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EU-Politik: Nachbarschaft, Entwicklung, Globales

Die Finanzarchitektur der EU soll umgebaut und ein neues "Instrument für "Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Kooperation" geschaffen werden. Das EU-Parlament nahm am 27. März an der Verordnung der Kommission zahlreiche Änderungen vor. Der Text muss noch in die Trilog-Verhandlungen.

Von Dr. Martina Fischer am

Im Sommer 2018 schlug die EU-Kommission vor, im neuen Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR 2021-27) zwölf vormals eigenständige Instrumente in einem einheitlichen 89 Mrd Euro umfassenden Budget zusammenzufassen: das Instrument für Stabilität und Frieden (IcSP), das Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR), das Budget für Nachbarschaftsbeziehungen (ENI), der European Development Fund (EDF) und das Development Cooperation Instrument (DCI) sollen in einem neuen Haushaltstitel, dem „Instrument für Nachbarschaft-, Entwicklung und internationale Kooperation“ (NDICI) angesiedelt werden.  Begründet wird die geplante Neuordnung  mit Sparzwängen infolge des Brexit, Bündelung soll zur Effizienzsteigerung beitragen. Ein Problem besteht jedoch darin, dass hier diverse Förderinstrumente, die nach grundverschiedener Logik funktionieren, kombiniert werden. Ohne Not werden funktionstüchtige und bewährte Instrumente wie das IcSP und EIDHR, die vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen in der Friedensförderung, zivilen Konfliktbearbeitung und Menschenrechtsarbeit unterstützt haben, aufgegeben.

Instrument für "Nachbarschaft, Entwicklung und Internationale Kooperation": Kritikpunkte

Kirchliche Hilfswerke und NGOs äußerten die Befürchtung, dass der Zugang  für NGOs zu EU-Förderungen auf diese Weise eher erschwert wird. Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass das neue Außeninstrument einen starken Fokus auf „Migration“ erhalten und auch militärische Ausrüstung und Ausbildung („Ertüchtigung“) finanzieren soll. Daraus ergibt sich die Sorge, dass Entwicklungsgelder in Zukunft weniger den ärmsten und bedürftigsten Ländern zugute kommen, als viel mehr strategisch relevanten Ländern, die bereit sind, an der Migrationsabwehr und Vorverlagerung der EU-Außengrenzen mitzuwirken. Die Verordnung, die die EU-Kommission im Sommer 2018 vorlegte, hat zu kontroversen Debatten geführt - nicht nur bei den NGOs sondern auch in einigen Parlamentsfraktionen. Die Überführung des Entwicklungsfonds, der zuvor von den Mitgliedstaaten jenseits des MFR finanziert wurde, in den Gemeinschaftshaushalt wurde von den  meisten Abgeordneten begrüßt. Kritisch gesehen wurde aber vor allem die Zusammenlegung mit dem Nachbarschaftsinstrument. Eine Reihe von Abgeordneten - vor allem aus den Fraktionen der Grünen, Linken und auch der Sozialdemokraten - teilten darüber hinaus auch die oben beschriebenen Sorgen der NGOs.

Änderungen am Verordnungsentwurf der EU-Kommission

Am 27. März befasste sich das EP in erster Lesung mit dem "NDICI" auf der Grundlage eines Berichts der Ausschüsse für Auswärtiges und Entwicklung. Der von den Abgeordneten Panzeri (S&D), Dan Preda (EPP), Engel (EPP) und Goerens (ALDE) erstellte Bericht  wurde mit 420 Stimmen (bei 146 Ablehnungen und 102 Enthaltungen) mit wenigen Änderungen angenommen. Es ist mehr als bedauerlich, dass der Vorschlag, den Entwicklungsfonds, die Nachbarschaftshilfe und die Instrumente für Stabilität und Frieden, sowie Menschenrechte und Demokratie im MFR als eigenständige Budgets zu erhalten, keine Mehrheit fand. Der vom EP beschlossene Text hat gegenüber dem Kommisionsentwurf zwar einige Verbesserungen gebracht. Allerdings können diese nicht die tiefgreifenden Zweifel am Gesamtvorhaben ausräumen. Das Außeninstrument gründet sich weiterhin auf die Festlegung, dass 10% der gesamten Mittel (NDICI erhält 89 Milliarden Euro) für Migrationskontrolle und -folgen ausgegeben werden sollen, wenngleich im Bericht die Formulierung eingefügt wurde, dass die Mittel menschenrechtskonform zu verwenden sind. 10% der Mittel sollen „im Normalfall“ für migrationsbezogene Ausgaben reserviert werden - wobei der Anteil in "Krisenzeiten" nach Belieben aufgestockt werden könnte. Der im  Bericht eingefügte Satz, dass Migration auch positive entwicklungspolitische Effekte erzeugen kann, und dass sie in "geordneten Bahnen" und auf "sicheren Wegen" vonstatten gehen soll, tröstet nicht darüber hinweg, dass Nachbarschaftspolitik eine neue Ausrichtung erfährt. So wird die Förderung aus diesem Budget explizit an die „Performance“ der Partner gebunden, zu der zukünftig auch Kooperationsbereitschaft im Migrationsmanagement zählen soll. Das Risiko, dass die EU das neue Außeninstrument nutzt, um eigene handels- oder geopolitische Interessen durchzusetzen und strategische Partnerschaften zu etablieren, um Mobilität in der Nachbarschaft bis hin ins südliche Afrika hinein einzuschränken, bleibt bestehen - ebenso wie die Gefahr, dass Armutsbekämpfung diesen Anliegen untergeordnet wird.

