Als Vertreterinnen der RWA engagieren Sie sich seit 2019 bei der EU und der AU, wofür setzen Sie sich ein?
Lungisa Huna: Wir arbeiten mit lokalen Frauen aus ländlichen Gebieten zusammen, die sich in der Rural Women's Assembly/RWA zusammengeschlossen haben. Wir wollen, dass ihre Stimmen auf allen Ebenen der politischen Entscheidungsfindung gehört werden. Vor allem, wenn es um Investitionen und Landerwerb geht, stehen Landrechte und Landgerechtigkeit für Frauen auf dem Spiel. Die Vernachlässigung der Rechte von Frauen auf Land und die Gewalt gegen sie sind systemisch und patriarchalisch bedingt. In unserer Realität sind diese Investitionspläne immer noch männlich dominiert, Entscheidungen werden von Männern getroffen, ohne dass die Frauen vor Ort und ihre Anliegen gehört werden. Auch die Verantwortlichen der EU, der AU und der Regierungen müssen diesen Frauen zuhören, vor allem denjenigen, die von dem großen Ansturm auf afrikanisches Land betroffen sind. Ihre Stimmen müssen die politische Agenda prägen - nicht die Interessen der politischen Entscheidungsträger:innen und Investoren!
Mercia Andrews: Die Rechte von Frauen und Mädchen sind für uns nicht verhandelbar. Daran müssen wir alle Entscheidungsträger:innen ständig erinnern. Die RWA ist Mitglied verschiedener zivilgesellschaftlicher Plattformen, die sich bei der AU, der EU und den Regierungen engagieren, um dies immer wieder ins Spiel zu bringen. Dennoch hat sich seit der Kolonialzeit nicht viel an der Entscheidungsfindung über Land geändert. Aber die Landkäufe gehen weiter, afrikanisches Land wird an nationale und internationale Investoren verkauft, ohne die betroffenen Menschen vor Ort zu fragen. Stattdessen werden sie vertrieben, sobald die Entscheidung gefallen ist. Es ist also höchste Zeit, dies zu ändern! Eine feministische Herangehensweise an Landmanagement und Land-Governance ist dringend erforderlich, da Frauen sonst weiter von einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung und dem Wohlstand des gesamten afrikanischen Kontinents getrennt und ausgegrenzt werden.
Was erwarten Sie vor diesem Hintergrund von dem EU-AU-Gipfel?
Andrews: Wir erwarten und erhoffen uns von diesem Gipfel, dass er zum Ausgangspunkt für einen Prozess wird, in dem die Belange der afrikanischen Frauen entscheidend werden. Wir sind zutiefst besorgt über die zunehmende Abhängigkeit der afrikanischen Länder von ausländischen Investitionen aus Europa, China und dem gesamten Globalen Norden mit potentem Privatsektor und Know-how -und mit der Unterstützung durch die Kredite von IWF und Weltbank oder die Mittel der Entwicklungsbanken aus Europa. Die wirtschaftliche Rezession und die hohe Arbeitslosigkeit, wie z.B. in Südafrika, führt dazu, dass afrikanische Staaten bereit sind, ihr Land an Investoren für Bergbau, Landwirtschaft und Infrastruktur zu verkaufen - aber der Nutzen wird nicht mit der lokalen Bevölkerung geteilt, der Gewinn dient den Interessen des globalen Nordens. Dieses Machtungleichgewicht muss angegangen werden. Es werden internationale Leitlinien entwickelt, um die Ungleichheit zu beseitigen, doch diese Leitlinien werden nicht umgesetzt. Wir erwarten von den europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungschefs einen echten Wandel hin zu echter Partizipation und Orientierung auf lokale Lösungen, agrarökologische und kleinbäuerliche Landwirtschaft, Unterstützung für Frauen auf dem Land und die Verwirklichung ihrer Rechte. Und dafür brauchen wir auch die Kirchen und die NGOs im Globalen Norden, die unsere Anliegen unterstützen und sich gemeinsam mit uns für die Belange der Landfrauen einsetzen und die politischen Entscheidungsträger:innen in ihren Heimatländern beeinflussen.
