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Wenn Israelis und Palästinenser Frieden suchen

Im Nahen Osten herrscht Krieg. In Israel und dem Gaza-Streifen gibt es tausende Tote und hunderttausende Flüchtlinge, die Menschen sind traumatisiert, verängstigt, verunsichert. Eine Zukunft in Frieden können sich nur wenige vorstellen wie unsere Partner von Parents Circle.

Von Online-Redaktion am
Israelis und Palästinenser treten für Frieden und Versöhnung ein

Yuval Rahamim und Mohammed Abu Jafar arbeiten gemeinsam für ein Ende der Gewalt.

Die Interview-Partner haben Angehörige im Nahost-Konflikt verloren und arbeiten zusammen für Frieden. Mohammed Abu Jafar war 14 Jahre alt, als sein zwei Jahre älterer Bruder auf einer Demo von der israelischen Armee erschossen wurde. Yuval Rahamim war 8, als sein Vater im Sechstage-Krieg fiel. Der Verein „Parents Circle – Families Forum“ führt seit 1995 trauernde israelische und palästinensische Familien zusammen. Die gegenseitige Anerkennung ihres Leids ist die Grundlage ihrer Arbeit für Verständigung und Frieden, und ihr Vorbild überzeugt viele Menschen. Wir unterstützen das Forum seit mehr als zehn Jahren.

Der Gewalt im Nahen Osten sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Menschen zum Opfer gefallen, Sie haben Vater und Bruder verloren. Warum haben Sie sich nach diesem Verlust dem „Parents Circle – Families Forum“ angeschlossen?

Yuval Rahamim: Als mein Vater starb, war ich nur ein Kind, das seinen Vater verloren hatte und sich rächen wollte. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich solch eine Welt nicht will, sondern sie verändern möchte – meiner Familie und meinen Kindern zuliebe, die zur Armee gehen mussten. Also habe ich beschlossen, einen Teil meiner Zeit in Friedensarbeit zu stecken und den Palästinensern die Hand zu reichen, um zu sehen, was wir gemeinsam erreichen können.

Mohammed Abu Jafar: Die ersten 14 Jahre nach dem Tod meines älteren Bruders habe ich mit keinem einzigen israelischen Zivilsten geredet, weil wir die Grenze von Palästina nach Israel nicht überqueren durften. Ich sah nur Soldaten in ihren Jeeps und Check-Points. 2016 hat meine Mutter mir dann von dem Forum erzählt und mich ermutigt, mir die menschliche Seite der Geschichte anzuschauen, was sehr schwierig ist, weil es immer nur um Politik geht. Meine Mutter war bereits Mitglied im Forum und so habe ich an einem Dialog-Treffen teilgenommen, weil ich neugierig war.

Versöhnung heilt Wunden im Nahen Osten

Was genau hat Sie dazu gebracht nicht auf Rache zu sinnen, sondern sich für Versöhnung und Frieden einzusetzen?

Mohammed Abu Jafar: Bei meinem ersten Dialog-Treffen war auch ein ehemaliger israelischer Soldat. Ich war wütend auf Soldaten und hatte Angst, dass dieser dabei war, als mein Bruder getötet wurde. Ich bin rausgerannt, aber jemand kam mir nach und sagte: Du weißt, dass sie alle als Soldaten dienen, und du wusstest es bevor du gekommen bist. Also komm wieder rein und hör dir an, was sie zu sagen haben. Das tat ich und ich hörte gute Sachen, dass viele Israelis gegen die Besatzung sind und dass sie wissen, was die Armee im Westjordanland anstellt. Es gab echtes Verständnis für die palästinensische Seite und sie wussten, was mit uns gemacht wird, sie wussten, dass wir Menschen sind! Da verstand auch ich, dass auf der anderen Seite der Mauer ebenfalls Menschen leben.

Yuval Rahamim: Ich brauchte fast mein ganzes Leben, um zu begreifen, dass Rache nichts bringt. Einer der Gründe für mich war, dass ich Kinder bekommen habe, und du willst nicht, dass ihre Zukunft aus Krieg, Gefahr und Hass besteht. Mit der Zeit begann ich zu verstehen, dass die einzige Lösung darin besteht, mit deinen Feinden zu reden und ihre Geschichte zu hören, ihre Ziele und ihre Träume. Das ist die Grundlage unserer Workshops.

Krieg im Nahen Osten erschwert Friedensarbeit

Die Gewalt im Nahen Osten ist seit dem 7. Oktober erneut eskaliert, tausende Menschen sind in den vergangenen Wochen getötet worden. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

Mohammed Abu Jafar: Es ist schwer über Menschlichkeit und Frieden zu reden, wenn ein Krieg herrscht, der entmenschlicht. Außerdem sind palästinensische Jugendliche es nicht gewohnt, über sich selbst und über ihre Gefühle zu sprechen. Es wird weder an Schulen gelehrt noch sonst wo. Normalerweise reden sie das erste Mal im Forum über ihre Gefühle, und das fällt ihnen sehr schwer. Deshalb gebe ich ihnen momentan Zeit, ich dränge sie nicht, mit israelischen Jugendlichen zu sprechen. Aber bereits beim zweiten Treffen nach dem 7. Oktober wollten sie die andere Seite treffen. Trotzdem müssen wir sie darauf vorbereiten. Zuerst wird jede Gruppe der anderen einen Brief schreiben.

