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Eine globale Krise erfordert eine globale Antwort

Der Krieg in der Ukraine gefährdet die Ernährung von Menschen weltweit. Es ist Aufgabe des Welternährungsrates (CFS), dazu Strategien zu entwickeln. Die G7 müssen dafür eine Sondersitzung des CFS finanzieren, um dort gemeinsam mit den von den russischen und ukrainischen Getreideexporten besonders abhängigen Staaten Antworten auf die drohende Ernährungskrise zu finden.

Von Stig Tanzmann am
Weizen in Händen

Aus Nordafrika sind bisher keine Stimmen bekannt, die an die EU appellieren, mehr Weizen zu produzieren. Viele der dortigen Staaten haben die Folgen, die es hat, von Europas Weizen abhängig zu sein, noch gut vor Augen.

Eine globale Krise erfordert eine globale Antwort

Die Folgen des Angriffskrieges der russischen Föderation auf die Ukraine für die Welternährung sind nicht zu übersehen. Stark steigende Getreidepreise auf Grund abnehmender Verfügbarkeit auf den Weltmärkten und an den Warenterminbörsen sprechen eine deutliche Sprache. Gleiches gilt für die Energiepreise und die an sie gekoppelten Preise für chemische Düngemittel. In der Kombination stark abnehmendes Angebot, weil die Ukraine als Exporteur ausfällt, plus starke Verteuerung der Agrarproduktion aufgrund der steigenden Energiepreise und der Abhängigkeit der exportorientierten industriellen Landwirtschaft von billigem chemischen Stickstoffdünger droht eine weitere Verschärfung der Welternährungskrise. Um dies zu verhindern, braucht es eine global abgestimmte Antwort der Staatengemeinschaft. Daher sollten die G7 schnellstmöglich eine Sondersitzung des Welternährungsrats CFS einberufen.

Der Welternährungsrat ist der Ort, an dem jetzt Entscheidungen getroffen werden müssen

Der CFS wurde als Reaktion auf die Welternährungskrise 2008-2009 reformiert und am Recht auf Nahrung ausgerichtet, um auf zukünftige Welternährungskrisen reagieren zu können. Hier sitzen Vertreterinnen und Vertreter von Regierungen und Agrarindustrie, kleinbäuerliche Nahrungsproduzentinnen und auch die von Hunger und Mangelernährung Betroffenengruppen gemeinsam am Tisch.

Bisher ist wenig bekannt darüber, was die Staaten und Bevölkerungsgruppen, die am meisten von den Preissteigerungen für Lebensmittel betroffen sind, tun, um auf die Krise zu reagieren und welche Unterstützung sie für den Umgang mit der Krise wünschen. Im CFS haben sie eine Stimme und über den Zivilgesellschaftsmechanismus (CSM) können die direkt Betroffenen im Plenum in der offenen Debatte ihre Nöte und Forderungen mitteilen und ihr Recht auf Nahrung einfordern.

Was machen die G7 bisher falsch in ihrer Reaktion auf die Ernährungskrise?

Zurzeit läuft die Krisenantwort komplett anders herum und ist gerade auch von den G7 stark von geopolitischen und wirtschaftlichen Eigeninteressen getrieben. Statt die Staaten, die von den Getreideimporten aus der Ukraine und Russland abhängig sind, zu fragen, welche Unterstützung sie brauchen, formulieren die G7 ihre Antworten ohne die Betroffenen. Vor allem fordern sie, dass es keine Exportbeschränkungen geben darf. Das hilft Staaten, die keine Finanzmittel mehr haben, oder Menschen, die auf gewisse gedeckelte Höchstpreise angewiesen sind, weil sie sich sonst keine Lebensmittel mehr kaufen können, jedoch nicht.

Letztlich wollen die G7 mit dieser Forderung weiter den Märkten die Reaktion überlassen. Auf den Märkten werden aber vor allem die Bedürfnisse derer befriedigt, die viel Geld haben. Also nicht die der Armen und Hungernden. Deren Antworten werden sicher nicht bequem für die G7 sein. Denn die müssen fast zwangsläufig auf globale Umverteilung hinauslaufen und als die reichsten Industriestaaten werden die G7 hier eine besondere Last tragen müssen.

Wollen die G7 wieder die Welt ernähren?

Gerade bei vielen europäischen G7-Staaten werden wieder verstärkt Forderungen laut, Europa oder einzelne europäische Staaten müssten jetzt unbedingt die Produktion drastisch steigern und auf Umwelt- und Biodiversitätsschutz verzichten, denn jetzt müsse die Welt wieder von Europa ernährt werden. Hier wird deutlich, dass einige in Europa den Krieg in der Ukraine nutzen wollen, um ihren eigenen Exportinteressen neuen Auftrieb zu geben. Hier wird wieder die Welternährungsfrage missbraucht, um starke ökonomische Eigeninteressen durchzusetzen. Leider treten weder die EU-Kommission noch Deutschland oder Frankreich diesen Stimmen des „We feed the World“ entschieden entgegen. Vielmehr erfüllen sie schnell die Forderungen der Gruppen und Konzerne, die Europa noch stärker in die Exportorientierung drängen wollen, statt konsequent die Ökologisierung der europäischen Landwirtschaft voranzubringen und hier Abhängigkeit von billigem Öl und Gas zu reduzieren. Statt Tierbestände gezielt und reguliert abzubauen und aus Agrartreibstoffen auszusteigen, werden die Vorrangflächen geopfert und die Pestizidreduktion verschoben.

