Atlas der Zivilgesellschaft 2022
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Seit Beginn des Konflikts in der Ostukraine sind Falschnachrichten ein zentraler Teil der russischen Kriegsführung. Die ukrainische Zivilgesellschaft hat aber Methoden entwickelt, um sich dagegen zu wehren.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ostukraine im Frühjahr 2014 ist Desinformation eine wichtige Waffe der russischen Kriegsführung. Gefälschte Nachrichten sollen die ukrainische Gesellschaft spalten und eine Stimmung erzeugen, nach der in der Nähe der Ukraine zur Europäischen Union eine Gefahr liegt, vor der Russland schützen kann. Doch genauso lang und energisch arbeitet eine lebendige ukrainische Zivilgesellschaft dagegen an. „Ohne Wladimir Putin und die russische Aggression würde es hier gar keine Zivilgesellschaft geben“, lautet ein in der Ukraine gern erzählter Witz. Er enthält mehr Wahrheit, als dem russischen Präsidenten lieb sein dürfte.
Von Beginn des Kriegs an setzt Russland gefälschte Nachrichten ein, um Misstrauen zu säen und die gesellschaftliche Spaltung zu vertiefen. Während in Kyjiw Menschen gegen Korruption und antiwestliche Propaganda protestieren, zeichnen die auf der Krim beliebten russischen Nachrichtenmedien wie Russia 24, NTV, Channel One Russia und Russia-1 ein ganz anderes Bild: Kyjiw sei der Aggressor. Und die Ukraine ein faschistischer und nationalistischer Staat, der aus der EU und den USA fremdgesteuert wird und die russischsprachige Bevölkerung unterdrückt. Flankiert werden solche Botschaften von Trollen, die in sozialen Medien, Foren und Blogs pro-russische, antiwestliche Inhalte verbreiten.
Das Ganze weitet sich zu einem Informationskrieg aus. Viele falsche Meldungen werden zunächst in Russland veröffentlicht, in der Ukraine von russischsprachigen Fernsehsendern und Nachrichtenportalen aufgegriffen, hinter denen entweder der russische Staat oder kremlnahe ukrainische Oligarchen stehen, und im digitalen Raum vervielfacht über Facebook-Gruppen, Chat-Kanäle und Youtube. Als eine der Hauptquellen für pro-russische Propaganda in der Ukraine gilt die Partei „Oppositionsplattform ‒ Für das Leben“. Einer ihrer Vorsitzenden ist der ukrainische Oligarch Viktor Medwedtschuk, der dem Kreml nahesteht.
Wie energisch sich die ukrainische Zivilgesellschaft gegen die unsichtbare, aber extrem wirkungsvolle Waffe zur Wehr setzt, zeigt das Beispiel der Factchecking-Organisation StopFake. Sie gründete sich aus einer Facebook-Gruppe im Jahr 2014. Auf einer Website enttarnt sie auf der Grundlage überprüfbarer Quellen Falschnachrichten. Mehrere zehntausend Meldungen über gefälschte Nachrichten sind seit dem Start der Seite erschienen. Inzwischen arbeiten über 30 Menschen für StopFake und veröffentlichen ihre Recherchen in 13 Sprachen.
StopFake ist eine von zahlreichen Organisationen, die es sich zur Aufgabe machen, die ukrainische Gesellschaft aufzuklären. Für sie sind neben Journalistinnen auch Analysten, Open-Source-Spezialistinnen, Social-Media-Initiativen, Cyber-Aktivisten und IT-Unternehmen mit speziellen Software-Kenntnissen tätig. Sie füllen eine Lücke, die der ukrainische Staat vor allem zu Beginn des Konflikts nicht selbst schließen konnte.
Aber nicht nur die Verteidigungsstrategien der ukrainischen Zivilgesellschaft haben sich professionalisiert. Auch die Propaganda ist ausgefeilter geworden. Anfangs bestanden die Falschmeldungen meist aus offensichtlichen Lügen, über die Jahre ist die Propaganda komplexer geworden. Welche Art von Desinformation zu welcher Wirkung führt, lässt sich genauso wenig verlässlich beantworten wie die Frage, wie viele Menschen über solche Kampagnen überhaupt erreicht werden. Nach einer Studie der unabhängigen Plattform Texty vom Mai 2021 haben Internetseiten mit pro-russischen Inhalten pro Monat mehr als 110 Millionen Besuche. Entsprechende Youtube-Kanäle haben 120 Millionen Aufrufe. Der von Russland gesteuerte Fernsehsender RT erreicht nach eigenen Angaben 700 Millionen Menschen in mehr als hundert Ländern. Doch ein Forschungsprojekt deutet darauf hin, dass digitale Medien im Vergleich zu traditionellen solche Desinformationen deutlich weniger effektiv verbreiten.
Alle amtierenden Präsidenten ‒ aktuell auch Wolodymyr Selenskyj ‒ gehen seit 2014 gegen die Kanäle vor, die in der Ukraine als Verteiler von Falschnachrichten gelten. So verbot etwa der damalige Präsident Petro Poroschenko die Ausstrahlung von russischem Fernsehen in der Ukraine: Mehr als 70 Sender wurden gesperrt, drei Jahre später auch vielbesuchte Portale wie Vkontakte, die russische Version von Facebook, der russische Mailanbieter mail.ru und die russische Suchmaschine Yandex. Das wirft die Frage auf, wie es in der Ukraine selbst um Meinungs- und Pressefreiheit bestellt ist. Über die Eindämmung von Falschnachrichten hinaus wurden etwa auch 25 in Russland veröffentlichte Bücher verboten. Außerdem wurden Einreiseverbote für russische und internationale Journalistinnen und Journalisten verhängt, deren Arbeit angeblich die Souveränität sowie die territoriale Integrität der Ukraine untergraben hätten.
Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.
56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.
100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.
148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.
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