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Investoren kommen und gehen – die Schäden bleiben

Ein aktueller Bericht zur Situation in der ehemaligen ‘Addax-Region’ in Sierra Leone berichtet von enttäuschten Hoffnungen und der erneut verschlechterten Lage für die lokalen Gemeinschaften. Bei der Landvergabe wurden legitime Landrechte der lokalen Bevölkerung nicht ausreichend berücksichtigt. Kompensationen für erlittene Verluste werden nicht gewährt, nachhaltige Entwicklung ist nicht in Sicht.

Von Caroline Kruckow am
Ein Stachedrahtzaun trennt das nächstgelegene Dorf Rothonka vom Fabirkgelände

Am 19.11.2020 ist ein erneuter Bericht erschienen «The owners change, grievances remain»* , in dem unsere Partnerorganisation Sierra Leone Network on the Right to Food/SILNORF und das Schweizer Hilfswerk Brot für alle die Situation in der Makeni-Region schildern und darlegen, dass die Situation dort weiterhin nicht besser, sondern im Gegenteil schlechter geworden ist – und das auch, aber bei weitem nicht nur wegen der auch dort grassierenden Corona-Pandemie.

Was bisher geschah

Vor dem Hintergrund der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, die durch steigende Nahrungsmittelpreise in vielen armen Ländern eine Ernährungskrise nach sich zog, suchte der damalige Präsident Sierra Leones die Rettung bei internationalen Investoren. Er lud diese ein, in Sierra Leone mit Großprojekten einzusteigen, die zu der Vergabe von großen Landflächen an ausländische Unternehmen führte. Eins der Vorzeigeprojekte des damaligen Präsidenten wurde ein Großprojekt der in der Schweiz ansässigen Addax Oryx Group (AOG) in der nordöstlichen Makeni-Region, das aber bereits 2014/15 in’s Straucheln geriet und große Probleme nach sich zog für die lokale Bevölkerung. Die ehemals von Addax Bioenergy Sierra Leone (ABSL), einer Tochtergesellschaft der AOG, gepachteten Landflächen wurden 2015 an Sunbird Bioenergy und von denen drei Jahre später an einen neuen Investor namens Brown Investment Plc weitergereicht. Gemeinsam mit unserer lokalen Partnerorganisation Sierra Leone Network on the Right to Food (SILNORF) und dem Schweizer Hilfswerk Brot für alle haben wir hierzu seither mehrfach berichtet, u.a. mit der im Jahr 2016 veröffentlichten Studie « The Weakest should not bear the Risk». In diesem Bericht wurden negative Folgewirkungen des gescheiterten Großprojektes nachgewiesen und Hintergründe aufgedeckt, die auch den Investoren, den politischen Akteuren aber auch den internationalen und europäischen Entwicklungsbanken, darunter auch der Deutschen DEG, die das Projekt massiv gefördert haben, eine Verantwortung zuwiesen. Unter ‘Do no Harm’-Gesichtspunkten, dem Versprechen der deutschen Bundesregierung internationale und Entwicklungszusammenarbeit so zu gestalten, dass Schäden vermieden werden, läge es hier nahe, über ein Auffangen der negativen Konsequenzen weiter nachzudenken und staatliche Maßnahmen zu ergreifen, die eine positive und friedliche Entwicklung in der Makeni Region wieder anschieben helfen. Aber mit dem geplanten Ausstieg aus der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gemäß der BMZ-2030 Strategie, die Sierra Leone als ‘Exit-Land’ ausweist, ist nun auch diese Chance verpaßt. Es wurden schon damals Verantwortungsübernahme und angemessene Kompensationen für erlittene Schäden und Verluste eingefordert, die jedoch bis heute unerfüllt bleiben.

