12. WTO-Ministerkonferenz
Welthandel von oben herab

Die Welthandelsorganisation hat es in ihrem mehr als zwanzigjährigen Bestehen nicht geschafft, einen Ausgleich der Interessen zwischen ihren armen und reichen Mitgliedern zu schaffen. Die Rivalität zwischen den USA und China prägt zunehmend die WTO und verhindert dringend notwendige Reformen.
Der Grundkonflikt der Welthandelsorganisation
Die WTO tritt offiziell für eine Liberalisierung des Welthandels ein, doch achten die reichen Industrieländer seit jeher darauf, ihre Handelsvorteile zu wahren und auszubauen. Das geht zulasten der ärmeren Länder, und die wehren sich dagegen. So fordern exportorientierte Schwellenländer wie Brasilien und Argentinien die weitere Öffnung der Agrarmärkte in der EU und den USA. Entwicklungsländer hingegen kämpfen für den Schutz ihrer Wirtschaft, wozu auch der Abbau von Subventionen im Norden gehört. Dieser Grundkonflikt prägt die Geschichte der Welthandelsorganisation seit sie 1995 ihre Arbeit aufnahm, und verhindert bis heute wichtige Weichenstellungen für einen fairen und nachhaltigen Welthandel.
Die Hoffnung, die Wahl Joe Bidens zum neuen US-Präsidenten würde eine Reform der WTO ermöglichen, hat sich nicht erfüllt. Die Erwartungen an die 12. Ministerkonferenz Ende 2021 in Genf sind demensprechend gering. Die Welthandelsorganisation wird zunehmend zur Bühne für die Rivalität zwischen den Weltmächten USA und China.
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Die wichtigen Themen der WTO
Wenn der Welthandel seine viel beschworene wohlstandsfördernde Wirkung entfalten soll, muss er an die verschiedenen Lebens- und Wirtschaftssituationen auf der Welt angepasst werden. Außerdem müssen Umweltschutz und Nachhaltigkeit über dem bisherigen Primat der kurzfristigen Profite stehen, damit die Menschheit auch in Zukunft erfolgreich wirtschaften kann. Nach dieser Maßgabe sind wichtige Weichenstellungen in folgenden Bereichen nötig:
1. Ernährungssicherheit zur Chefsache machen
Um Entwicklung zu erleichtern und Armut zu verringern, bedarf es einer umfassenden Reform des derzeitigen Agrarhandels. Die Welthandelsregeln müssen zukünftig den ärmsten Ländern mehr Freiheiten geben, um ihre Bevölkerung ernähren zu können. Gegenwärtig erlauben die WTO-Regeln lediglich den reichen Ländern, ihre Landwirtschaft umfassend zu subventionieren, wohingegen Indien und den meisten afrikanischen Ländern nur geringfügige Unterstützung erlaubt ist.
2. Überfischung der Meere verhindern
Um die Meere nicht weiter zu überfischen, müssen die Subventionen für industrielle Fangflotten drastisch gesenkt werden. Darin sind sich entwicklungs- und umweltpolitische Organisationen einig. Zusätzlich muss die WTO die traditionellen handwerklichen Fischer in den Entwicklungsländern entlasten.
3. Digitalen Handel gerecht regeln
Der digitale Handel kann auch im globalen Süden die Auswahl an Gütern und Dienstleistungen erhöhen und die Entwicklung innovativer Geschäftsfelder begünstigen. Die gegenwärtigen WTO-Verhandlungen über ein Handelsabkommen zum E-Commerce, die von den USA, China, Japan und der EU dominiert werden, drohen jedoch die Machtposition einiger weniger digitaler Plattformen zu zementieren, statt neue Chancen für alle zu schaffen.
4. Digitalisierung für alle ermöglichen
Zu einer gerechten Neuregelung der digitalen Wirtschaft gehört zum einen, die digitale Kluft in der Welt von heute zu schließen, die riesig ist. Die Mehrheit der Menschen in Entwicklungsländern haben keinen Internet-Anschluss, viele haben noch nicht einmal Strom. Zum anderen fehlt es den Ländern im Süden an Geld und Knowhow, eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene digitale Wirtschaft aufzubauen. Hierfür müssen Investitionen und Wissen freier fließen.
5. Politischen Handlungsspielraum erweitern
Eine zukunftsfähige Entwicklungs-Agenda muss die Beschränkungen beseitigen, welche die WTO aktuell den Ländern des Globalen Südens auferlegt. Um ihrer Bevölkerung ein Leben in Würde und Wohlstand zu ermöglichen, muss es den ärmsten Ländern weit mehr als bisher erlaubt sein, Maßnahmen zum Schutz ihrer inländischen Wirtschaft zu ergreifen. Die WTO muss außerdem den Technologietransfer erleichtern und armen Ländern die Herstellung günstiger Arzneimittel erlauben.
Die Zukunft sichern durch fairen Welthandel
Zur Schaffung eines zukünftigen multilateralen Handelsregimes, welches im Einklang mit der Agenda 2030 und den vereinbarten 17 Nachhaltigkeitszielen steht, bedarf es jedoch mehr als nur einiger Reformen bei der WTO. Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Neugestaltung der internationalen Handelsbeziehungen, in der neben den berechtigten Anliegen exportorientierter Länder auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Beachtung findet und eine eigenständige nationale Wirtschaftspolitik möglich ist.
Material zum Mitnehmen

Die Zukunft des Welthandels
Eine zukunftsfähige Handelspolitik muss die selbstbestimmte wirtschaftliche und soziale Entwicklung in allen Ländern fördern. Ideen und Vorschläge dazu gibt es genug, aber der Globale Norden müsste Privilegien aufgeben.
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