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Antrittsrede für den Migrationsbeauftragten

Im Februar tritt Joachim Stamp (FDP) das neu geschaffene Amt des „Sonderbeauftragten für Migration“ im Innenministerium an. Kernaufgabe soll der Abschluss von Migrationsabkommen mit Drittländern sein. Wir haben für Herrn Stamp eine Antrittsrede formuliert. Sie beschreibt, wie das Amt entwicklungspolitisch und menschenrechtlich sinnvoll ausgestaltet werden kann.

Von Dr. Andreas Grünewald am
Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Bundesregierung

Joachim Stamp, Migrationsbeauftragter der Bundesregierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Dazu bekennt sich die neue Bundesregierung. Und das ist gut so. Wir können und wollen Migration nicht verhindern, sondern so gestalten, dass sie zum bestmöglichen Vorteil für alle Beteiligten ist: die Migrierenden, die Herkunftsländer und uns als aufnehmende Gesellschaft. Dieser Anspruch wird meine Arbeit und meine Gespräche mit Partnerregierungen in Afrika, Asien und Lateinamerika leiten. Mein Ziel ist es, Migrationsabkommen mit einigen von ihnen zu schließen, die die Bezeichnung „partnerschaftlich“ wirklich verdienen. Was ich darunter verstehe, möchte ich in fünf Leitsätzen skizzieren.

1. Machen wir Partnerländern Angebote, anstatt sie zu erpressen

In der Vergangenheit haben wir möglichst viel Druck auf Herkunftsländer ausgeübt, damit sie bei der Rückübernahme eigener Staatsbürgen kooperieren. Dieser Ansatz war wenig erfolgreich. Trotzdem instrumentalisieren wir nach wie vor andere Politikfelder wie die Entwicklungs- oder Handelspolitik, um Zugeständnisse beim Thema Rückführung und Migrationsabwehr zu erreichen. Erst kurz vor Weihnachten hat die Bundesregierung im EU-Rat zugestimmt, Entwicklungsländern Handelspräferenzen zu streichen, falls Rückübernahmen ausbleiben.

Solche Erpressungsversuche lehne ich ab. Sie widersprechen den Ausführungen des Koalitionsvertrags. Nehmen wir dessen Auftrag ernst, partnerschaftliche Vereinbarungen mit Herkunfts- und Transitländern zu treffen. Diese dürfen Migration nicht auf Rückführung und Abwehr reduzieren. Vielmehr müssen sie ernsthafte Angebote zu legalen Migrationswegen umfassen, Antworten auf die Herausforderungen der klimainduzierten Migration geben und die Unterstützung für die Versorgung von Schutzsuchenden oder möglichen Binnenvertriebenen in den Partnerländern ausbauen.

2. Ich bin kein Rückführungsbeauftragter

Die von gewissen Kreisen gehegte Hoffnung, dass der Sonderbeauftragte für Migration vor allem die Abschiebe- und Rückkehrzahlen erhöhen soll, werde ich nicht erfüllen. Die Debatte zum Thema ist künstlich aufgeblasen. Ende 2021 betrug die Zahl der ausreisepflichtiger Personen mit abgelehntem Asylantrag ohne Duldung gerade einmal 18.000 Menschen. Dem stehen Berechnungen gegenüber, dass wir bis zu 400.000 Menschen jährlich nach Deutschland bringen müssen, um unser Sozialsystem und Wirtschaftsmodell aufrechtzuerhalten. Auch wenn ich die Zahl für etwas überzogen halte - dürfte klar sein, welches der beiden Anliegen die größere Dringlichkeit besitzt.

Viele Menschen in unseren Partnerländern sind von Rücküberweisungen ihrer Verwandten in Europa abhängig. Sie machen oft einen wichtigen Anteil an der Wirtschaftsleistung der jeweiligen Länder aus. Rückführung ist daher ein politisch sensibles Thema. Dieses sollte in politischen Gesprächen mit den betreffenden Staaten nicht ausgeklammert werden, Zwangsmaßnahmen sind jedoch fehl am Platz.

