Interview

„Arzneimittel müssen ein öffentliches Gut sein“

Um die Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern zu verbessern, brauche es Geld, sagt Julia Stoffner, Referentin für internationale Gesundheitspolitik bei Brot für die Welt. Aber nicht nur das.

Von Thorsten Lichtblau am
Julia Stoffner, Referentin Gesundheit bei Brot für die Welt

Julia Stoffner, Referentin Gesundheit bei Brot für die Welt

Frau Stoffner, in Deutschland sind Herzinfarkte, Schlaganfälle und Krebserkrankungen die häufigste Todesursache. Wie ist es in anderen Ländern?
Dort ist es ähnlich. Rund 70 Prozent der Todesfälle weltweit gehen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere nicht übertragbare Krankheiten zurück. Die restlichen 30 Prozent basieren auf Infektionskrankheiten wie Corona, HIV, Tuberkulose oder Malaria. Einen Großteil dieser – oft vermeidbaren – Todesfälle verzeichnen wir in den Ländern des Globalen Südens.

Warum sind Infektionskrankheiten dort so viel bedrohlicher als bei uns?
Die wichtigste Ursache ist Armut. Sie verhindert, dass Kranke medizinisch versorgt werden. Eine Rolle spielen auch die klimatischen Bedingungen. So kommen zum Beispiel Mücken, die Malaria übertragen, in Deutschland gar nicht vor. In einigen Regionen ist der mangelnde Zugang zu sauberem Trinkwasser verantwortlich, da manche Krankheiten wie Durchfall oder Cholera über verunreinigtes Wasser übertragen werden. Und ein häufiges Problem in den Ländern des Globalen Südens ist, dass die Gesundheitssysteme dort nicht so gut ausgestattet sind wie bei uns.

Was ist der Grund dafür?
In erster Linie fehlt es an Geld. Viele wirtschaftlich ärmere Länder haben finanzielle Schwierigkeiten, weil sie Kredite vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank bekommen haben, die mit hohen Sparauflagen verbunden waren, so dass sie ihre Ausgaben für Gesundheit herunterfahren mussten. Das führt unter anderem dazu, dass es dort viel weniger Krankenhäuser und Arztpraxen gibt als bei uns und nicht genügend Gesundheitspersonal eingestellt werden kann. Die Corona-Pandemie hat die Notlage noch einmal verschärft.

Warum?
Zunächst einmal sind viele Gesundheitsfachkräfte gestorben, gerade am Anfang der Pandemie, als es noch keine Masken gab und auch keine Tests, so dass man gar nicht wusste, wenn jemand mit Corona infiziert war. Ein großes Problem war auch, dass viele Krankheiten gar nicht mehr behandelt worden sind, weil man die eh schon geringen finanziellen Mittel für die Bekämpfung von Corona abgezogen hat. So mussten in vielen Ländern die Malaria-Programme zurückgefahren werden und auch die Impfquoten von Kindern sind in den Keller gegangen.

Was tut Brot für die Welt, um eine bessere Gesundheitsversorgung in den Ländern des Globalen Südens zu erreichen?
Die Projekte von Brot für die Welt tragen in vielen Regionen dazu bei, die Gesundheitsversorgung zu verbessern: von einem verbesserten Zugang zu effektiven und hochwertigen Gesundheitsdiensten über Hygieneprogramme, Familienplanung, Mutter-Kind-Gesundheit oder HIV/Aids bis hin zur Betreuung von Menschen mit Demenz. Darüber hinaus setzen wir uns auch auf politischer Ebene für eine bessere Gesundheitsversorgung ein.

Wie machen Sie das?
In erster Linie, indem wir den Austausch mit dem Bundesentwicklungs- und dem Bundesgesundheitsministerium, aber auch mit einzelnen Bundestagsabgeordneten suchen und für unsere Positionen werben.

Was fordern Sie dabei konkret?
Zunächst einmal fordern wir, dass die Bundesregierung genügend finanzielle Mittel bereitstellt, um Gesundheitssysteme weltweit zu stärken. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit seinen wirtschaftlichen Folgen, aber auch der Gaza-Krieg dürfen nicht dazu führen, dass das Thema Gesundheit aus dem Blickfeld gerät. Und die Bundesregierung sollte durch ihr eigenes Handeln nicht dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung in Ländern des Globalen Südens weiter zu schwächen.

Was meinen Sie damit?
Um den Personalmangel im deutschen Gesundheitswesen zu bekämpfen, setzt die Bundesregierung auf die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Viele der Herkunftsländer verfügen aber selbst nicht über genügend Pflegekräfte, geschweige denn Ärztinnen und Ärzte. Anstatt die wenigen qualifizierten Fachkräfte abzuwerben, sollte die Bundesregierung lieber die Bedingungen hier in Deutschland verbessern, damit die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, auch bleiben. Außerdem gibt es viele Migrantinnen und Migranten in unserem Land, deren Pflege- oder Arztausbildung nicht anerkannt wird. Warum heben wir nicht diese Schätze?

Was fordern Sie noch?
Gegenwärtig gelten Patente auf Medikamente und Impfstoffe 20 Jahre lang. Das heißt, dass nur das Pharmaunternehmen, das ein Arzneimittel entwickelt hat, dieses herstellen und verkaufen darf. Erst danach dürfen andere Unternehmen Nachahmerpräparate auf den Markt bringen. Diese Regelung verhindert, dass im Fall einer Pandemie schnell geholfen werden kann. Daher sagen wir: Arzneimittel müssen ein öffentliches Gut sein – insbesondere in Gesundheitskrisen. Aber auch sonst muss der Zugang zu Arzneimitteln für alle verbessert werden. Denn Gesundheit ist ein Menschenrecht.

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