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Warum Goldener Reis keine Probleme löst

Goldener Reis wird oft als Lösung für den globalen Vitamin-A-Mangel präsentiert, da er mit Hilfe von gentechnischer Verfahren mit Vorstufen von Vitamin A angereichert wurde. Prof. Dr. Krawinkel, ehemaliger Professor für Ernährung des Menschen, erklärt, warum sich komplexe Probleme nicht durch eindimensionale technologische Ansätze lösen lassen.

 

Maike Backhausen, Praktikantin bei Brot für die Welt

Von Gastbeiträge Politik am
Reis in den Händen

Reis in den Händen

Herr Prof. Dr. Krawinkel, welche gesundheitlichen Folgen hat ein Vitamin-A-Mangel?

Ein Vitamin-A-Mangel kann je nach Schweregrad verschiedene Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Besonders bekannt und gravierend sind die Folgen für das Auge: Eine Störung der Netzhaut kann zu Dunkeladaptionsstörung, Nachtblindheit und sogar Erblindung führen. Darüber hinaus hat Vitamin A eine wichtige Funktion für das Immunsystem. Ein Mangel kann die Immunabwehr durch gestörte Lymphozyten und beeinträchtigte Schleimhautintegrität schwächen. 

Wie ist der globale Vitamin-A-Mangel aktuell?

Die Datenlage zum Vitamin-A-Mangel ist derzeit uneinheitlich und variiert stark in ihrer Aussagekraft. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass in vielen Ländern die Erhebungen zu Retinol-Plasma-Spiegeln auf Studien basieren, die teilweise über 30 Jahre alt sind. Nur wenige Länder verfügen über aktuelle Datensätze. Eine mögliche Alternative zur Bestimmung von Retinol-Plasma-Spiegeln wäre es, das Retinol-Bindungsprotein zu messen. Diese Methode ist einfacher und liefert aussagekräftigere Ergebnisse, hat sich jedoch bislang nicht flächendeckend durchgesetzt.

Laut einer aktuellen systematischen Überprüfung und Modellanalyse, die 2023 im Journal of Global Health veröffentlicht wurde, leiden weltweit etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre an Vitamin-A-Mangel. Die Daten zeigen deutliche regionale Unterschiede: In Afrika sind 24,5 Prozent der Bevölkerung betroffen, in der östlichen Mittelmeerregion 17,4 Prozent. In Südostasien beträgt der Anteil der Betroffenen 13,1 Prozent. Bei diesen Daten wird jedoch nicht nach Schweregrad des Mangels differenziert. Länder wie Afghanistan und Madagaskar sind zum Beispiel von schwerem Mangel betroffen. Moderater Mangel zeigt sich in Teilen Afrikas, Indiens und Bangladeschs, während milder Mangel in großen Teilen Südamerikas, Zentralamerikas und Zentralasiens (einschließlich Russland und China) vorkommt. Allerdings liegen dem teils sehr alte Daten zugrunde, was die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. Seit der Erhebung der in der Studie angeführten Daten wurden bereits zahlreiche Interventionsmaßnahmen umgesetzt. Dazu gehören beispielsweise Programme zur routinemäßigen Vitamin-A-Supplementierung bei Säuglingen sowie die Fortifizierung, also die Anreicherung, von Lebensmitteln.

Welche Gründe gibt es für Vitamin-A-Mangel und wie kann er bekämpft werden?

In der Regel ist ein allgemeiner Nahrungsmangel die Ursache, insbesondere in Situationen akuter Ernährungsunsicherheit oder bei humanitären Versorgungsengpässen. Dadurch entsteht eine Unterversorgung verschiedener essenzieller Nährstoffe - also nicht allein ein Vitamin-A-Mangel. Es greift zu kurz, wenn man sich alleine auf die isolierte Bekämpfung des Vitamin-A-Mangels fokussiert. Ein zentraler Ansatz, um Vitamin-A-Mangel zu bekämpfen, sollte sein, die Ernährungssituation generell zu verbessern. Insgesamt hängt die Strategie gegen einen Vitamin-A-Mangel, beziehungsweise gegen eine allgemeine Unterversorgung, von den lokal verfügbaren Möglichkeiten ab.

