Kleinbauern laufen Gefahr bei Umsetzung und Überprüfung des Nachhaltigen Entwicklungsziels zur Reduzierung von Wassermangel und Wasserstress außen vor zu bleiben!
In Bezug auf Wasser und Landwirtschaft trägt der erste UN-Monitoringbericht zum Nachhaltigen Entwicklungsziel SDG 6 „Wasser für Alle!“, umfangreiche Hintergrundinformationen und Baselinedaten zusammen. Ebenfalls werden wichtige Querverbindungen zu weitere SDGs verdeutlicht. Doch mit Blick auf die epochalen Herausforderungen der Wassernutzung und Verteilungskonflikten in der Landwirtschaft, fällt der Grundlagenbericht schwach aus. „Executive Summary“, „Key Messages“ und die Baselinedaten, auf die sicher der Monitoringprozess der kommenden Jahre beziehen wird, decken aktuelle Herausforderungen, Chancen und politischen Handlungsoptionen nur ungenügend ab.
Wasserstress ist ein Hauptgrund für den Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche und ein wesentliches Hindernis für die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion zur Deckung der weltweiten Nachfrage. Zunehmender Druck auf Frischwasser- Ökosysteme und ihre Zerstörung, verbunden mit extremen Wetter-Ereignissen und dem Klimawandel, bedrohen die landwirtschaftliche Produktivität. Das gilt sowohl für die Bewässerungs-Landwirtschaft (die 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausmacht und rund 40 Prozent der Nahrung weltweit produziert) als auch für Regenfeldbau (der 80 Prozent der weltweiten Anbaufläche ausmacht und 60 Prozent der Nahrung produziert). Daher sind viele Regionen mit Wasserknappheit gezwungen, die künstliche Bewässerung und Intensiven Monokulturanbau zu reduzieren, Gewässer und Ökosysteme wiederherzustellen und Übernutzung und Schäden durch die intensive Bewässerungslandwirtschaft rückgängig zu machen (WWDR 2018). Um die Nahrungsmittel- und Wasserkrise zu verhindern sind der Ausbau von Wasserspeichern und ein besseres Wassermanagement im Regenfeldbau nötig. Die Erträge auf Regenbasierter Landwirtschaft könnten doppelt bis fünfmal so hoch sein, die aktuelle Effizienz der Regenwassernutzung beträgt nur 35-45% des eigentlich Möglichen (Comprehensive Assessment of Water Management in Agriculture 2007).
Der SDG-6-Monitoringbericht verpasst es diese Probleme und Potentiale der landwirtschaftlichen Wassernutzung - insbesondere im Hinblick auf verschiedene Anbausysteme - differenziert darzustellen. Die Verantwortung von High-Input-Systemen für die Zerstörung von Ökosystemen und die Auswirkungen auf Wasserkreisläufe, Wassernutzung und lokale Ernährungssysteme wird nicht adäquat erwähnt. Die Empfehlungen beschränken sich einzig auf systemimmanente agrotechnische Lösungen gegen Wasserverschwendung, wie z.B. effizientere und intelligentere Bewässerungs- und Anbau-Technologien.
Internationale Problemzusammenhänge hinter Wasserstress bleiben unerwähnt
Angesichts des universellen und transformativen Charakters der neuen Nachhaltigkeitsagenda, die auch Industrieländer zur Verringerung ihrer globalen Ressourcenbilanz verpflichtet, ist es problematisch, dass der Monitoringbericht weder im Analyseteil noch bei den Basisdaten anhand von Trends und Entwicklungen der Wasser- und Landnutzung den Einfluss der globalisierten Landwirtschaft und des Agrarhandels auf die Zunahme von Wasserstress erwähnt. Basisdaten und Benchmarks für eine bessere internationale Koordinierung wären dringend notwendig, um folgendes zu erreichen: a) die Überwachung des übermäßigen Wasserverbrauchs und der Flächenkonzentration innerhalb der Produktionsketten der globalisierten Landwirtschaft, b) stärkere internationale Unterstützung bei der Reduzierung von Schäden und der Wiederherstellung von Gewässern und c) eine angemessene Zusammenarbeit bei der Wasserversorgung auch für gefährdete Bevölkerungsgruppen, einschließlich der Subsistenz- und Kleinbauern in wasserarmen Ländern und Regionen.
Nationale Durchschnittswerte kaschieren das reale Ausmaß vom weltweiten Wasserstress!
Nationale Durchschnittswerte über den Wassermangel, die im Abschnitt Basisdaten des Monitoring-Berichts verwendet werden, verbergen drängende Probleme auf Wassereinzugsebne, von denen viele Länder weltweit betroffen sind. Dazu gehören auch sehr wasserreiche Länder und große Agrarexporteure wie Brasilien. Es ist sehr auffällig, dass der Bericht es versäumt an dieser Stelle die von der FAO ausgearbeitete Monitoring-Skala für das SDG 6.4.2 Reduzierung von Wasserstress einzuführen. Letztere empfiehlt den Staaten ein Schrittweise zu verfeinerndes Monitoringsystem, so dass perspektivisch Daten mit höherer lokaler Auflösung geliefert werden, um lokalen Wasserstress zu reduzieren (FAO 2017 Integrated Monitoring Guide for SDG 6. Step-by-step monitoring methodology for indicator 6.4.2 on water stress).
