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EU-Budget für Entwicklung & Globales rechtskräftig

Mitte Juni haben die EU-Institutionen die Verhandlungen zum „Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und Internationale Kooperation“ (NDICI) beendet und eine Verordnung veröffentlicht. 79 Mrd € sind dafür im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27 vorgesehen. Die Ausgaben für Krisenprävention und Friedensförderung wurden deutlich niedriger angesetzt als im vorherigen Haushalt - manches bleibt unklar.

Von Dr. Martina Fischer am
Europäischer Auswärtiger Dienst

Europäischer Auswärtiger Dienst

Mit der am 14. Juni 2021 veröffentlichten Verordnung zum neuen Außeninstrument wird der Ausgabenrahmen für die kommenden sieben Jahre abgesteckt. Auch die in der ersten Jahreshälfte 2021 bereits angelaufenen Programmplanungen in den Bereichen Nachbarschaftspolitik, Entwicklungs-zusammenarbeit, Demokratie-, Menschenrechts- und Friedensförderung werden so rückwirkend auf eine rechtliche Basis gestellt. Das Budget des NDICI umfasst insgesamt 79,462 Mrd €. Da die Budgetpositionen in laufenden, nicht inflationsbereinigten Preisen angegeben werden, wird der Vergleich mit dem vorhergehenden Finanzrahmen (2014-20) erschwert. Eine Gegenüberstellung von Ausgabenpositionen ist auch von daher schwierig, weil die Finanzarchitektur der EU in den genannten Bereichen inzwischen komplett umgestaltet wurde. Im neuen „NDICI“ sind nun die früheren eigenständigen Budgetlinien für Nachbarschaftspolitik (ENI), Entwicklungszusammenarbeit (EDF und DCI), Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) sowie Stabilität und Frieden (IcSP) miteinander verschmolzen. Diese Neustrukturierung hatte die EU-Kommission 2018 vorgeschlagen, und sie konnte sich damit weitgehend durchsetzen.

Komplexe neue Finanzarchitektur

Das neue Instrument NDICI gliedert sich in drei Säulen, wobei der größte Anteil (60,388 Mrd €) in „geographische Programme“ fließen wird, und nur 6,358 Mrd in „thematische Programme“ und 3,182 Mrd € in flexible Mittel für Sofort-und Krisenmaßnahmen („rapid response action“). Weitere 9,53 Mrd € werden einem Reservefonds zugeordnet, aus dem jede dieser Säulen nach Bedarf aufgestockt werden kann, also einem Topf von nicht zweckgebundenen Mitteln für neue und unvorhersehbare Herausforderungen. Im Rahmen der "thematischen Programme" werden die Förderung von Demokratie und Menschenrechten und die Unterstützung von Zivilgesellschaft jeweils mit 1,362 Mrd € bedacht. Der Bereich „Globale Herausforderungen“ (Gesundheit, Bildung, Förderung von Frauen und Jugend, Umweltschutz, Umgang mit dem Klimawandel, Ernährungssicherheit, Wirtschaftsförderung und Energiesicherheit) soll 2,726 Mrd € erhalten. Für die Förderung von „Frieden, Stabilität und Konfliktprävention“ sind 908 Mio € vorgesehen - in Preisen von 2018 etwa 800 Mio €. Zum Vergleich: Im vorhergehenden Finanzrahmen (MFR 2014-20) war das „Instrument für Stabilität und Frieden“ mit 2,3 Mrd € ausgestattet und konnte einen umfangreichen Aufgabenkatalog in den Bereichen Frühwarnung und Prävention, Friedenskonsolidierung und Versöhnung unterstützen.

Zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung haben das Nachsehen

Schon 2015-20 wurden aus dem „Instrument für Stabilität und Frieden“ auch Mittel für eine andere Agenda, nämlich für Migrationskontrolle und Grenzüberwachung verwandt. Gegenüber dem bisherigen Finanzrahmen bedeuten die aktuellen Zahlen für die Friedensarbeit jetzt nochmal eine deutliche Verschlechterung. Wenn man sie darauf anspricht, weisen EU-Institutionen gern darauf hin, dass auch aus dem „rapid response actions“-Topf und über die geographischen Programme weitere Mittel in Friedensförderung und Krisenvorbeugung einfließen könnten. Dieses Argument kann jedoch nicht überzeugen, weil es dazu keine verbindlichen Festlegungen gibt. Im neuen Finanzrahmen und der vorliegenden Verordnung sind - anders als im vorhergehenden EU-Haushaltsrahmen - keinerlei rechtliche Garantien enthalten und keine Zusagen, dass eine bestimmte Höhe an Ausgaben für klar definierte Zwecke reserviert wird. Für ein solches „ringfencing“, das dazu verpflichtet, "mindestens eine Summe von xy" für einen bestimmten Zweck zu verwenden, hatte sich die Fraktion Greens/EFA in den Haushaltsverhandlungen stark gemacht. Damit hätte man auch die Mittel für Prävention und Friedensförderung besser absichern und Kontinuität herstellen können. Der Vorschlag war jedoch nicht mehrheitsfähig. Die Protagonisten der neuen Finanzarchitektur wünschen sich volle Flexibilität. Fazit: In Gesprächen mit EU-Institutionen und mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments sollte man immer wieder nachfragen, wie im Rahmen des NDICI der bisherige Aufgabenkatalog des Instruments für Stabilität und Frieden umgesetzt wird. Diese sollten bei den jährlichen Verhandlungen zum neuen EU-Haushalt regelmäßig darauf drängen, dass dieser Katalog weiterhin  in vollem Umfang gefördert wird.

Fokus auf Migration

Positiv ist zu vermerken: entwicklungspolitische Expert*innen im EU-Parlament und aus Ministerien der Mitgliedstaaten konnten durchsetzen, dass 93% der NDICI-Mittel im Einklang mit den Kriterien der OECD für Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Kriterien) ausgegeben werden müssen, und 30% für Klimaziele. Zudem hebt die Verordnung darauf ab, dass alle Mitgliedstaaten 0,7% ihrer Wirtschaftskraft in Entwicklungszusammenarbeit investieren und 0,15 bis 0,20% für die Förderung von weniger entwickelten Ländern (LDCs) verwenden sollen. Gleichzeitig wird jedoch der Fokus auf Migration, bzw. die Eindämmung von Migration, im neuen Außeninstrument breiten Raum einnehmen. So heißt es in Absatz 50 der Präambel, dass die EU mit den Partnerländern verstärkt nach Möglichkeiten der Eindämmung von „irregulärer Migration“ und Menschenschmuggel suchen und sich um Rückkehrprogramme bemühen werde, und dass Maßnahmen im Bereich der Migrationspolitik und Entwicklungszusammenarbeit kohärenter gestaltet und besser verknüpft werden sollten. Zwar ist in der Verordnung nicht direkt von einer Konditionalität in der Mittelvergabe die Rede, aber es wird ausdrücklich vermerkt, die Kooperationsbereitschaft von Drittstaaten bei der Eindämmung von Migration bilde ein „integrales Element“ des neuen Außeninstruments. In Absatz 51 wird festgelegt, dass 10% des NDICI-Budgets speziell für das Management von „migration and forced displacement“ eingesetzt und dass migrationsbezogene Maßnahmen in allen drei Säulen, also den thematischen, geographischen und „rapid response“ Programmen durchgeführt werden sollen.