Eine ausreichende Vitamin-A-Versorgung über die Ernährung sollte im Kindesalter nach dem Stillen neben pflanzlichen Lebensmitteln auch durch den Verzehr von tierischen Lebensmitteln sichergestellt werden. Denn diese sind die einzige direkte Quelle von Vitamin A. Pflanzliche Lebensmittel enthalten nur Vorstufen von Vitamin A (Provitamin A), welche im Körper zunächst in Vitamin A umgewandelt werden müssen. Um den Vitamin-A-Bedarf durch pflanzliches Provitamin A zu decken, sind drei Faktoren entscheidend: Erstens die Menge der enthaltenen Carotinoide, zweitens die Umwandlungsfähigkeit dieser Carotinoide, die je nach Art variiert, und drittens die gleichzeitigen Fettaufnahme. Da Vitamin A ein fettlösliches Vitamin ist, ist Fett unerlässlich, damit der Körper es absorbieren kann.

In akuten Notsituationen, sowie bei institutioneller Ernährung kann es sinnvoll sein, Lebensmitteln mit Vitamin A anzureichern. Dabei sind Öle sinnvoll, da sie gleichzeitig für eine gute Aufnahme sorgen.

Wieso eignet Goldener Reis sich nicht als Teil einer Gesamtstrategie?

Wie bereits oben beschrieben, ist Goldener Reis als isolierte Lösung für ein weitreichendes Problem der Ernährungssituation anzusehen, erfasst jedoch nicht den gesamten Umfang der Problematik. Eine weitere zentrale Kritik betrifft die hohen Kosten für die Entwicklung des Produkts, die in anderen Projekten hätten sinnvoller eingesetzt werden können. Darüber hinaus ist die Menge des im Reis enthaltenen Reiskeimöls nicht ausreichend, um das Provitamin A effektiv aufnehmen zu können. Somit kann der Goldene Reis bei isoliertem Verzehr, also ohne die zeitgleiche Aufnahme von zusätzlichen Fetten, die Vitamin-A-Versorgung nicht verbessern.

Die ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Goldenen Reises müssen sorgfältig berücksichtigt werden, insbesondere in Bezug auf die Anpassung der Sorten an lokale Bedingungen. Hierbei muss sowohl das Klima und die Bodeneigenschaften als auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen vor Ort berücksichtigt werden. Wie kann sichergestellt werden, dass das Risiko geringer oder ausbleibender Erträge nicht bei den Kleinbauern abgeladen wird? Wenn all diese Aspekte nicht berücksichtigt werden, dann ist es ein Produkt mehr, das von Amerika, Europa oder Australien in die Welt gesetzt wird und die Probleme der Menschen nicht wirklich löst.

Wie bewerten Sie gentechnisch veränderte Pflanzen allgemein für unsere Gesundheit?

Die gesundheitliche Bewertung gentechnisch veränderter Pflanzen ist derzeit schwierig, da es nur wenige unabhängige Studien gibt. Die starke Lobby der Befürworter von Gentechnik in Industrie und Agrarwissenschaft erschwert es, neutrale Forschung zu betreiben. Bislang gibt es keine gesicherten Beweise darüber, ob gentechnisch veränderte Pflanzen langfristig gesundheitlich unbedenklich sind oder nicht. Insgesamt sollten bei der Anwendung solcher Verfahren jedoch die Kosten und Nutzen sorgfältig abgewogen werden. Denn mögliche Nebeneffekte sind oft schwer zuzuordnen, was die gesundheitliche Bewertung zusätzlich erschwert. 

 

Prof. i. R. Dr. Michael Krawinkel war neben vielen weiteren Tätigkeiten bis 2016 Professor für Ernährung des Menschen mit Schwerpunkt Ernährung in Entwicklungsländern im Institut für Ernährungswissenschaft und Mitglied im Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen

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