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Paraguay: Vielzahl von Krisen

Klimawandel, Corona-Pandemie und nun die Preissteigerungen infolge des Kriegs in der Ukraine sind eine große Herausforderung für die Menschen in Paraguay. Andrés Ramirez von OGUASU, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, erzählt von den angespannten Lebensumständen vieler Menschen.

Von Jonatan Pfeifenberger am
Essensverteilung

OGUASU hilft, die extremen Preissteigerungen abzufedern

Weltweit leiden die Menschen unter steigenden Preisen für Lebensmittel, Heizung oder Benzin. Wie ist die Situation in Paraguay?

Die Situation ist momentan sehr schwierig und traurig, wir erleben hier in Paraguay derzeit eine enorme Inflation. Bereits die Corona-Krise hat die Preise deutlich ansteigen lassen, dazu kommt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das spürt man auf allen Märkten, in den Geschäften und in allen Familien. Immer mehr Menschen leben in Paraguay in extremer Armut, laut einer offiziellen Statistik leben 752.000 Menschen von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben (das ist mehr als jeder zehnte Mensch in Paraguay, Anm. der Redaktion). Dazu kommen noch etwa zwei Millionen Menschen, die zweimal am Tag etwas essen können, meist in mangelnder Qualität. Diese Menschen treffen die Preissteigerungen besonders, aber auch der Mittelschicht bereiten sie große Sorgen.

Bei welchen Produkten spüren die Menschen in Paraguay die Preissteigerungen besonders?

Beim Speiseöl! Der Preis dafür hat sich im Laufe dieses Jahres in etwa verdoppelt. Speiseöl wird in Paraguay sehr viel verwendet beim Kochen. Man kann es aktuell zwar noch kaufen, aber immer mehr Menschen können es sich nicht mehr leisten. Einige von ihnen weichen dann aus auf bereits mehrfach verwendetes und schließlich wiederaufbereitetes Öl, um damit dann ihr Essen zuzubereiten. Auch die Preise für Treibstoff wie Heizöl, Biosprit oder Schmiermittel sind stark gestiegen: Fünf Liter kosteten zu Beginn des Jahres im Schnitt 50.000 Guaraní (rund sieben Euro), heute bekommt man fünf Liter dieser Treibstoffe für 136.000 Guaraní. Das ist eine Steigerung von etwa 170 Prozent. Auch der Benzinpreis ist seit dem Krieg um rund 90 Prozent gestiegen. Das wiederum wirkt sich natürlich enorm auf die Preise aller Grundnahrungsmittel aus. Den Menschen fehlt es an Geld, an Essen, ihnen wird der Strom abgestellt. Selbst das Trinkwasser geht uns in Paraguay aus – aufgrund des Klimawandels wird es weniger, gleichzeitig verschlingt die Agroindustrie immer mehr davon.

Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit von OGUASU als NGO?

Leider starke. Die indigenen Kleinbäuer:innen, mit denen wir hier arbeiten, konnten bis vor wenigen Jahren noch fast das ganze Jahr vor allem von ihrer eigenen Ernte leben und mussten außer Speiseöl und Salz kaum etwas hinzukaufen. Die Kombination aus Trockenheit, die Ernteausfälle verursacht, und den steigenden Preisen, die zu einem Kaufkraftverlust führen, hat dies aber grundlegend geändert. Dazu kommt, dass unsere Projektgelder in Euro vereinbart sind, der Euro als Währung aber seit Beginn des Ukrainekriegs schwächelt. Deswegen haben wir auch weniger Geld zur Verfügung als einst geplant. Bisher mussten wir zum Glück noch kein Projekt einstellen, aber es ist eine große Herausforderung. Wir versuchen, uns anzupassen und Alternativen zu finden. Gerade die Klimakrise macht das nochmal umso schwerer.

Das heißt, Paraguay leidet gerade unter einer Vielzahl von Krisen?

Auf jeden Fall! Wir spüren bereits stark die Auswirkungen des Klimawandels. Im vergangenen Jahr herrschte in Paraguay zum wiederholten Male eine extreme Dürre. Außerdem kam es immer wieder zu heftigem Hagelniederschlag. Das hat viele Pflanzen geschädigt. Auch das führt zum Preisanstieg, denn wenn die Ernten ausfallen, steigen zwangsläufig die Preise – auch in den Städten.

Zum Beispiel?

Die Mandioka-Pflanze, teilweise auch Yucca genannt, ist dafür ein gutes Beispiel: Zu Beginn der Corona-Pandemie hat ein Kilogramm Mandioka ca. 1.000 Guarani (0,15 Euro) gekostet. Heute kostet es 5.000 Guaraní (0,75 Euro), der Preis hat sich also verfünffacht. Bohnen, die zuvor 2.000 bis 3.000 Guaraní gekostet haben, liegen heute bei 18.000 Guaraní pro Kilogramm. Doch wenn es keine Mandioka gibt, gibt es hier auf dem Land auch nichts zu essen.

Was tut denn die Regierung zur Unterstützung ihrer Bevölkerung?

Die Ultrarechte regiert das Land praktisch durchgehend seit 100 Jahren. Die Profiteure der Krisen sind die großen Agrarbetriebe, die übrigens teilweise immer noch den Klimawandel leugnen. Sie bieten den Menschen, die kleine Ländereien besitzen, eine Summe an, der diese aufgrund ihrer verschärften wirtschaftlichen Lage nicht widerstehen können, auch sie weit unter dem eigentlichen Wert des Landes liegen. Die Menschen verkaufen, um ihre Familien weiter ernähren zu können. Dann haben sie aber kein Land mehr und sie sind gezwungen, in die Städte zu ziehen.

Gibt es derzeit irgendwas, was Ihnen Hoffnung gibt?

Ehrlich gesagt: Nein. Die Verwundbarkeit der Menschen in Paraguay ist sehr, sehr hoch. Viele verkaufen sogar ihre Stimmen, wenn es Wahlen gibt, nur um sich etwas zu essen leisten zu können. 50.000 Guarani (etwa sieben Euro) „kostet“ hier eine Wählerstimme. So lange die Inflation so hoch ist und die Preise steigen, habe ich wenig Hoffnung auf einen positiven Wandel. Aber in unserer Projektarbeit sehen wir natürlich viele Erfolge, die uns bestärken, weiterzumachen, auch wenn die Herausforderungen aktuell so groß sind. Deswegen werden wir immer weiter machen.

 

Lieber Herr Ramirez, vielen Dank für das Interview und alles Gute!

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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