3. Lassen Sie uns Migration entwicklungsfördernd und menschenwürdig gestalten

Halb Afrika sitze auf gepackten Koffern und wolle nach Europa – diese Meinung ist weit verbreitet, aber falsch. Rund 85 Prozent des Migrationsgeschehens in Westafrika findet innerhalb der Region statt – nur ein sehr kleiner Teil ist nach Europa gerichtet. Die regionale Migration ist entscheidend für wirtschaftliche Integration und Aufschwung. Beides torpedieren wir. Während wir innerhalb der EU die Freizügigkeit als Grundpfeiler unserer Wirtschaftsgemeinschaft hochhalten, rüsten wir mit Entwicklungsgeldern innerafrikanische Grenzen auf. Wir finanzieren Grenzposten, Fahrzeuge und Ausrüstung für Grenzbeamte, ja schicken sogar eigenes Personal zur Grenzsicherung. Damit verhindern wir, dass Migration entwicklungsfördernd wirkt – und schaffen perspektivisch dem fehlenden wirtschaftlichen Aufschwung geschuldete, neue Fluchtursachen.

Zugleich vergrößern wir das Leid derer, die aufgrund von Krieg, Verfolgung oder Not auf der Flucht sind. Ihre Wege werden immer gefährlicher, die Wahrscheinlichkeit in kriminelle Schleppernetzwerke zu gelangen wird immer größer. Viele Menschen stranden in bitterarmen Ländern wie Niger, die nicht einmal die Versorgung der eigenen Bevölkerung garantieren können. Das muss sich ändern. Der Schutz von Notbedürftigen, nicht deren Abwehr muss im Zentrum unserer Politik stehen. Deswegen müssen wir die Unterstützung für Flüchtende und Binnenvertriebene in Drittstaaten weiter ausbauen, und durch ehrgeizigere Resettlementprogramme ärmere Zielländer entlasten.

4. Legale Migrationswege ja, Brain Drain nein

Deutschland braucht Zuwanderung. Dies hat die neue Bundesregierung verstanden. Nach wie vor stehen wir allerdings vor der Herausforderung, legale Migrationswege nach Deutschland deutlich auszubauen. Dies scheitert bisher schon an so banalen Dingen wie fehlendem Botschaftspersonal für Visavergaben. Hier werde ich anpacken, um dem Versprechen, welches Deutschland den Partnerländern im Globalen Süden seit Jahren macht, endlich Taten folgen zu lassen. Ermöglichen wir legale, unkomplizierte Einreise für Arbeitsmigrant*innen, auch jenseits einer eng gefassten Gruppe von Fachkräften.

Doch Achtung! Nicht jede Abwanderung ist gut für das Herkunftsland. Hüten wir uns davor, in Partnerländern ohnehin schon knappes Personal, beispielsweise im Gesundheitsbereich, aktiv abzuwerben. Es gilt, Arbeitsmigration entwicklungssensibel zu gestalten nach dem Motto: legale Arbeitsmigration ja, Brain Drain nein.

5. Geben wir auch denen eine Chance, die schon zugewandert sind

Um den Arbeitskräftebedarf Deutschlands zu decken, müssen wir nicht nur ins Ausland schauen. In Deutschland gibt es viele ausländische Mitmenschen, die hier gerne arbeiten würden, denen es aber an einer Arbeitserlaubnis fehlt – sei es, weil sie im Asylverfahren festhängen oder nur eine Duldung besitzen. Erste Schritte, um diesen Missstand zu beheben, hat die Bundesregierung gesetzt, beispielsweise mit dem Chancenaufenthaltsrecht. Weitere Schritte müssen folgen. Daher werde ich nicht nur in Drittländer reisen, um Deals abzuschließen. Vielmehr werde ich auch innerhalb meines Hauses, in den anderen Ministerien und in den Bundesländern dafür werben, Zugewanderten den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Wer hier lebt, soll hier arbeiten können. Ich freue mich auf diese Aufgabe.

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