Interview

Mit traditionellem Saatgut den Hunger überwinden

Traditionelles Saatgut kann eine wichtige Rolle im Kampf gegen den weltweiten Hunger spielen, meint Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft bei Brot für die Welt. Er setzt sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt ein.

Von Thorsten Lichtblau am
Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft bei Brot für die Welt

Stig Tanzmann, Referent für Landwirtschaft bei Brot für die Welt

Herr Tanzmann, in Bangladesch bauen Zehntausende Bauernfamilien eine gentechnisch veränderte Auberginensorte an. Sie soll ihnen nicht nur Rekordernten bescheren, sondern auch resistent gegen Schädlinge sein. Toll, oder?

Nein. Mal abgesehen davon, dass dieser Eingriff ethisch fragwürdig ist: Die Pflanzen sind so manipuliert, dass sie selbst Pestizide produzieren. Die töten nicht nur Schädlinge, sondern auch andere Insekten und Bodenlebewesen, was zu einem Verlust an Nützlingen und biologischer Vielfalt führt. Das kennen wir bereits vom Gen-Mais. Kurzfristig kann man so vielleicht das Problem mit einem Schädling reduzieren. Mittelfristig aber entstehen neue Superschädlinge, die gegen alle möglichen Pestizide resistent sind. Und dauerhaft höhere Erträge garantiert die Gentechnik erst recht nicht.

Schon seit den 1970er Jahren forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an so genannten Hybrid- oder Hochleistungssorten. Lässt sich damit der Hunger überwinden?

Hybride sind problematisch, weil man ihre Samen nicht wiederverwenden kann, sondern jedes Jahr neu kaufen muss. Deswegen eignen sie sich nicht für Kleinbauernfamilien mit geringen finanziellen Mitteln. Bei Hochleistungssorten ist das ähnlich. Sie erfordern den Einsatz von mineralischem Dünger, weil sie nur dann ertragreich sind, wenn sie genügend Stickstoff, Phosphor und Kalium bekommen. Seit Beginn der Ukraine-Krise ist Dünger aber extrem teuer und schwer verfügbar. Und schon vorher hat er vielerorts Kleinbauernfamilien in die Verschuldungsfalle geführt. Von Hochleistungssorten profitieren in erster Linie internationale Konzerne. In der aktuellen Krise haben sie ihre Gewinne noch einmal drastisch gesteigert.

Was ist denn dann die Alternative?

Die Alternative sind traditionelle Sorten, die von den Bäuerinnen und Bauern mit wissenschaftlicher Beratung immer weiter verbessert werden. Alte Sorten, wie zum Beispiel Hirse, enthalten oft sehr viel mehr Nährstoffe, sind dürreresistenter und benötigen weniger Düngemittel als zum Beispiel Mais. Zudem können die Bäuerinnen und Bauern ihre Samen immer wieder aussähen. Und sie müssen nicht ständig Dünger kaufen, der ja auch schädlich für die Böden und das Trinkwasser sein kann. Wichtig ist zudem, nicht nur auf eine einzige Pflanzensorte zu setzen.

Warum ist die biologische Vielfalt so wichtig?

Weil wir darin Antworten auf die Klimakrise finden können. Über Auslese und Züchtung können wir diejenigen Pflanzen nutzbar machen, die mit den lokalen Bedingungen am besten zurechtkommen. Und die Biodiversität ist natürlich auch wichtig für eine gesunde Ernährung. Menschen können sich nicht nur von Mais und anderem Getreide ernähren, sie brauchen auch Obst und Gemüse.

Wenn traditionelle Sorten so wertvoll sind, warum sind sie dann in vielen Ländern des Globalen Südens in Vergessenheit geraten?

Schon zur Zeit des Kolonialismus gab es Bestrebungen, traditionelles Saatgut durch angeblich verbessertes, industrielles Saatgut zu ersetzen und Bäuerinnen und Bauern in Richtung Monokulturen zu führen. Später setzten dann viele Länder auf eine „nachholende Entwicklung“ und orientierten sich an den Anbausystemen und Wünschen des Globalen Nordens. In der Folge wurde vor allem die Produktion von Exportfrüchten wie Mais, Baumwolle oder Soja unterstützt, um Devisen zu erwirtschaften. Der Anbau traditioneller Sorten ist seit der Kolonialisierung meist nicht mehr gefördert worden.

Es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bezweifeln, dass die wachsende Weltbevölkerung nur mit ökologischer Landwirtschaft und traditionellem Saatgut ernährt werden kann. Was entgegnen Sie denen?

Es gibt auf der Welt mehr als genug Nahrungsmittel, um alle Menschen satt zu machen. Nur wird ein Teil von ihnen leider für andere Zwecke missbraucht: für Massentierhaltung und Agrartreibstoffe. Würde man diesen Anteil verringern, müssten weniger Menschen hungern. Hinzu kommt: Wir wollen ja nicht das Saatgut von vor 900 Jahren verwenden, sondern wir setzen auf traditionelle Sorten, die züchterisch bearbeitet und so an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Ihr Anbau bedeutet kein Zurück in die Vergangenheit, sondern ist ein Weg in die Zukunft.

Was tut Brot für die Welt, um die Wiederbelebung traditionellen Saatguts zu fördern?

In vielen Projekten weltweit unterstützen wir Kleinbauernfamilien, Saatgut zu lagern, zu vermehren und selbst zu züchten. Manchmal legen unsere Partnerorganisationen auch lokale Saatgutbanken an. Oder sie unterstützen die Menschen dabei, auf staatliche Saatgutbanken zurückzugreifen. Leider wurde deren Arbeit wie auch die Rechte der Bauern und Bäuerinnen durch Handelsverträge und nationale Gesetze in den letzten Jahren immer mehr eingeschränkt, mit dem Ziel, das „geistige Eigentum“ der Saatguthersteller zu schützen – und damit die Rechte von Großkonzernen wie Monsanto. In vielen asiatischen und lateinamerikanischen Ländern dürfen Bäuerinnen und Bauern ihr Saatgut nicht mehr frei verkaufen oder untereinander tauschen. Und auch in Afrika werden immer mehr solche Gesetze verabschiedet. Daher setzt sich Brot für die Welt dafür ein, dass diese Saatgutgesetze nicht angenommen oder reformiert werden.

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