Wie es heute aussieht

Der Autor des neuen Untersuchungsberichts über das nun als «Sunbird Bionenergie Mabilafu Projekt» bezeichnete Großprojekt, ist Joseph Saffa, Experte für das Recht auf Nahrung und Landrechte in Sierra Leone und ehemaliger Forschungsbeauftragter von SiLNoRF. In seinem Bericht fasst er die Ergebnisse aus Recherchen sowie Interviews mit Betroffenen aus den Gemeinschaften in der Zeit von September 2017 bis August 2020 zusammen. Es wird von Land Grabbing, Verdrängung und wachsenden Problemen für die lokalen Gemeinschaften und Familien berichtet. So wird beispielsweise dargelegt, dass die Nahrungsmittelversorgung in der Region schlechter geworden ist, weil weiterhin Flächen, auch wenn sie derzeit nicht von dem Unternehmen genutzt werden, für die Dorfbevölkerung gesperrt sind. Diese Flächen fehlen für die Produktion von lokalen Nahrungsmitteln. Die erhofften langfristigen Einkommen aus Arbeitsplätzen in der Fabrik oder auf den Plantagenflächen fallen nun erneut weg, da Arbeitskräfte ohne Entschädigung aufgrund von Corona entlassen werden. Ein Ausgleich dieser Verluste über erneute Aufnahme von landwirtschaftlicher Produktion ist nicht möglich, da die Flächen eben nicht mehr zur Verfügung stehen. Regelmäßige Treffen zwischen dem Unternehmen und den Gemeinschaften sind ausgesetzt, so dass Informationen nicht fließen und die Betroffenen im Ungewissen gelassen werden.

Was tut die Bundesregierung?

Die deutsche Bundesregierung gemeinsam mit der Welternährungsorganisation (FAO) haben sich zwischen 2015 und 2019 im Rahmen der Trilateralen Landpartnerschaft mit der Regierung von Sierra Leone sehr engagiert, intensive Beratungsprozesse begleitet und die Regierung von Sierra Leone bei der Erarbeitung ihrer neuen Nationalen Landpolitik sowie in der Anwendung der UN-Landleitlinien (VGGT) gefördert. Derzeit ist, soweit wir es wissen, diese Kooperation ausgesetzt, um die Ergebnisse einer Evaluierung abzuwarten. In der Region Makeni hat das Engagement aber noch keine nachhaltigen Erfolge erzielt, denn offensichtlich sind weder die Übergabe der Landflächen von ABSL an Sunbird noch die Weitergabe dann an Brown Investments PLC nach den Prinzipien der VGGT erfolgt. Diese hätten ein transparentes Verfahren und ein aktives Mitspracherecht der Betroffenen nach vorheriger umfassender Information und Beratung mit den betroffenen Landeigentümern und den Landnutzenden erforderlich gemacht. Stattdessen sind die Verträge nun zum wiederholten Mal offensichtlich hinter verschlossenen Türen abgeschlossen worden. Auch der jetzt vorliegende Bericht weist darauf hin, dass es keine ausreichende Information und Beratung mit den lokalen Betroffenen gab, Verträge unter Druck unterzeichnet wurden und die finalen Vertragsfassungen bis heute nicht öffentlich zugänglich sind.

Was könnte besser gemacht werden?

In fragilen und Nachkriegskontexten wie Sierra Leone, in denen vor nicht allzu langer Zeit noch blutige Bürgerkriege um natürliche Ressourcen geführt wurden, gehören Fragen um den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Land und Wasser weiterhin zu den Konfliktfaktoren, die leicht in Gewalt auf allen Ebenen münden können. Landvergabe an Investoren, die die lokale Bevölkerung anschließend schlechter dastehen lassen, als zuvor, bergen ein nicht zu vernachlässigendes Konfliktpotential. Politikberatung und Maßnahmen, die im Landsektor zu nachhaltigen Veränderungen im Sinn der SDGs und zu verantwortungsvoller Verwaltung von Land, Fischgründen und Wäldern im Sinn der VGGT führen sollen, können helfen, diese Konflikte gewaltfrei zu bearbeiten, müssen dafür aber langfristig und integriert angegangen werden und sollten nicht nach 6 Jahren unterbrochen oder ganz eingestellt werden. SILNORF hat in einem Artikel, veröffentlicht 2019 in einem von der Arbeitsgemeinschaft Frieden & Entwicklung/FriEnt veröffentlichten Dossier «Land and Conflict Prevention – how integrated solutions can help achieve the SDGs» deutlich gemacht, wie wichtig regelmäßige Information und Beratung, aber auch Beachtung menschenrechtlicher Prinzipien sind und inwieweit es einer Konfliktsensibilität im Landsektor bedarf, um mit Investitionen im Landsektor nicht ungewollt zu einer Verschärfung von Konflikten und Gewalt beizutragen. Verhalten von Investoren sowie politische Rahmenbedingungen sind wichtige und zum großen Teil ausschlaggebende Faktoren dafür, dass Landkonflikte vermieden und nachhaltige friedvolle Entwicklung vorangebracht werden können.

