Blog

Atlas der Zivilgesellschaft 2025

Der Atlas der Zivilgesellschaft dokumentiert zum achten Mal die schwierigen Bedingungen, in denen unabhängige zivilgesellschaftliche Akteure weltweit arbeiten. Das Schwerpunktthema „Angriffe auf den Rechtsstaat“ zeigt, wie Regierungen den Rechtsstaat manipulieren und aushöhlen, um Grundlagen für die Repression kritischer Stimmen zu schaffen. Ein Blick nach El Salvador verdeutlicht die Probleme.

Von Christine Meissler am
Weltkarte, Atlas der Zivilgesellschaft 2025

Weltkarte des Atlas der Zivilgesellschaft 2025

Am 18. Mai wurde die prominente Anwältin Ruth López in El Salvador von der Polizei verhaftet. Ruth hat über Jahre hinweg Korruption und Menschenrechtsverletzungen in El Salvador dokumentiert, veröffentlicht und angeprangert. In den vergangenen Wochen hatte sie sich als Anwältin für Venezolaner*innen eingesetzt, die aus den USA abgeschoben und in El Salvador inhaftiert werden. Ihre Arbeit wird international geschätzt. Die BBC nahm Ruth 2024 in ihrer Liste der 100 einflussreichsten Frauen der Welt auf. Der Juristin und Leiterin der Antikorruptions- und Justizeinheit der angesehenen Menschenrechtsorganisation Cristosal – einer Partnerorganisation von Brot für die Welt – wird vorgeworfen, bei einer vorherigen Tätigkeit Gelder veruntreut zu haben.

Ruth ist der prominenteste Fall, aber nicht der einzige. Es sollen in den vergangenen drei Wochen mindestens 15 Personen – darunter Unternehmer*innen, Gemeindeführer*innen und Aktivist*innen – aus politischen Gründen im Land festgenommen worden sein.

Neues Agenten-Gesetz in El Salvador

Nur zwei Tage nach Ruths Verhaftung, am 20. Mai, hat das Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, das Organisationen, Personen und sogar diplomatische Vertretungen mit Auslandsfinanzierung unter staatliche Kontrolle stellt – auf Vorschlag des Präsidenten Nayib Bukele, ohne inhaltliche Debatte und innerhalb weniger Stunden. Seit der Parlaments-Wahl Anfang 2024 gibt es nur noch drei Oppositionsabgeordnete. NGOs, Medien und kirchliche Organisationen, die finanzielle Förderung aus dem Ausland erhalten, müssen sich künftig registrieren und eine Steuer von 30 Prozent auf alle finanziellen Zuwendungen, Sacheinfuhren oder materielle Güter aus dem Ausland bezahlen. Diese Steuer soll direkt von den Banken eingezogen werden. Besonders problematisch sind auch die vagen Formulierungen, die es der Regierung praktisch willkürlich erlauben werden, zu entscheiden, welche Organisationen ihre Arbeit fortsetzen können. So verbietet das Gesetz Organisationen, „sich an Aktivitäten zu politischen oder anderen Zwecken zu beteiligen (…), die die nationale Sicherheit oder die soziale und politische Stabilität des Landes gefährden oder bedrohen“. Das Gesetz sei notwendig, um „ausländische Einmischung“ zu verhindern und die „Souveränität des Landes“ zu schützen, erklärte der Vorsitzende des Parlaments, Ernesto Castro.

Illegitime NGO-Gesetze, die die Vereinigungsfreiheit verletzen und die Arbeit von unabhängigen Organisationen, die auf Förderung aus dem Ausland angewiesen sind, unmöglich machen sowie politisch motivierte Festnahmen und die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger*innen – wie in einem Brennglas zeigt die momentane Lage in El Salvador wichtige Elemente des aktuellen Atlas-Schwerpunkts „Angriffe auf den Rechtsstaat“. Um die Zivilgesellschaft einzuschränken und mundtot zu machen, werden neue unrechtmäßige Gesetze erlassen, bestehende Gesetze instrumentalisiert und Menschenrechtsverteidiger*innen mit fingierten Klagen strafrechtlich verfolgt. Vor allem wenn gesetzliche Maßnahmen einhergehen mit Drohungen und Kriminalisierung, schafft dies ein Klima der Einschüchterung und Abschreckung im ganzen Land.

Welle problematischer NGO-Gesetze

El Salvador ist leider kein Einzelfall. Im Moment zieht eine regelrechte Welle von problematischen NGO-Gesetzen über Lateinamerika. Im Herbst letzten Jahres wurde ein neues Gesetz in Paraguay verabschiedet, das die legitime Arbeit von NGOs durch unverhältnismäßige Kontrollen, Berichtspflichten und Registrierung erschweren und durch vage Definitionen willkürliche Bestrafung möglich machen würde. In Peru wurde im Frühjahr per Gesetz entschieden, dass die Regierung alle Projekte, die ausländische Gelder verwenden, beanstanden oder verhindern kann. Sie wird ermächtigt, die „korrekte Verwendung“ ausländischer Gelder sicherzustellen und die Registrierung von Gruppen, die „finanzielle Mittel missbrauchen“, auszusetzen und zu beenden. Auch hier ist die ungenaue Sprache problematisch und öffnet Willkür Tür und Tor. Als „Missbrauch“ werden jegliche administrative, gerichtliche oder sonstige Maßnahmen gegen den peruanischen Staat definiert. Diese Liste aus Lateinamerika lässt sich mit Beispielen aus anderen Weltregionen fortsetzen: Auch in Simbabwe, Ruanda und Georgien wurden in den letzten zwölf Monaten problematische Gesetze gegen die Zivilgesellschaft beschlossen, die unsere Partnerorganisationen unmittelbar betreffen.

Diese Beobachtungen in unserem Partnerfeld bestätigen die Daten des Civicus Monitors, die wir dieses Jahr zum achten Mal im Atlas der Zivilgesellschaft veröffentlichen: Mehr als 85 Prozent der Weltbevölkerung – etwa sieben Milliarden Menschen – leben aktuell in Ländern, in denen Machthabende die Zivilgesellschaft beschränken, unterdrücken oder komplett geschlossen haben.

Freiheitsrechte und Zivilgesellschaft stärken

Der Atlas macht aber auch Mut, indem er zeigt, wie zivilgesellschaftliche Organisationen bestehendes Recht nutzen, um etwa im Rahmen von strategischen Klagen und Prozessen soziale und ökologische Entwicklung voranzutreiben. Was ebenfalls Mut macht, sind die neun Länder, die in diesem Jahr um eine Kategorie aufgestiegen sind, weil sich dort die Handlungsmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft verbessert haben: Bangladesch, Botswana, Fidschi, Japan, Jamaika, Liberia, Polen, Trinidad und Tobago sowie Slowenien.

Dass dies in Zeiten von wachsendem Autoritarismus sowie vermehrten Angriffen auf die Menschenrechte und Zivilgesellschaft kein Grund zum Zurücklehnen ist, wissen wir alle. Wohl aber ein Grund, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern weiter für Freiheitsrechte und die Handlungsräume der Zivilgesellschaft einzustehen. Das erwarten wir auch von der neuen Bundesregierung. Sie muss in diesen schwierigen Zeiten zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland schützen und fördern. Auch um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, muss sie sich weltweit für eine handlungsfähige Zivilgesellschaft, unabhängige Gerichte und freie Medien einsetzen.

Jetzt spenden Unterstützen Sie uns

Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Bitte eine gültige Eingabe machen

Als Fördermitglied spenden Sie regelmäßig (z. B. monatlich)