Wir mischen uns ein – mit Erfolg

Herr Seitz, wie haben sich 2021 die Corona-Bedingungen auf die politischen Gespräche ausgewirkt?

Einerseits war es angesichts der eingeschränkten Begegnungsmöglichkeiten tatsächlich schwer, neue Kontakte aufzubauen ‒ gerade im Herbst zu Beginn der neuen Legislaturperiode. Andererseits konnten wir die Reichweite unserer politischen Kommunikation 2021 erheblich erhöhen, indem wir digitale Formate nutzten. Zu einer Veranstaltung mit Spitzenpolitiker:innen im Vorfeld der Bundestagswahl waren mehr als 1.200 Teilnehmende zugeschaltet! Und weil wir auch Partner digital einbinden konnten, haben sich ganz neue Potenziale eröffnet.

Haben Sie ein Beispiel?

Als wir im Frühjahr unseren neuen Atlas der Zivilgesellschaft vorstellten, waren Sprecher:innen aus Kambodscha, El Salvador und Zimbabwe zugeschaltet und diskutierten mit einer Vertreterin des Auswärtigen Amtes. Wenn Menschenrechtsaktivist:innen von ihrem Küchentisch aus von den Bedrohungen berichten, denen sie ausgesetzt sind, dann geht das ganz besonders unter die Haut.

Die Abteilung Politik setzt sich auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die Perspektiven und Anliegen der Partnerorganisationen ein. Allerdings sind immer weniger Ansprechpartner:innen der Kirche verbunden ‒ hat das Ihre Lobby- und Advocacyarbeit verändert?

Nein. Brot für die Welt wird von der Politik geachtet und geschätzt, weil wir über eine jahrzehntelange Erfahrung verfügen und unsere Fachexpertise durch den Austausch mit Partnerorganisationen in aller Welt geerdet ist. An dieser Wertschätzung hat sich nichts geändert, auch wenn die Vermutung sicherlich zutrifft, dass die kirchliche Bindung vieler Abgeordneter geringer geworden sein mag. Auf der internationalen Ebene, auf der wir ja auch politisch viel unterwegs sind, sieht das übrigens anders aus: Ich habe den Eindruck, dass dort die Stimme religiöser Gemeinschaften eher an Gewicht gewonnen hat.

Wurden denn die Anliegen gehört, die Sie in den Bundestagswahlkampf 2021 eingebracht haben?

Davon können wir ausgehen. Wir haben uns bereits vor Beginn des Wahlkampfes mit Fachpodien zu Wort gemeldet, die in den Medien und im politischen Raum sehr beachtet wurden. Wir wollten vor allem Fragen der nachhaltigen Entwicklung, der Klimagerechtigkeit und des Menschenrechtsschutzes ins Rampenlicht eines zukünftigen Regierungsprogramms rücken. Da sehen wir durchaus Erfolge: So gibt es weiterhin ein eigenständiges Entwicklungsministerium. Und wichtige entwicklungspolitische Vorhaben wie etwa die Stärkung der Agrarökologie oder den Aufbau eines Globalen Fonds für soziale Sicherheit hat die neue Bundesregierung in Angriff genommen.

Was war 2021 der wichtigste politische Erfolg für Brot für die Welt?

Im Juni wurde das lang erwartete Lieferkettengesetz verabschiedet. Das ist ein wichtiger Schritt im Kampf zum Beispiel gegen Kinder- und Zwangsarbeit. Dass ein solches Gesetz überhaupt zustande kam, ist auch Ergebnis der starken Kampagne der Initiative Lieferkettengesetz, an der wir uns von Anfang an aktiv beteiligt haben. Wirtschaftsverbände hatten bis zum Schluss versucht, das Gesetz zu verhindern. Nun sind die Unternehmen verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten.