Der deutliche Anstieg von Menschenrechtsverbrechen - dazu zählen Verschwindenlassen, extralegale Hinrichtungen und Folter bei gleichzeitig systematischer und ausufernder Straflosigkeit - bezeugen die tiefe Krise der Menschenrechte, wachsende Unsicherheit und Gewalt in Mexiko.
Im Februar 2013, nach einem Machtwechsel im Präsidentenamt, ließ die neue Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto verlauten, dass unter der Vorgängerregierung (2006 – 2012) mehr als 26.000 Opfer von Verschwindenlassen zu beklagen seien. Doch bis heute liegen keine konkreten Angaben zu der Zahl und ihren Hintergründen vor. Stattdessen veröffentlichen staatliche Institutionen oder Mitglieder der Regierung regelmäßig widersprüchliche Statistiken, ein funktionierendes nationales Register wurde bis heute noch nicht eingerichtet. Und weiterhin werden Menschen Opfer gewaltsamen Verschwindenlassens. So wurden in einer einzigen Nacht im September 2014 mindestens 20 Studierende durch die lokale Polizei in Iguala festgenommen und gelten seitdem mit weiteren, in derselben Nacht verschleppten als Opfer gewaltsamen Verschwindenlassens.
Parallel zur Ausweitung der Fälle von Verschwindenlassen, steigt auch die Anzahl der mutmaßlichen Tätergruppen und die jeweiligen Verknüpfungen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Konstant ist dagegen die Negation staatlicher Behörden, Strafanzeigen wegen Verschwindenlassens aufzunehmen, als auch entsprechende Untersuchungen durchzuführen.
Lokale Basisorganisationen, nationale Menschenrechtsorganisationen sowie auf internationaler Ebene Human Rights Watch und Amnesty International haben Verantwortlichkeiten der Marine, der Armee, der lokalen Gemeindepolizei, der Föderalen Polizei ebenso wie die Komplizenschaft zwischen staatlichen Sicherheitskräften und der organisierten Kriminalität in der Durchführung der Verbrechen dokumentiert.
Aktuell sind in fast allen Bundesstaaten Betroffenenorganisationen aktiv. Sie registrieren mutmaßliche Opfer von Verschwindenlassen, suchen nach Informationen zu den Vorfällen, dokumentieren Hintergründe. Übergreifende landesweite Daten und Analysen fehlen jedoch.
Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst arbeitet seit vielen Jahren gegen das Verschwindenlassen mit Menschenrechtsorganisationen und Familienkomitees in Mexiko zusammen. Die jetzt vorliegende Publikation stellt das Verbrechen Verschwindenlassen in Mexiko mit seinen Handlungs-, Opfer- und Tätermustern und seiner Straflosigkeit dar. Sie ist aktuell eine der wenigen umfassenden, deutschsprachigen Analysen zum Verschwindenlassen in Mexiko.
Auf die Untersuchung von Dr. Christiane Schulz folgend finden sich politische Empfehlungen, die die Deutsche Menschenrechtskoordination formuliert hat. Sie richten sich an die deutsche Regierung, den Bundestag und Institutionen der Europäischen Union.