Sep 28, 2022, Tehran, Iran: Iranian women are on the front line of the protests and are fighting against the agents of repression. Mahsa Amini, a 22-year-old Iranian woman, was arrested in Tehran on 13 September by the morality police, a unit responsible for enforcing Iran's strict dress code for women. She fell into a coma while in police custody and was declared dead on 16 September, with the authorities saying she died of heart failure while her family advised that she had no prior health conditions. Her death has triggered protests in various areas in Iran and around the world. (Credit Image: © Social Media/ZUMA Press
Atlas der Zivilgesellschaft 2023

Zunehmender Druck auf die Zivilgesellschaft

Sich gegen soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung oder Umweltzerstörung zu engagieren, wird in vielen Weltregionen zunehmend schwieriger. Zwar hat sich die Lage der Zivilgesellschaft 2023 im Vergleich zum Vorjahr in zehn Ländern verbessert ‒ zugleich aber in 15 Staaten noch verschlechtert.

Handlungsspielraum schrumpft

2022 begehrten Bürger:innen in 133 Ländern gegen Politik und Handlungen von Regierenden auf ‒ das sind zwei von drei Ländern weltweit. In mindestens 90 Ländern wurden friedlich Demonstrierende verhaftet, in 57 Ländern verletzt und in mindestens 24 Ländern auch getötet.

Wie schwierig die Lage der Zivilgesellschaft ist, wie ihr Handlungsraum ‒ Stichwort Shrinking Space ‒ vielerorts immer enger wird, das zeigt der Atlas der Zivilgesellschaft 2023. Brot für die Welt hat ihn auf der Grundlage eigener Expertise, der Einschätzungen von Partnerorganisationen sowie mit Daten von CIVICUS für das Jahr 2022 erstellt. Jährlich veröffentlicht CIVICUS einen Bericht, in den neben eigenen Analysen die Recherchen und Erfahrungen lokaler, nationaler und regionaler Nichtregierungsorganisationen sowie öffentlich zugängliche Berichte von mehr als 20 Partnerorganisationen einfließen.

Video: Was ist Zivilgesellschaft?

Nur 14 Prozent sind frei

Nur etwa 14 Prozent aller Menschen auf der Welt haben die Möglichkeit, weitgehend ungehindert ihre Meinung zu sagen, sich zu versammeln und gegen Missstände anzukämpfen. Sie leben in offenen Gesellschaften (drei Prozent) oder in Gesellschaften mit Beeinträchtigung (elf Prozent). Demgegenüber leben mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung in unterdrückten (42 Prozent) und geschlossenen Gesellschaften (28 Prozent). In diesen Gesellschaften herrscht eine Atmosphäre der Angst. Staatliche und mächtige nicht-staatliche Akteur:innen lassen hier inhaftieren, misshandeln oder töten ungestraft Menschen, die ihre Rechte auf Vereinigungs-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahrnehmen.

Grafik steht unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)“

Globale Lage

Selten waren Proteste der Zivilgesellschaft medial so präsent wie im vergangenen Jahr: Frauen gingen im Iran ohne Kopfbedeckung auf die Straße, nicht länger bereit, sich von dem religiös-fundamentalistischen und autoritären Regime unterjochen zu lassen. Indigene protestierten in Brasilien gegen die Abholzung ihrer Wälder, Klimaschützer:innen in Deutschland gegen den Abbau der Braunkohle, Aktivist:innen in Australien für Klimagerechtigkeit. In Spanien, Peru, Sri Lanka, Kasachstan oder Haiti demonstrierten Menschen gegen Misswirtschaft und steigende Preise, in Tunesien gegen ein von der Regierung geplantes Verfassungsreferendum. Und in China forderten Tausende ein Ende der drakonischen Corona-Lockdowns sowie ein Ende der Zensur.

In vielen Fällen ‒ die oben genannten sind nur einige Beispiele ‒ reagierten die Machthabenden gleich: Sie ließen Polizei und Militär einschlagen auf Demonstrierende und all jene, die über die Proteste berichteten. Sie veranlassten, Menschen in Haft zu nehmen, auch zu töten. Und sie versuchten, weitere Proteste zu verhindern, auch dies oft mit Gewalt, per Dekret ‒ oder indem sie diese einfach nicht genehmigten.

Die häufigsten Repressionen

Viele Staaten kopieren auch andere Mechanismen der Repression. Am häufigsten werden zivilgesellschaftliche Akteure schikaniert und eingeschüchtert. Dem folgen Festnahmen von Journalist:innen, Menschenrechtsverteidiger:innen und Demonstant:innen, Angriffe auf diese Gruppen, restriktive Gesetze, Störungen von Protestaktionen, Zensur und die ‒ oft undurchsichtige ‒ strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverteidiger:innen. All das ist gängige Praxis, um das Eintreten für Freiheitsrechte zu unterbinden.

Dafür ist Russland ein aussagekräftiges Beispiel. Bereits Ende 2021 war die Menschenrechtsorganisation Memorial per Gerichtsbeschluss aufgelöst worden, im Herbst 2022 wurden ihre verbliebenen Büros geschlossen. Zynischerweise geschah das genau an jenem 7. Oktober, als der Organisation der Friedensnobelpreis zuerkannt worden war. Russland verhindert bis heute durch Desinformationskampagnen auch gezielt, dass sich seine Bürger:innen über den Krieg gegen die Ukraine informieren können. Wer das Geschehen als „Krieg“ bezeichnet und nicht den verharmlosenden Begriff „Militärische Spezialoperation“ benutzt, kann verhaftet werden. Die Macht steuert die Sprache und will so das Denken der Menschen formen.

Grafik steht unter der Creative Commons-Lizenz „Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International (CC BY-SA 4.0)“

Schwerpunkt migrant defenders

Weltweit sind fast 103 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg und Klimakrise, weitere 281 Millionen Menschen leben als Migrant:innen außerhalb ihrer Heimatländer. Viele Staaten und Regierungen versuchen, sie ihrer Rechte zu berauben oder fernzuhalten. Doch auch die Zivilgesellschaft gerät wegen ihres Engagements für Geflüchtete und Migrant:innen zunehmend in Gefahr. Migrant defenders, die die Verletzung von Menschenrechten dokumentieren und Notleidende unterstützen, geraten vielerorts ins Visier eines globalen Systems, das darauf abzielt, Mobilität von Menschen mit Gewalt zu  kontrollieren.

Vom Shrinking Space der Zivilgesellschaft sind deshalb jene immer öfter betroffen, die die Entrechtung der Migrierenden anklagen, die das Vakuum füllen, das Staaten bei ihrer Versorgung lassen ‒ und die vor allem auch praktische Solidarität üben. Von rechtlichen oder räumlichen Beschränkungen ihres Handelns über Diffamierungskampagnen bis hin zu Gefängnisstrafen und angedrohter Gewalt werden heute alle Facetten politischer Repression gegen jene angewendet, die sich an die Seite von Geflüchteten und Migrant:innen stellen. Sogar Selbstverständlichkeiten wie das Verteilen von Wasser oder Essen, Rechtsberatung oder die Rettung aus Seenot werden heute teils strafrechtlich verfolgt. Die Kriminalisierung der migrant defenders ist heute zu einem zentralen Baustein in einer auf Abwehr ausgerichteten Migrationspolitik geworden. Sogar in Deutschland haben Helfer Schwierigkeiten, etwa wenn sie Kirchenasyl gewähren.

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Streitgespräch zu Kirchenasyl in Deutschland

Interview mit der Pfarrerin Stephanie Höhner und dem ehemaligen Innenminister Thomas de Maizière.

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