Dies sind nicht nur für die Umwelt fatale Zeichen. Auch die Bäuer:innen werden wieder die Verlierer sein. Denn das bisherige System der Exportorientierung hat bereits tausende zur Aufgabe ihrer Betriebe gezwungen und wird weiter tausende zur Aufgabe zwingen, auch wenn hohe Preise kurzfristig etwas anderes verheißen.

Keine neue Abhängigkeit von Europas Weizen gewünscht

Am schlimmsten ist jedoch, dass die EU und Staaten wie Deutschland und Frankreich, indem sie dem „We feed the World“ nicht entgegentreten, ökonomischen Nutzen für ihre exportorientierte Landwirtschaft aus dem Ukraine-Krieg ziehen. Aus Nordafrika sind bisher keine Stimmen bekannt, die an die EU appellieren, mehr Weizen zu produzieren. Viele der dortigen Staaten haben die Folgen, die es hat, von Europas Weizen abhängig zu sein, noch gut vor Augen. Nicht umsonst beziehen sie so viel Weizen aus der Ukraine und Russland.

Um den Vorwurf zu widerlegen, sie könnten die mögliche Ernährungskrise für die weitere Eroberung von Märkten für die eigene exportorientierte Landwirtschaft nutzen, sollten sich die G7 für eine Lösung im Rahmen des CFS einsetzen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dann Forderungen laut werden, in der europäischen Landwirtschaft umzusteuern, um die Weltmärkte zu entlasten.

Was passiert, wenn es keine abgestimmte Krisenreaktion im CFS geben wird?

Die letzten beiden Welternährungskrisen zeigen, was passiert, wenn es keine gemeinsame Reaktion im CFS gibt. In der Ernährungskrise ab 2008 kam es zu Hungeraufständen und massiver Spekulation. Aus heutiger Sicht mit am problematischsten ist aber, dass damals die Lebensmittelpreise zum Ende der Krise drastisch eingebrochen sind. So blieben auf einmal insbesondere die Staaten und die Bäuer:innen auf ihren Investitionskosten sitzen, die in den Ländern des Südens die Produktion ausgeweitet hatten, um ihren Beitrag zur Krisen- und Hungerbewältigung und zur Reduzierung der Importabhängigkeit zu leisten. Dieser volatile Einbruch der Preise und der Verlust der Investitionen hat damals die Importabhängigkeit vieler Staaten weiter vertieft und gerade kleinbäuerliche Produzentinnen geschwächt. Wäre das Ende der Krise besser begleitet worden, hätten sie auf Basis höherer Preise die Gewinner der Krise sein können. So waren sie die Verlierer.

Ein weiteres Beispiel für die fatalen Folgen einer Krise ohne gemeinsame Reaktion ist die Hungerkrise in Folge der Covid-Pandemie, die im globalen Norden kaum wahrgenommen wurde. Dabei stieg die Zahl der hungernden Menschen um etwa 100 Millionen und die Zahl der mangelernährten Menschen um 320 Millionen. Mit einer koordinierten im CFS abgestimmten Reaktion der Staatengemeinschaft hätte sie verhindert oder zumindest abgepuffert werden können. Es gab frühzeitig und wiederholt die Forderung von Staaten, Wissenschaftler:innen, den Sonderbeauftragten für das Recht Nahrung und der Zivilgesellschaft nach einer CFS-Sondersitzung angesichts der sich abzeichnenden Hungerpandemie. Diese Forderungen wurde aber immer wieder von den nahrungsmittelexportierenden Staaten, darunter die G7, Russland, Ukraine, Argentinien und Brasilien, abgeblockt. Die Weigerung dieser mächtigen Staaten zum abgestimmten Agieren haben über hundert Millionen Menschen mit Hunger bezahlt. Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen.

Warum braucht es eine langfristige Antwort im CFS

Das Welternährungssystem befindet sich in einer gefährlichen Abhängigkeit von niedrigeren Energiepreisen und einzelner Exporteure. Daher müssen einerseits kurzfristig Antworten gefunden werden, um eine drastische Verschärfung der Hungerkrise zu verhindern. Gleichzeitig braucht es mittel- und langfristige Antworten, wie die Abhängigkeit der Landwirtschaft des Welternährungssystems von billigem Öl und Gas beendet werden kann. Gleiches gilt für die Importabhängigkeit vieler Staaten. Im CFS sollte geklärt werden, wie der Ausstieg aus der fossilen Landwirtschaft mit Agrarökologie und die Transformation des Ernährungssystem weg von der auch ernährungsphysiologisch gefährlichen Weizenabhängigkeit gelingen kann.

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