Interview

Verbot unfairer Handelspraktiken - eine Chance

Aktuell wird ein Gesetz zum Verbot unfairer Handelspraktiken in Lebensmittellieferketten im Bundestag diskutiert. Die Umsetzung der EU-Richtlinie ist eine Chance, bessere Löhne und Einkommen für Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen zu erzielen – wenn sie ambitioniert umgesetzt wird. Interview mit Teresa Hoffmann, Referentin Fairer Handel und nachhaltiges Wirtschaften bei Brot für die Welt.

Von Online-Redaktion am
Teresa Hoffmann ist Referentin für fairen Handel und nachhaltiges Wirtschaften bei Brot für die Welt.

Teresa Hoffmann ist Referentin für fairen Handel und nachhaltiges Wirtschaften bei Brot für die Welt.

Frau Hoffmann, was versteht man unter der UTP-Richtlinie?

Teresa Hoffmann: Mit UTP-Richtlinie (von eng. Unfair Trading Practices) ist die EU-Richtlinie (2019/633) gegen unfaire Praktiken des Lebensmitteleinzelhandels gemeint. Sie hat zum Ziel Mindestschutzstandards in der Agrar- und Lebensmittellieferkette festzulegen. Damit sollen unfaire Handelspraktiken vermieden werden, die negative Auswirkungen auf den Lebensstandard der landwirtschaftlichen Bevölkerung haben. Aus unserer Sicht als Entwicklungsorganisation ist das Positive an der Richtlinie, dass das Verbot unfairer Handelspraktiken, sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU gilt. Somit sollen die Lieferbeziehungen im Lebensmittelhandel auch bei dem Bezug von Waren, die außerhalb der EU produziert werden, fairer gestaltet werden.

Wieso ist so ein Gesetz aus Ihrer Sicht notwendig?

Zwischen den Akteur:innen in globalen Lieferketten besteht ein großes Macht- und Verhandlungsungleichgewicht. Bäuerliche Produzent:innen, Arbeiter:innen und Lieferant:innen im globalen Süden beispielsweise sind der Marktmacht der wenigen großen Supermarktketten weitestgehend schutzlos ausgeliefert. Die Verhandlungsmacht der Einzelhandelsunternehmen führt dazu, dass sich Zulieferer den Vertragsbedingungen ihrer Abnehmer weitestgehend beugen müssen. Sie müssen beispielsweise mit kurzfristigen Stornierungen oder absurden Forderungen wie der Zahlung von Kosten, die bei Kundenbeschwerden anfallen, rechnen. Die wirtschaftlichen Risiken werden so an die Zulieferer abgegeben, die diese dann häufig weiterreichen, bis ganz an den Anfang der Lieferkette, also zum Beispiel bis zu den Bananenproduzent:innen in Peru. Das hat dramatische Folgen für die Menschen am Anfang der Lieferkette, die ohnehin nur einen geringen Anteil der Wertschöpfung ihrer Produkte erhalten.

Von welchen Folgen sprechen Sie?

Beispielsweise bekommen zahlreiche Arbeiter:innen auf Bananenplantagen aufgrund des enormen Preisdrucks Hungerlöhne. Wochenarbeitsstunden von über 54 Stunden sind an der Tagesordnung - bei nicht gewerkschaftlich organisierten Plantagenarbeiter:innen sogar bis zu 68 Stunden. Das ist Ausbeutung in Reinkultur, weil alle anderen in der Lieferkette ihren Profit auf Kosten der Schwächsten maximieren. Die UTP-Richtlinie, aber auch das geplante Lieferkettengesetz, sind wichtige Bausteine um den ungleichen Bedingungen in globalen Lieferketten entgegenzuwirken.

Können Sie die aktuelle Situation von Bananenproduzent:innen und den Zusammenhang mit unfairen Handelspraktiken an einem Beispiel konkretisieren?