Huna: Die Investitionspolitik folgt immer noch einem überwiegend patriarchalischen kapitalistischen Paradigma, das sich oft mit der Politik der afrikanischen Führer deckt. Die praktizierten groß angelegten Landinvestitionen führen zu verschiedenen Formen von Gewalt gegen Frauen, sowohl struktureller als auch direkter Gewalt in Form von verwehrtem Zugang zu Land, erhöhter Ernährungsunsicherheit, gewaltsamer Landvertreibung und Missachtung des Rechts auf Nahrung. Die Unternehmen, die nach Afrika kommen, verschmutzen weiterhin die Umwelt, zerstören soziale Beziehungen und kümmern sich nicht darum, was danach geschieht. Groß angelegte Landinvestitionen haben bereits in großem Umfang traditionelles und indigenes Wissen und Praktiken zerstört. Dies muss gestoppt werden und darf nicht weiter unter dem Deckmantel nachhaltiger Investitionen und Geschäfte mit Afrika unterstützt werden.
Was sind Ihre Forderungen an die EU und AU, die Mitgliedsstaaten und Entwicklungsbanken?
Huna: Wir haben einen großen Kritikpunkt am EU-AU-Gipfel: Sie haben die Tagesordnung immer wieder geändert und nicht auf die afrikanische Zivilgesellschaft und insbesondere die Anliegen der Landfrauen gehört. Wir haben nun beschlossen, Stellung zu beziehen und zusammen mit der 'Our Land is Our Life'-Plattform den 'Peoples Summit' am 13./14.02. zu organisieren, um für Landrechte für Frauen, Frieden und Gerechtigkeit sowie für Ernährungssouveränität einzutreten. Eine "Peoples Summit"-Erklärung soll verabschiedet und dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, übergeben werden. Er hat seine Teilnahme zugesagt und wird die "People Summit"-Erklärung in die offiziellen Diskussionen beim EU-AU-Gipfel in den folgenden Tagen mitnehmen.
Andrews: Innerhalb unserer Netzwerke haben wir 2021 eine Erklärung und drei Policy Briefs zu großflächigen Landnahmen mit einer Reihe von klaren Empfehlungen und Forderungen veröffentlicht. Daraus möchten wir hier 4 hervorheben und spezifizieren:
1. Wir wollen das Recht haben, "Nein" zu sagen! Das Recht auf Free Prior Informed Consent (FPIC) muss erfüllt werden. Nichts über uns ohne uns! Und wir betonen, dass die UN-Erklärung über die Rechte der Bauern / UNDROP ein zentrales Dokument ist, das mehr Aufmerksamkeit braucht. Das UNDROP sowie die Prinzipien der UN-Voluntary Guidelines on Land Tenure (VGGT) müssen angewandt und befolgt werden und ein Kernelement für eine gute Land-Governance in Afrika sein.
2. Die politischen Entscheidungsträger:innen müssen anerkennen, daß die Frauen auf dem Lande die Erzeugerinnen von Nahrungsmitteln sind und die Familien und Haushalte ernähren, wie es während der COVID-Krise deutlich wurde. Wir können keine nachhaltige Entwicklung erreichen, ohne diese Tatsache zu berücksichtigen.
3. Die aktuellen Überprüfungen der nationalen Landpolitiken in verschiedenen afrikanischen Ländern sollten nicht dem Druck von Wirtschaftsinteressen folgen, Land für weiteren Abbau und Investitionen zur Verfügung zu stellen. Land ist Leben für die lokale Bevölkerung. Landfrauen positionieren sich gegen Landtitel und Privateigentum, da dies dem gemeinschaftlichen und traditionellen Landrechtssystem widerspricht. Diese "Gemeingüter" dürfen nicht auf dem lokalen Markt verkauft werden.
4. Landbasierte Investitionen sollten nicht länger durch die europäischen Regierungen und ihre Entwicklungsbanken unterstützt werden. Stattdessen sollten lokale Lösungen für die wirtschaftliche Entwicklung mit Hilfe von Agrarökologie und kleinbäuerlichen Systemen mit einem Schwerpunkt auf Landfrauen in den Betrieben bevorzugt und gestärkt werden.
Lungisa Huna und Mercia Andrews arbeiten für die Brot für die Welt-Partnerorganisation Trust for Community Outreach and Education/TCOE in Südafrika und sind Vertreterinnen der Rural Women's Assembly/RWA, eines selbstorganisierten Bündnisses von nationalen Landfrauenbewegungen, Foren, Basisorganisationen und Ortsgruppen gemischter Bauern- und Bäuerinnen-Gewerkschaften, Verbände und Bewegungen in zehn Ländern der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC). Die RWA engagiert sich in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Plattformen und Netzwerken wie der Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika/AFSA, der Plattform Our Land is Our Life/OLOL und der Global Convergence on land and water struggles/CGLTN.