Yuval Rahamim: Der Schock sitzt tief in Israel. Die vielen Toten, die Brutalität des Überfalls, jede Nacht Raketen über unseren Häusern. Es gab kein anderes Thema in den Nachrichten oder in Gesprächen. Wir wussten sofort, dass wir den Austausch im Forum aufrechterhalten müssen, aber es war schwer für uns. Doch wir haben es geschafft, trotz des Schmerzes, und wir konnten das Gemeinschaftsgefühl im Team bewahren. Dann nahmen wir unsere Arbeit wieder auf, sofern möglich wegen der Reise-Beschränkungen zwischen Israel und Palästina, aber auch wegen emotionaler Hürden. Wir werden den Menschen helfen mit ihren Gefühlen zurechtzukommen, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und den Dialog fortzuführen.

Sie sprechen vor Schulkindern, Soldaten, Hinterbliebenen und Aktivisten. Woran merken Sie, dass Sie Erfolg haben?

Yuval Rahamim: Oh, das ist sehr einfach. Jedes Mal, wenn wir den Leuten unsere persönlichen Geschichten erzählen, verändert sie das. Als gemeinschaftlich arbeitende Organisation können wir der israelischen Seite die Stimme der Palästinenser als eine menschliche Stimme näherbringen und umgekehrt. Viele Menschen hier erleben seit Jahrzehnten Gewalt, und wir zeigen ihnen, dass die Zukunft anders aussehen kann. Vor allem Schüler sind tief bewegt davon, da sie aufgrund ihres Alters noch nicht mal an die Möglichkeit von Frieden gedacht haben. Doch die Dialog-Treffen verändern sie tief in ihrem Herzen. Nach einem israelisch-palästinensischen Ferienlager zum Beispiel blieben die Kinder in Kontakt und schrieben sich Briefe, wie ganz normale Kinder! Das war ein großer Erfolg.

Breite Unterstützung für Friedensinitiative

Erfahren Sie viel Unterstützung?

Yuval Rahamim: Ja, sehr viel. Wir hängen vollkommen von Spenden ab, von Privatpersonen sowie Hilfsorganisationen, und das funktioniert. In Zeiten mit viel Gewalt steigt sogar das Interesse an unserem Blick auf den Nahost-Konflikt. Vor Kurzem haben wir eine öffentliche Online-Diskussion mit Mitgliedern aus Palästina und Israel angeboten, und es kamen rund 500 Menschen. Das ist ebenfalls eine großartige Unterstützung.

Mohammed Abu Jafar: In Palästina ist die Unterstützung nicht so wie in Israel, hier ist das gesellschaftlich nicht anerkannt. Die Menschen haben Angst, dass Kooperation mit Israelis eine „Normalisierung“ wäre, also eine Form der Anerkennung der Besatzung. Deshalb sagen viele: Wenn du nicht für uns bist, dann bist du für die Besatzung. Aber meine Familie akzeptiert meine Arbeit für Versöhnung und unterstützt mich, genau wie mein Arbeitgeber, das palästinensische Gesundheitsministerium.

Und von staatlichen Stellen?

Mohammed Abu Jafar: Ja, die Fatah hat ein Komitee für Austausch mit der israelischen Gesellschaft und Präsident Abbas war mal Gastgeber eines gemeinsamen Treffens von Israelis und Palästinensern.

Yuval Rahamim: Die Fatah unterstützt unsere Arbeit sehr aktiv, aber die israelische Regierung ist extrem rechtsnational und rechtsreligiös und hilft uns gar nicht. Wir arbeiten jedoch mit der Armee zusammen. Sie stellen unseren palästinensischen Mitgliedern die Einreise-Erlaubnis aus für unsere Arbeit, weil sie verstehen, was wir tun.

Hoffnung auf dauerhaften Frieden in Nahost

In Deutschland sagt man, die Hoffnung stirbt zuletzt. Welche Hoffnung treibt Sie im Moment an, in dieser Kriegssituation?

Mohammed Abu Jafar: Ich hoffe auf Frieden und dass die Jugendlichen sich wieder treffen können wie zuvor. Da wir jetzt, nach diesen Ereignissen, auch mehr Verständnis für die israelische Seite haben, sollten wir begreifen, dass Frieden wichtiger ist als Gewalt.

Yuval Rahamim: Zuallererst hoffe ich, dass der Krieg so schnell wie möglich aufhört und die Geiseln sicher heimkehren. Dann hoffe ich, dass mit dem einsetzenden Heilungsprozess wir alle verstehen, dass der einzige Garant für eine sichere Zukunft Frieden ist. Wir erreichen Sicherheit nicht durch höhere Mauern, bessere Technik oder mehr Waffen, sondern durch einen Friedensprozess, der den Konflikt ein für alle Mal beendet. Vielleicht führt dieser Schock, dieses Trauma, das wir nun alle teilen, zu einem dauerhaften Frieden.

 

Den Beitrag der Präsidentin von Brot für die Welt, Dr. Dagmar Pruin, zu den Angriffen der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza finden Sie hier: Dem Terror sind alle Menschen gleichgültig

 

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