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Nach der Bundestagswahl: Zivilgesellschaft stärken

Wie wichtig zivilgesellschaftliche Initiativen sind, das haben uns die Aktivist:innen der „Kabul-Luftbrücke“ gezeigt: Sie setzten sich selbstlos für andere ein und retteten Leben. Die Bundesregierung muss zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivist:innen in ihrer Arbeit unterstützen – und nicht behindern. Der globale Trend ist aber ein anderer: sie werden Repressalien ausgesetzt.

Von Christine Meissler am
Projektpartner:innen von Brot für die Welt demonstrieren am "Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen"

Frauen und Mädchen in Asunción, Paraguay, demonstrieren gegen Gewalt an Frauen

Die Intiator:innen und Mitstreiter:innen der „Kabul-Luftbrücke“ wollten nicht einfach nur zuschauen. Sie haben mobilisiert, Geld gesammelt, genetztwerkt, genervt und nicht aufgegeben. Und so das schier unmögliche geschafft: Sie haben dafür gesorgt, dass Ende August 189 gefährdete Ortskräfte deutscher Medien aus Kabul ausgeflogen und vor Gewalt durch die Taliban und den Islamischen Staat (IS) gerettet wurden. Die „Kabul-Luftbrücke“ ist ein brandaktuelles Beispiel dafür, wozu Zivilgesellschaft fähig ist.

Maßnahmen sollen Kritiker:innen mundtot machen

Auch in anderen Bereichen leistet die Zivilgesellschaft viel: Sie unterstützt sozial Bedürftige und Schwache, übernimmt aber auch wichtige demokratische Funktionen. Vereine und Initiativen können in der Öffentlichkeit Themen setzen, auf Probleme aufmerksam machen, an die sich staatliche Stellen nicht herantrauen– und Druck aufbauen, damit sich etwas ändert. Eine unabhängige und kritische Zivilgesellschaft, die sich an Menschenrechten orientiert, nimmt die Rolle einer Wächterin ein: Sie fordert Rechte von Benachteiligten ein, kritisiert die öffentliche Politik, setzt sich für politische Mitgestaltung ein und zieht die Regierung zur Rechenschaft. Das alles macht sie zum Motor für gerechte und nachhaltige Entwicklung. Doch statt Förderung und Unterstützung erfahren soziale Bewegungen und unabhängige zivilgesellschaftliche Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Vereine, Initiativen, Menschen- und Frauenrechtsverteidiger:innen, Aktivist:innen für Umweltschutz oder für sexuelle Minderheiten sowie unabhängige Blogger:innen und Journalist:innen immer mehr Repression und Bedrohungen. Diese Entwicklung hat sich durch die Pandemie und unverhältnismäßige Einschränkungen – wie dem systematischen Ausbau von Überwachung, Zensur oder Gewalt gegen Demonstrierende – verstärkt – wie Brot für die Welt und CIVICUS im Atlas der Zivilgesellschaft 2021 gezeigt haben. Die Maßnahmen dienten oftmals nicht der Pandemieeindämmung, sondern sollten Kritiker:innen mundtot machen. Die Folge ist, dass in immer mehr Ländern Aktivist:innen ihr Engagement für eine bessere Zukunft mit ihrem Leben, ihrer Freiheit oder ihrer Gesundheit bezahlen und zivilgesellschaftliche Organisationen ihre wichtige Arbeit für Hilfsbedürftige oder für Menschenrechte nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr leisten können.

Dem Institut für Entwicklungs- und Friedensstudien INDEPAZ zufolge wurden allein im Jahr 2020 in Kolumbien 309 soziale Anführer:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen ermordet. Die Polizei reagierte auf die Welle von friedlichen Demonstrationen im Land, die im April 2021 wegen neuer Steuergesetze begann, mit dem Einsatz exzessiver, oft brutaler Gewalt – unter anderem scharfer Munition. Laut Human Rights Watch sind allein bis Anfang Juni 2021 im Zusammenhang mit den Protesten 68 Menschen getötet worden, über 1.100 Personen wurden verletzt und weitere 1.200 verhaftet. Mehr als 400 Personen wurden bis Anfang Juni zudem als vermisst gemeldet.

Symptom der weltweiten Demokratiekrise

Die Repression der Zivilgesellschaft ist Symptom einer größeren Entwicklung: Noch vor einiger Zeit schien der Siegeszug der Demokratien auf der ganzen Welt gewiss. Seit den 1970er-Jahren wuchs die Zahl der Demokratien auf der ganzen Welt. Vor allem in den 1990er-Jahren erlebten wir eine nie dagewesene weltweite Demokratisierungswelle.

Im vergangenen Jahr – in den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen – nahmen in Hongkong, Belarus, Myanmar und Afghanistan Freiheitsrechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Frauenrechte dramatisch und sichtbar für die Weltöffentlichkeit ab. Seit ungefähr zehn Jahren beobachten wir weltweit einen schleichenden, aber kontinuierlichen Niedergang von demokratischen Prinzipien und Menschenrechten. Davon sind auch die Menschen in so bevölkerungsreichen Ländern wie Bangladesch, Brasilien, Ägypten, Indien und Indonesien, Mexiko, Nigeria sowie den Philippinen und der Türkei betroffen.

Die Hauptursachen für den sogenannten Shrinking Space of Civil Society sind meist Konflikte um die politische und wirtschaftliche Macht: Regierungen versuchen, sich mit autoritären Mitteln an der Macht zu halten oder Missmanagement, Korruption und Klientelismus zu vertuschen bzw. zu ermöglichen. Das daraus resultierende Politikversagen und die soziale Unsicherheit tragen oft dazu bei, dass sich die unzufriedene Bevölkerung polarisiert, Identitätspolitik an Bedeutung gewinnt und fundamentalistische und extremistische Bewegungen entstehen bzw. erstarken.

Bundesregierung muss sich für Zivilgesellschaft einsetzen

Wir erwarten daher von der zukünftigen Bundesregierung:

- Dass sie sich dafür einsetzt, dass Menschen- und Grundrechte während einer Krise nur eingeschränkt werden, wenn und solange es notwendig, legal, legitim, verhältnismäßig, nicht diskriminierend und von begrenzter Dauer ist.
Die Bundesregierung soll sich dafür stark machen, dass Regierungen alle Gesetze aufheben, die unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung erlassen wurden, jedoch internationalen Menschenrechtsstandards widersprechen.

- Dass sie dafür Sorge trägt, dass politisches Handeln in Bereichen wie Handel, Außenwirtschaftsförderung, Entwicklung, Migration oder Sicherheit Menschenrechte und zivilgesellschaftliches Engagement nicht beeinträchtigt werden. Verbindliche Prüfverfahren sollen dies gewährleisten.

- Dass sie sich für die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure bei internationalen Politik- und Verhandlungsprozessen wie auch auf nationaler Ebene in den Partnerländern und hierzulande einsetzt. Dabei soll sie insbesondere Anstrengungen für eine Beteiligung marginalisierter und diskriminierter Gruppen und deren Vertreter:innen unternehmen.

 

Dieser Text ist ein Beitrag in der Reihe #brotfürdiewahl im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Alle weiteren Beiträge finden Sie hier.

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