Nachhaltige Entwicklungsziele, Umwelt- und Klimapolitik

Mit beharrlicher Lobbyarbeit konnten NGO-Netzwerke wie das European NGO-Confederation for Relief and Development (CONCORD) und das "Human Rights and Democracy Network" (HRDN) eigene Forderungen einbringen. So wurde die Zielmarke, 0,7% der Wirtschaftsleistung in Entwicklung zu investieren, ausdrücklich  im Ausschuss-Bericht aufgenommen. Davon sollen 0,2% für die am wenigsten entwickelten Länder reserviert werden. Das Thema Armutsbekämpfung, die Nachhaltigen Entwicklungsziele und das Pariser Klima-Abkommen werden im Text prominenter abgebildet als im Kommissionsentwurf. Auch wurde ergänzt, dass 95% der Ausgaben für Entwicklung ODA-kompatibel sein sollen. Zudem gibt es eine Aussage, dass 45% der Mittel für Klimaziele, Umweltschutz und Biodiversität investiert werden sollen (der Kommissionsentwurf sah 25% vor). Das Thema „sexual and reproductive health“ wird in einem eigenen Artikel aufgeführt und 85% der ODA-Mittel sollen im Einklang mit dem Gender-Action Plan II verwandt werden.

Demokratie und Menschenrechte

Im Hinblick auf die Förderung von "Demokratie und Menschenrechten" gelang es, eine Erhöhung der Mittel zu erwirken (2 Milliarden Euro in laufenden Preisen). Außerdem wurde ein Passus zur Unternehmensverantwortung und zum Umgang mit Verstößen gegen Menschenrechtsstandards aufgenommen. Schließlich wurde eine Verpflichtung ergänzt, die Zusammenarbeit mit Akteuren, die Menschenrechte missachten, zu beenden. Last but not least soll ein Kleinprojektefonds etabliert werden, mit dem die Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Akteure schneller und unbürokratischer gefördert werden können.

Stabilität und Frieden

Für das "Instrument für Stabilität und Frieden" sieht der nun beschlossene Text 3 Milliarden Euro vor. Die Fraktion der Grünen (Greens/EFA) hatte den doppelten Betrag gefordert, konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Immerhin gelang es, das Thema Konfliktsensibilität und Prävention im Bericht zu verankern, und ein umfangreicher Katalog von Aufgaben des IcSP, die der Kommissionsvorschlag unterschlagen hatte, wurde darin wieder aufgenommen. Die Bemühungen der Grünen, Artikel 9 zu streichen, der die Finanzierung von militärischer Ausrüstung und Ausbildung für Partnerarmeen in Drittstaaten beschreibt, erhielt jedoch keine Mehrheit. Hier findet sich nun im Beschlusstext genau die Formulierung, die 2017 für die militärische Nutzung des IcSP gewählt wurde, ohne Ausführungen dazu, wie bei „Ertüchtigungsmaßnahmen“ eigentlich Risikomanagement betrieben werden soll. Es gibt zwar einen Hinweis auf den Gemeinsamen Standpunkt des Ministerrats von 2008 zur restriktiven Handhabung von Rüstungsexporten und zum Umgang mit Dual-Use Produkten. Aber der vom EP beschlossene Text sagt nichts dazu, wie die Wirkungen der Militärhilfen zuverlässig kontrolliert und wie negative Auswirkungen vermieden werden sollen.

Zeitplan

Eigentlich hatte die EU-Kommission beabsichtigt, den Verordnungstext zum NDICI noch vor den EU-Wahlen unter Dach und Fach zu bringen. Damit hat sie das Parlament unter einen enormen Zeitdruck gesetzt. Zahlreiche Angeordnete hätten sich für die Erörterung eines Budgets, das weitreichende Folgen für die Gestaltung von Außen-, Migrations- und Entwicklungspolitik  haben wird, mehr Zeit gewünscht. Inzwischen hört man aus Brüssel, dass die Trilog-Verhandlungen voraussichtlich erst in der zweiten Jahreshälfte stattfinden, weil der Rat sich zum Thema "NDICI" noch nicht positioniert hat. So bleibt für die NGOs in den Mitgliedstaaten Gelegenheit für gründliche Lobbyarbeit. Sie sollten politische EntscheidungsträgerInnen weiterhin auffordern, sich für eine substanzielle Erhöhung der Mittel für zivile Konfliktbearbeitung und Friedensförderung einzusetzen. Erforderlich wäre eine Verdoppelung, besser noch eine Verdreifachung der bisherigen Mittelansätze für das "Instrument für Stabilität und Frieden", also eine Größenordnung von 5-7 Milliarden Euro.

 

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