Leerstelle: Stärkung von Resilienz und Wasserzugang im Regenfeldanbau
Empfehlungen und Kernaussagen des Berichts lassen die erforderlichen Lösungen für ein besseres Wasserressourcenmanagement im Regenfeldbau unerwähnt. Abschnitt „Verknüpfungen zu anderen SDGs“ (SDG 2.3. Produktivität und Einkommen von Kleinbäuerinnen verdoppeln) erwähnt zumindest die dringend benötigte Förderung besseren Wasserrückhalts (auch „Wasserernte“ ), zusätzliche Bewässerungsbedarf im Regenfeldanbau, das Potential von Kleinzisternen u.ä. zur Wasserspeicherung und nachhaltige Anbaumethoden zur Erhöhung der Rückhaltefähigkeit von Bodenfeuchtigkeit. Aber im wichtigen Analyseteil zu Herausforderungen, Möglichkeiten und politischen Handlungsempfehlungen, der schlussendlich die Grundlage zur Bewertung der zukünftigen Umsetzung von SDG 6.4.1. Steigerung der Wassernutzungseffizienz und SDG 6.4.2. Reduzierung von Wasserstress sein wird, ist die Leerstelle zum Thema Förderung des Regenfeldanbaus äußerst bedenklich - umso mehr, als dass KleinbäuerInnen und andere ländlichen Gruppen, die am meisten von Hunger und Ernährungsunsicherheit betroffen sind, eigentlich Hauptziel der SDG-Agenda sein sollten. Sie drohen bei der Umsetzung und Überwachung von SDG 6.41. und 6.4.2. außen vor zu bleiben.
Fehlende Kriterien zur Bewertung der Wasserverteilung aus Menschenrechtsperspektive
Verschärft wird dieses Problem noch, da weiterhin auch kein Bezug zur Umsetzung und Förderung von Menschenrechten bei der Umsetzung der Wasserziele genommen wird. Das Recht auf Wasser und das Recht auf Nahrung besonders gefährdeter ländlicher Bevölkerungsgruppen bleiben unerwähnt. Dabei sollte der Fokus auf den Abbau von Ungleichheiten im Bereich Wasserversorgung gelegt werden, die schon von den Millenniums-Entwicklungsziele nicht adäquat gelöst wurden (UN 2015: The Millennium Development Goals Report). Der Einbezug von menschenrechtsbasierten Kriterien bei der Durchführung und Überprüfung der Staatenbemühungen wird noch wichtiger, da die Gefahr besteht, dass SDG 6.4.1. und 6.4.2. den Wettbewerb um Wasser unter den Nutzergruppen noch verschärfen und den Druck auf Kleinbäuerinnen und –bauern erhöhen. Theoretisch kann die verstärkte Beteiligung und Mitsprache lokaler Gruppen (SDG 6b) sowohl Nachhaltigkeit als auch einen fairen Interessenausgleich fördern. In der Praxis führen Ungleichgewichte in Machtstrukturen zu einer Verteilung der Ressourcen zugunsten der wirtschaftlich Mächtigen. Hier muss dringend nachgebessert werden.
Zukünftige Berichte sollten im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsagenda in erster Line Empfehlungen für ein besseres Wassermanagement im Einklang mit den Bedürfnissen von Ökosystemen und Menschenrechten geben, und damit die Empfehlungen der richtungsweisenden UN-Berichte der letzten Jahre ernstnehmen (WWDR 2018, WWDR 2012, HLPE 2015, CAWMA 2007). Die Berichte sollten sich zudem auf den Erhalt und die Restaurierung von Wassereinzugsgebieten als Vorbedingung für eine nachhaltige Wassernutzung in Regionen mit Wassermangel konzentrieren. Dies sollte auch durch erfolgreiche Fallstudien aus Regionen des globalen Südens, die unter Wassermangel leiden, untermauert werden.
Dieser Blog wurde in leicht abgeänderter Form als Kommentierung des ersten UN-Monitoringbericht zum Nachhaltigen Entwicklungsziel SDG 6 auf der online Plattform von UN-Water veröffentlicht. Er ist auch in die umfassende Kommentierung des Forums Umwelt und Entwicklung eingeflossen.
Verfasst wurde er von: Helge Swars, Programmkoordinator und Spendenwerber bei Weltfriedensdienst und Andrea Müller-Frank, Referentin für das Recht auf Nahrung und Wasser bei Brot für die Welt/Evangelischer Entwicklungsdienst