Extrem niedrige Preise und unlautere Handelspraktiken sind häufig eine der Kernursachen von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Während der Corona-Pandemie sind in vielen Ländern im globalen Süden die Produktions-, Lebenshaltungs- und Transportkosten deutlich angestiegen- bei der Biobananenproduktion in Peru sogar um 15 Prozent! Gleichzeitig hat Aldi im November 2020 angekündigt den Einkaufspreis für eine Kiste Bananen um ganze neun Prozent auf 11,33 EUR pro Kiste zu senken. Dabei ist der Bananenpreis bereits seit Jahren extrem niedrig ist. Das passiert zur selben Zeit, zu der deutsche Einzelhandelsunternehmen als Gewinner aus der Corona-Krise hervorgehen. Das Beispiel ist leider nur eines von vielen und zeigt die strukturelle Ungleichheit in globalen Lieferketten. Produzent:innen werden mit höheren Produktionskosten, zum Beispiel Ausgaben für Desinfektionsmittel und Masken, allein gelassen, müssen aber gleichzeitig extrem hohe Standards für den europäischen Markt erfüllen und das bei sinkenden Preisen. Diese Rechnung geht nicht auf und geht aktuell auf die Kosten von Menschenrechten und der Umwelt in den produzierenden Ländern.

Welche Aspekte müssten auf jeden Fall bei der Umsetzung der UTP-Richtlinie in Deutschland mitaufgenommen werden, damit das Gesetz den Menschen am Anfang globaler Lieferketten, wie zum Beispiel den erwähnten Bananenproduzent:innen, zu Gute kommt?

Um eine fairere Verteilung der Gewinne und der Risiken bei der Lebensmittelproduktion zu ermöglichen, sollten sich die Bundestagsabgeordneten im aktuellen parlamentarischen Prozess für ein Verbot des Einkaufs von Produkten unterhalb ihrer Produktionskosten einsetzen, um dem Preisdumping von Aldi & Co. entgegenzuwirken. Denn ohne kostendeckende Preise, die existenzsichernde Einkommen und Löhne mit einbeziehen, ist die Einhaltung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten sowie eine nachhaltige Produktionsweise nicht möglich. Denn irgendjemand bezahlt immer einen hohen Preis für ein billiges Produkt. Arbeiter:innen zahlen mit ihrer Gesundheit, mit ihrer Würde, ihrer sozialen Sicherheit. Außerdem sollte eine so genannte Generalklausel eingeführt werden, die grundsätzlich alle unlauteren Handelspraktiken wie z. B. die Bezahlung von Werbung der zu verkaufenden Produkte durch den Lieferanten, verbietet. Denn die Einzelhandelsunternehmen sind erfinderisch und finden immer wieder Schlupflöcher in bestehenden Regulierungen. Es sollte zudem die Möglichkeit bestehen die Verbotsliste regelmäßig nachzubessern und zu erweitern um Umgehungsmöglichkeiten zu vermeiden.

Außerdem ist eine unabhängige Ombudsstelle, also eine Beschwerdestelle, notwendig, die anonyme Beschwerden auch für Lieferanten aus nicht EU-Ländern und für Organisationen mit berechtigtem Interesse ermöglicht, um die betroffenen Zulieferer zu schützen. Die UTP-Richtlinie hat gerade die Stärke, dass sie auch auf EU-Zulieferer, wie zum Beispiel Bananenexporteure aus Lateinamerika, anwendbar ist. Die Umsetzung in Deutschland darf diesem Grundsatz auf keinen Fall nachstehen. Das wäre ein verheerendes Signal an die Menschen am Anfang globaler Lieferketten, die unsere Bananen und Kaffee anbauen und gerade während der Pandemie mit höheren Produktionskosten und massiven Einschränkungen von Gewerkschaftsrechten und Kollektivverhandlungen für bessere Löhne konfrontiert sind.

Wie geht der politische Prozess in Deutschland weiter?

Der aktuelle Gesetzentwurf, die Überarbeitung des so genannten Agrarmarktstrukturgesetzes, wird aktuell im Bundestag beraten. In den nächsten Wochen ist mit einer Verabschiedung zu rechnen. Es ist wirklich zentral, dass die Bundestagsabgeordneten sich für eine Verbesserung des aktuellen Entwurfs einsetzen und die aktuelle Chance für fairere Handelsbeziehungen und existenzsichernde Einkommen und Löhne am Anfang globaler Lieferketten nutzen. Die Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, dass in Krisen die Schwächsten zuerst um ihre Existenz bangen müssen und dass wir in einer global vernetzten Welt darauf angewiesen sind, dass nicht andere den Preis für unseren Konsum und unseren Wohlstand bezahlen.

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