Im Jahr 2011 hat Frankreich die Präsidentschaft der G20/G8 inne. Und weil sich Sarkozy bereits im Vorwahlkampf für die nächsten Präsidentschaftswahlen befindet, hat er sich gleich zwei internationale Auftritte gesichert, statt die Gipfel - wie vergangenes Jahr in Toronto - zu kombinieren. Im Blogbeitrag schreibt Alexis Passadakis von Attac über Themen des Weltsozialforums auf den kommenden Gipfeln der Industrienationen.
Vom 26. bis 27. Mai werden die G8 in Deauville zu Gast sein und vom 3. bis 4. November der G20-Gipfel in Cannes. Beim einem Seminar der französischen G8-G20-Koalition, des Attac-Netzwerks, Our World is not for Sale, Transform und vielen weiteren Partnern wurde in Dakar gegen diese beiden Gipfel mobilisiert. Internationale Gipfelproteste hatten die globalisierungskritische Bewegung, deren Ausdruck auch das WSF ist, groß gemacht. Auch wenn auf dieser Form politischen Arbeitens längst nicht mehr der Fokus liegt, so spielen sie immer noch eine wichtige Rolle, um nationale Bündnisbildung zu betreiben. Internationale Gegengipfel dienen zudem dazu Forderungen der internationalen sozialen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen in die nationale und globale Öffentlichkeit zu transportieren.
Die kanadische Journalisten Naomi Klein begann mit einer Anekdote von der Entstehung der G20 im Jahr 1999 – damals noch als reine Finanzministerrunde: Larry Summers, Finanzminister unter Clinton, und ein Regierungskollege trafen sich Summers Büro in Washington, um eine Position zum Umgang mit dem Druck einiger Schwellenländer einen G8-Beitritt anzustreben, umgegangen werden konnte. Beide erwarteten, dass eine Einbindung Vorteile mit sich bringen würde, aber sie wollten den Prozess kontrollieren. Das Ergebnis dieser Unterredung sei ein Briefumschlag gewesen, auf dem sie eine Liste von Staaten kritzelten, die kurz drauf zu dem Finanzministerclub wurde. Mit dieser Episode zielt Naomi Klein auf die Frage der Legitimität von informellen exklusiven Staatenclubs.
Susan George, die Grande Dame von Attac Frankreich, verneinte vor den über hundert Zuhörerinnen und Zuhörern in einem großen Hörsaal der Cheik Anta Diop Universität, dem Veranstaltungsort des WSF, die Legitimität der G20 kategorisch: „Die G20 als neues Gipfelformat der Staats- und Regierungschefs sind ein Ergebnis der Krise“, sagte Susan George. Allerdings kein gutes, auch wenn eine Erweiterung der G8 zunächst einmal zu begrüßen sei. Schließlich seinen dort nicht alle Länder repräsentiert. Tatsächlich war die schnelle Aufwertung der G20 im Jahr 2008 auch ein gezielter Schritt, um den Vereinten Nationen (UN) gar nicht erst Handlungsspielräume zu eröffnen, da es dort durchs Ansätze gab bei der Frage einer neuen Weltwirtschaftsarchitektur eine größere Rolle zu spielen. In dieselbe Kerbe schlug Pablo Solon, UN-Botschafter Boliviens, der eine immer stärkere Marginalisierung der UN kritisierte.
Die Struktur der G20 hat bisher nicht dazu beigetragen, die Ursachen der Krise zu beseitigen. Im Gegenteil: Für den französischen Ökonomen Dominique Plihon sind die beiden Zentralen Entscheidungen dieser Gruppe beim London Gipfel 2009 die Renaissance des IWF organisiert zu haben und zum zweiten mit dem Gipfel in Toronto 2010 Austeritäts-/Sozialabbau-Politik verschrieben zu haben. Bei letzterer Entscheidung spiele die Bundesregierung eine entscheidende Rolle. Und da von einer neuen Finanzmarktarchitektur keine Rede sein kann, sei davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit wieder zu Finanzcrashs kommen werde. Dass es keine dringend notwendige Re-Regulierung und Schrumpfung der Finanzmärkte gegeben hat, liegt jedoch nicht nur an dem massiven Lobbying der Finanzindustrie in Washington, London und Brüssel, sondern auch der Schwäche von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und kritischen NGOs im Norden. Vielleicht ist es ein Ausdruck dieser Schwäche, dass sich insgesamt nur sehr wenige Seminare in Dakar mit den Finanzmärkten im engeren Sinne beschäftigen. In vielen sozialen Bewegungen scheint das Wissen darüber nicht groß genug zu sein und NGOs, die sich auf Lobbyarbeit verlegt haben, sehen offensichtlich wenig Relevanz dieses Thema breiter zu verankern. Dass in Frankreich mit internationaler Unterstützung zum G20-Gipfel mobilisiert wird ist klar, möglicherweise lässt sich im Zuge dessen verstärkt ökonomische Alphabetisierung zum Thema globalisierter Finanzmarktkapitalismus betreiben. Die Verabredungen in Dakar zielen zumindest in diese Richtung.
Alexis Passadakis, Mitglied im Koordinierungskreis von Attac