Grad-Limit. Der Ausstieg aus Öl und Gas konnte nicht beschlossen werden, was aber dringend notwendig wäre, um die globale Erwärmung auf 1.5 Grad zu begrenzen. Es ist nicht mehr erklärbar und grenzt an Irrsinn, dass man im Jahr 2022 auf einem Klimagipfel keinen ambitionierten Klimaschutz beschliessen kann. Dies wird auch zu mehr Klimaschäden führen. Von daher ist es absurd, dass die Bremser von ambitioniertem Klimaschutz sich auch noch an einem Geldtopf für Klimaschäden bedienen wollen, welche sie selbst mit verursachen.

Überhaupt war das Agieren der Lobbyisten aus den fossilen Branchen auf dem Gipfel deutlich spürbar. Laut Global Witness und des Corporate Europe Observatory waren 636 Lobbyist:innen für Öl, Gas und Kohle bei der COP registriert. D.h. es spielen hier mehr Interessenvertreter:innen der Fossilen mit, als Vertreter:innen der 10 verletzlichsten Staaten. Die ägyptische Präsidentschaft zeigte zudem auch kein hohes Interesse, den Verhandlungsprozess stringent und transparent zu führen, was wohl auch damit zu tun haben könnte, dass sie kein Interesse haben an ambitioniertem Klimaschutz.

Es kursieren nun auch Meinungen, dass der Loss and Damage Fonds zu lasten von Klimaschutz beschlossen wurde. Das ist Absurd, denn auch ohne den Beschluss einen Fonds für die ärmsten und verletzlichsten Staaten einzurichten, wäre es wohl unmöglich gewesen, von den fossil-gelenkten Staaten einen Ausstieg aus den Fossilen abzuringen. Zudem dürfen gerade die Anliegen der ärmsten und verletzlichsten Staaten nicht zum Spielball der Verhandlungen werden, um andere wichtige Themen voranzubringen. Zu oft sind im Streit der Industrie- und Schwellenländer die Anliegen der ärmsten Staaten zerrieben worden. Daher ist es nur richtig und rechtens, dass sie nach 30 Jahren erfolglosen Appellen den Fonds nun bekommen, der schnellstmöglich gemäß des Verursacherprinzips durch alle Hochemittenten gefüllt werden muss.

Was noch geschah

Brot für die Welt hat bei dieser COP27 nur die sehr intensiven und zeitaufwendigen Verhandlungen zu Loss and Damage verfolgt, daher empfehlen wir für die Ergebnisse zu anderen Verhandlungsthemen oder auch die Bewertung der schwierigen Menschenrechtssituation in Ägypten und zivilgesellschaftlichen Beteiligung, die Auswertung unserer Bündnisse und Partnerorganisationen:

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Lachender Junge

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