Ausbildung und Ausrüstung von Militär in Drittstaaten

Artikel 9 der NDICI-Verordnung widmet sich ausdrücklich den Möglichkeiten der Finanzierung von Ausbildungs- und Ausrüstungsmaßnahmen für Militär in Drittstaaten, die im EU-Sprachgebrauch mit „Capacity Building for Security and Development“ umschrieben werden. Hier wird eingeräumt, dass Ausrüstungslieferungen keine Waffen und Munition umfassen dürfen. (Da der Transfer von Waffen und Munition gegen den EU-Vertrag von Lissabon verstoßen würde, haben die EU-Mitgliedstaaten für diesen Zweck zusätzlich ein eigenes Finanzierungsinstrument jenseits des Gemeinschaftshaushalts geschaffen, die sogenannte „European Peace Facility“.) Es gibt allerdings in der NDICI-Verordnung keinerlei Aussagen dazu, worin die Ausrüstungshilfe genau bestehen soll und darf, und es ist im Text keinerlei Sensibilität dafür erkennbar, dass auch Militärgerät, das nicht unmittelbar tödliche Wirkung entfaltet, Krisen und Konflikte anheizen und Diktatoren stärken kann. Einschränkend wird erwähnt, dass Militärhilfe durch das NDICI nur dann gewährt werden dürfe, wenn sichergestellt sei, dass diese wirklich der Entwicklungszusammenarbeit zugutekomme, und dass keine Mittel allein für die Stärkung der Kampfkraft von Armeen vergeben werden dürften. Das wirkt jedoch wenig überzeugend, denn es ist unklar, durch wen und auf welche Weise das geprüft werden kann. Es findet sich auch keine Aussage dazu im Text, dass Militärhilfe an die demokratische Kontrolle von Streitkräften und an die Bereitschaft zur Reform des Sicherheitssektors geknüpft werden muss. Die Aufforderung, die EU-Kommission „shall also develop the necessary elements and the good practices required to ensure sustainability and accountability in the medium and long term and shall promote the rule of law and established international law principles” Art. 9, Abs. 5) lässt offen, welche konkreten Maßnahmen daraus folgen, und wie negative Wirkungen ausgeschlossen werden sollen. Am Ende des Budgets ist vermerkt: “Actions under Article 9 shall be financed up to the amount of EUR 270 000 000. The Commission shall be empowered to amend this amount by delegated act in accordance with Article 34.” Auch hier ist offenbar ein Höchstmaß an Flexibilität beabsichtigt. In Zukunft ist daher ein sorgfältiges Monitoring durch EP-Abgeordnete und NGOs erforderlich, um nachzuvollziehen, wieviel und welche Art von Ausrüstung aus der EU in angrenzende Regionen und in den globalen Süden gelangt.

Evaluierung und Rechenschaftspflicht

Um sich eine aktivere Rolle und Mitspracherechte in der Gestaltung der Finanzierung globaler Projekte zu sichern, hat das EU-Parlament (EP) durchgesetzt, dass sogenannte "delegierte Rechtsakte" die spezifischen Ziele und vorrangigen Bereiche der Zusammenarbeit für geografische und thematische Programme festlegen sollen, und dass ein "geopolitischer Dialog" zwischen dem Hohen Vertreter der EU/Vizepräsidenten, den Kommissionsmitgliedern und dem EP etabliert wird. Dieser soll mindestens zweimal jährlich stattfinden und Orientierung für die Umsetzung der NDICI-Mittel geben. Die NDICI-Verordnung enthält zudem einen eigenen Abschnitt (Artikel 42) zum Thema Evaluation und Berichtspflichten. Darin wird die EU-Kommission beauftragt, die Wirkung und Effizienz des Instruments regelmäßig zu  überprüfen. Es heißt, „wo möglich“ sollten sich die Evaluierungen an den Prinzipien der „guten Praxis“ des OECD Development Assistance Committee orientieren und Anregungen zur Weiterentwicklung des Instruments geben. Im Dezember 2024 soll die Kommission dem Rat und dem EP einen Zwischenbericht vorlegen, der konkrete Empfehlungen und ergänzende legislative Vorschläge zur Erweiterung der jetzt in Kraft getretenen Verordnung enthält. Ab 2025 sind weitere „externe Evaluierungen“ vorgesehen, die durch Einschätzungen des Europäischen Rechnungshofs ergänzt werden sollen. Hier wäre es wichtig, rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass bei der Auswertung wirklich unabhängige wissenschaftliche Einrichtungen zum Zuge kommen.

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