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El Salvador im Ausnahmezustand

Weil die Zahl der ermordeten Menschen durch Bandengewalt in El Salvador wieder extrem gestiegen ist, verhängte die Regierung El Salvadors im März 2022 einen umfassenden Ausnahmezustand. Die Folge: Die Menschenrechte der gesamten Bevölkerung sind massiv eingeschränkt.

Von Melanie Bleil-Rommé am
Ausnahmezustand in El Salvador: über 36.000 Menschen wurden festgenommen. Ihre Familienangehörigen warten auf Neuigkeiten.

53 ,2 Millionen Menschen weltweit waren laut UNHCR 2021 in ihrem Land vertrieben, weil sie vor Gewalt und Konflikten fliehen mussten. Bandengewalt ist in El Salvador für 70% aller Fälle von interner Vertreibung und Flucht verantwortlich. Allein am Wochenende vom 27. März töteten Bandenmitglieder 87 Menschen. Dabei waren die Mordraten seit 2016 deutlich zurückgegangen – scheinbar aufgrund eines Paktes der Regierung Bukele mit den kriminellen Banden, wie Recherchen der Zeitung El Faro belegen. Auf das Massaker antwortete die Regierung mit einer Politik der „harten Hand“ und hat sich zum Ziel gesetzt, die geschätzten 70.000 Banden-Mitglieder hinter Gitter bringen. Bis Ende Mai 2022 verhafteten Polizei und Militär bereits über 36.000 Personen.

In ihrem Kampf gegen die Bandenmitglieder kümmert sich die Regierung nicht um die Menschenrechte. So berichten Brot für die Welt-Partner aus El Salvador, dass die Rechte auf Unschuldsvermutung, Verteidigung und Zugang zu unabhängigen Richtern ausgesetzt sind. All jene, die Fragen stellen oder den Ausnahmezustand kritisieren, werden als Unterstützer*innen der Banden abgestempelt und mit Hasstiraden in sozialen Medien überzogen. „Um kriminelle Banden zu bekämpfen, müssen Menschenrechte nicht beschnitten werden.“, sind sich unsere Partner sicher.

Angst vor staatlicher Willkür

Besonders hart trifft es diejenigen, die als vermeintliche Bandenmitglieder verhaftet werden. So wird angenommen, dass mittlerweile über 40 Menschen bei oder nach der Verhaftung im Polizei-Gewahrsam verstorben sind. Unsere Partner berichten von Folter und menschenunwürdiger Unterbringung der Gefangenen. Präsident Bukele kündigte Anfang April öffentlich an, die Gefangenen hungern zu lassen, sollte die Gewalt im Land nicht stoppen. Unzählige Nachrichtensendungen des Landes zeigen überfüllte Gefängniszellen, und berichten beispielsweise von Schlägen. Allein bis zum 25. Mai 2022 zählten unsere Partner und andere Organisationen 1.123 Menschenrechtsverletzungen.

Dabei sind längst nicht alle von der Polizei oder dem Militär abgeführten Menschen wirklich Bandenmitglieder. Besonders in den armen Vierteln nehmen die Sicherheitsbehörden Menschen auf Verdacht fest – es reicht ein Tattoo, eine anonymer Anruf oder einfach der falsche Zeitpunkt. Viele Eltern fürchten, ihr Haus zu verlassen, sie haben Angst, dass ihre Kinder während ihrer Abwesenheit verhaftet werden, so ein Brot für die Welt-Partner. Besonders Jugendliche vermeiden es mittlerweile, auf die Straße zu gehen, mit dem Bus zu fahren oder einzukaufen, aus Angst vor der Willkür des Staats.

Partner zwischen Angst und Hoffnung

Unsere Brot für die Welt-Partnerorganisationen erreichen viele Hilferufe betroffener Familien, die um juristische oder andere Unterstützung bitten. Doch auch die Partner sind angesichts der staatlichen Willkür zum Teil hilflos. Es gibt keine staatliche Instanz, die sie derzeit anrufen können, um Informationen über unschuldig Verhaftete zu bekommen. Auch fehlen ihnen Ansprechpartner um über Probleme jenseits der Gewalt wie Armut und Hunger in verarmten Gemeinden zu sprechen, die durch die Pandemie noch einmal gestiegen sind.

Stattdessen müssen unsere Partner aus Angst vor Übergriffen die Sicherheitsmaßnahmen für sich und die Menschen, denen sie helfen, ständig erhöhen. Sie müssen die sich immerzu wechselnde politische Lage im Blick behalten und ihre Maßnahmen stets anpassen.

Pakt wurde gebrochen

Dass der staatlich verhängte Ausnahmezustand und eines der blutigsten Massaker in der Geschichte El Salvadors am 27. März zusammenkommen, scheint kein Zufall zu sein. Laut Recherchen der Zeitung El Faro hatten sich Präsident Bukele und die Banden eine Waffenruhe auf eine Waffenruhe geeinigt, von der beide Seiten profitierten: Bukele wollte sein Programm für die Senkung der Mordzahlen an die Wählerinnen und Wähler verkaufen, die Banden erhielten Straffreiheit und finanzielle Anreize. Die gesunkenen Mordraten hatten Bukele in den letzten Jahren die breite Unterstützung der Bevölkerung für seine Politik zugesichert. Bislang unterstützen auch 80 Prozent der Bevölkerung den von ihm verhängten Ausnahmezustand. Obwohl die Auswirkungen alle Menschen in El Salvador treffen.

Ausnahmezustand muss beendet werden

Neben dem Kampf gegen kriminellen Banden nutzt die Regierung Bukeles den Ausnahmezustand, um große Infrastrukturprojekte wie den Bau eines Flughafen und von Zugstrecken umzusetzen. Mit einem temporären Dekrets entfallen aktuell gesetzlich festgelegte Kontroll- und Transparenzmechanismen bei öffentlichen Einkäufen. Das öffnet Korruption und Vetternwirtschaft Tür und Tor. So kann die Regierung Bukeles den Ausnahmezustand passenderweise auch zur Umsetzung ihrer Wirtschaftspläne nutzen, ohne mit Protest rechnen zu müssen.

Mittlerweile ist die Mordrate zwar gesunken, die Zahl der internen Vertreibungen aufgrund von Gewalt bleibt jedoch hoch, wie unsere Partner berichten. Neu ist, dass die Menschen nicht nur vor den kriminellen Banden fliehen, sondern zum Teil auch vor der Staatsgewalt. Die Aufrechterhaltung des Ausnahmezustands ist längst nicht mehr verfassungskonform. Wir fordern mit unseren Partnern ein sofortiges Ende des Ausnahmezustands und die Aufklärung aller währenddessen verursachten Menschenrechtsverletzungen. Bisher ist die Politik der harten Hand daran gescheitert, die Gewalt in El Salvador nachhaltig zu stoppen.

 

  • Aus Sicherheitsgründen können wir die Aussagen unserer Partner nicht namentlich belegen. Die Zitate stammen aus einer von uns durchgeführten Umfragen mit unseren Partnern in El Salvador.

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