Die Nationale Land Politik Sierra Leones und die darin enthaltenen Prinzipien machen die Umsetzung der VGGT erforderlich. Sie bietet eine Grundlage, die menschenrechtskonforme und auf Teilhabe ausgerichtete Landvergabe und transparente, auf Information und Beratung basierende Verfahren und einvernehmlicher Vertragsgestaltung einfordert. Damit kann sie helfen, mögliche auftretende Konflikte rechtlich und gewaltfrei zu regeln. In diesem Fall ist, wie der neue Bericht hier auch wieder darlegt, erneut die Chance verpasst worden, die VGGT-Prinzipien bei der Neuvergabe des Landes an den neuen Investor anzuwenden und diesen auf die Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltsplichten zu verpflichten. Dadurch steht eine nachhaltige und friedliche Entwicklung in der Region weiterhin in Frage.

Am Ende des Berichtes werden Empfehlungen formuliert, denen wir uns anschließen. Gleichzeitig erhoffen wir uns

1. von Deutschland und der FAO:

• Eine Wiederaufnahme des Engagements und Fortsetzung von Projekten, die die Umsetzung der UN-Landleitlinien (VGGT) in Sierra Leone unterstützen

• Eine Überprüfung der Landvergabe in der Makeni-Region und Nachbesserung der Verträge und Prozesse wo nötig

• eine Unterstützung für die sierra-leonische Regierung, negativen Entwicklungen im Projektgebiet vorzubeugen, Beratungen mit den lokalen Betroffenen durchzuführen, die dem Free Prior Informed Consent/FPIC-Konzept entsprechen und realistische Entwicklungspläne gemeinsam mit den Betroffenen zu entwickeln, die nachhaltig positive Lebensperspektiven mit sich bringen

• eine Unterstützung der sierra-leonischen Regierung hinsichtlich der Auswahl von potentiellen Investoren auf VGGT-Konformität zu achten

2. von Deutschland, speziell dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

• Eine Verantwortungsübernahme für die langfristigen Folgeschäden, die das ehemalige Addax-Großprojekt, gefördert auch durch die DEG, in der Region nach sich zieht und Unterstützungsleistungen die auf Kompensation für entstandene Schäden und Verluste für von dem Addax-Projekt Betroffenen und nachhaltige Entwicklung in der Makeni Region ausgerichtet sind und die nachteiligen Entwicklungen abfangen.

• eine Wiederaufnahme der bilateralen EZ mit Sierra Leone und Einbeziehung der Makeni-Region in die staatlichen Förderprogramme

• einen Fokus auf die Einhaltung der VGGT bei der Unterstützung von Investitionsprojekten und Maßnahmen des Privaten Sektors - auch wenn Investitionsvorhaben gescheitert sind und es zu Neuvergaben von Land kommt

• aus diesem Fall zu lernen und es zukünftig besser zu machen, d.h. u.a. die Einforderung von klaren Exitstrategien der Entwicklungsbanken, die auch Vorsorge für die betroffene lokale Bevölkerung beinhalten und Do no Harm-Kriterien entsprechen; sowie die Stärkung einer ‚Disclosure policy‘ und Erfüllung von Transparenzpflichten vor allem für relevante Analysen auf der Grundlage der IFC-Performance Standards bei der DEG

3. von der sierra-leonischen Regierung

• keine Intransparenz der Verhandlungen zwischen Investoren zuzulassen

• aus gemachten Fehlern zu lernen und zukünftige Projekte auf ihren Gehalt, Volumen und Teilhabe der Bevölkerung hin zu überprüfen, menschenrechtliche Standards anzuwenden, zu schützen und zu erfüllen

• von den nationalen wie auch den internationalen Investoren die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten verbindlich einzufordern

• die Einhaltung der Prinzipien der VGGT bei Investitionsvorhaben

• bei einer möglichen Neuvergabe auf eine nachhaltige und friedensfördernde Ausrichtung des Projektes zu achten und zu klären, wie sich der neue Investor einbringen wird

• Alternativmodelle zu entwickeln, die auf kleinbäuerlichen und agrarökologischen Methoden basieren, die Ungleichheiten abbauen helfen und konfliktsensibel ausgerichtet sind. Wichtig ist auch, wie Investitionsprojekte eingebettet werden können in gemeinsam mit den Betroffenen erarbeitete Entwicklungspläne und verbunden werden mit anderen sozialen Programmen z.B. im Ernährungs-, Gesundheit- und Bildungsbereich

 

* Der Bericht über das ehemalige Addax-Projekt wurde von Silnorf und Brot für alle gemeinsam in Auftrag gegeben und am 19. November 2020 publiziert: «The owners change, grievances remain – Monitoring report: Sunbird Bioenergy Mabilafu Project (formerly Addax), Sierra Leone, September 2017 – August 2020»

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