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WTO-Vertrag bedroht digitale Souveränität

Neues WTO-Abkommen könnte in die Geschichte eingehen. Anstatt Entwicklungsländern faire Handelsbeziehungen anzubieten, droht ihnen ein digitaler Kolonialismus. Fernab der Öffentlichkeit hat eine Gruppe von Staaten einen Vertragsentwurf erarbeitet, der die Konzentration von Daten und Profit in der Hand einiger Digitalkonzerne völkerrechtlich zementieren könnte.

Von Sven Hilbig am
Partner von Brot für die Welt protestieren auf der WTO-Ministerkonferenz in Buenos Aires. Sie fürchten einen neuen, digitalen Kolonialismus.

Activists hold placards during a protest against the 11th World Trade Organization's ministerial conference, inside the hotel where it is being held, in Buenos Aires, Argentina December 11, 2017. REUTERS/Marcos Brindicci - RC1EA1C6F0D0

Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) verhandeln an einem Vertrag, der unsere digitale Welt prägen wird: Ein Handelsabkommen zum E-Commerce. Was nach einer harmlosen Standardisierung des Online-Handels klingt, verfolgt bei näherer Betrachtung eine hochbrisante politische Agenda.

Die hinter verschlossenen Türen tagenden Verhandlungspartner haben in einigen Bereichen bereits eine Einigung erzielt, wie der von einer niederländischen Nichtregierungsorganisation geleakte Textentwurf zeigt. Eine Analyse des 90 Seiten umfassenden Textes macht zudem deutlich: Der Vertrag würde die digitale Zukunft festschreiben und könnte nationale sowie regionale Regulierungsspielräume einschränken; europäische Regulierung miteingeschlossen. Nützliche Regeln werden, wie bei TTIP, als Handelshemmnisse betrachtet und abgewiesen. Laut dem Vertragsentwurf dürfen bspw. Regierungen Digitalkonzernen nicht mehr verpflichten, die in ihrem Land erhobenen Daten auch auf heimischen Servern zu speichern. Entwicklungs- und Schwellenländer würden damit der Möglichkeit beraubt, sich eigene Daten-Pools zum Aufbau einer eigenen daten-basieren Digitalwirtschaft aufzubauen.

 

Digitalisierung kann dem Wohl der Allgemeinheit dienen – oder die Kluft vergrößern

Sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer des Globalen Südens kann Digitalisierung - unter den richtigen Bedingungen - für nachhaltigen Wohlstand und den Aufbau von Beschäftigung genutzt werden. Grundvoraussetzung dafür ist ein klarer politischer Rahmen, der in Nord und Süd digitale Souveränität schafft. Zahlreiche Entwicklungs- und Schwellenländer sowie die UN-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fordern seit langem eine solche Industriepolitik. Auch in Europa und Deutschland traut eine Mehrheit der Parteien dem Markt allein die digitale Aufholjagd nicht zu.

Die Potenziale der Digitalisierung für die Menschen in Nord und Süd hängen vor allem von gesetzlichen Handlungsmöglichkeiten ab. Der Aufbau digitaler Ökosysteme ist Voraussetzung, um kleinen und mittelständischen Unternehmen aber auch Start-ups zu ermöglichen, eine leistungsfähige und international wettbewerbsfähige Digitalwirtschaft aufzubauen.

Die E-Commerce-Verhandlungen gehen jedoch in eine andere Richtung. Die beabsichtigte weitere handelspolitische Liberalisierung und Deregulierung der Digitalwirtschaft könnte vor allem den großen Konzernen aus den USA und China zugutekommen.

Für Entwicklungsländer besonders problematische Regelungen wären:

Ein permanentes Zollverbot auf digitale Güter. Das Zollverbot würde den finanziellen Spielraum der Länder des Globalen Südens weiter beschränken und Investitionen in eine nachhaltige Entwicklung (fast) unmöglich machen.

Eine Entbindung von Tech-Unternehmen, ihre Daten dort speichern zu müssen, wo sie generiert werden. Das Verbot lokaler Datenspeicherung würde effektiven Datenschutz unmöglich machen. Die Entwicklung von digitalem Know-How, das die Grundlage für den Aufbau einer eigenständigen Digitalwirtschaft bildet, fände zudem weiterhin fast ausschließlich im globalen Norden statt.

Eine Einigung auf die niedrigsten globalen Datenschutzstandards. Ein niedriger Datenschutz würde Errungenschaften wie die DSGVO unter Druck setzen. Zahlreiche Entwicklungsländer hatten in vergangenen Jahren die europäische Datenschutzverordnung übernommen.

Forderung nach einem Stopp der Verhandlungen

Nach Ansicht von Brot für die Welt und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bedarf es keiner weiteren Deregulierung der Digitalwirtschaft. Damit der digitale Wandel der globalen Gemeinschaft zugutekommt, braucht es vielmehr faire politische Rahmenbedingungen und transparente, demokratische Aushandlungsprozesse unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Wird die Digitalisierung dem freien Markt überlassen, droht eine weitere Monopolisierung von Profit und Macht über Daten.

In einem am 20.01.2022 veröffentlichen gemeinsame Positionspapier appellieren Brot für die Welt und der DGB an die Bundesregierung und die EU-Kommission, die E-Commerce-Verhandlungen innerhalb der WTO zu stoppen. Die Inhalte der Verhandlungen müssen offengelegt und Vereinbarungen verhindert werden, die die digitale Kluft zwischen Digitalkonzernen und dem Rest der Welt weiter vergrößern.

Die Welt braucht digitale Souveränität! Digitalkonzerne tragen gesellschaftliche Verantwortung. Die gegenwärtigen Verhandlungen über ein Abkommen zum digitalen Handel laufen hingegen in eine gefährliche Richtung.

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Lachender Junge

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