Indonesien

Eine Allzweckwaffe gegen Kritik

In Indonesien bekämpft die Regierung unliebsame Stimmen im Netz mit einem Gesetz, das eingeführt wurde, um den Online-Handel zu regulieren. Heute soll damit die Zivilgesellschaft mundtot gemacht werden.

Wirtschaft steht an erster Stelle

Als Joko Widodo im Oktober 2014 als Staatspräsident Indonesiens vereidigt wurde, lagen große Hoffnungen auf ihm. Bis dahin hatte Jokowi, wie er genannt wird, auf Dialog gesetzt, Korruption bekämpft und wirtschaftliches Wachstum ins Zentrum gestellt. Doch am 5. Oktober 2020 verabschiedete seine Regierung das sogenannte Omnibus-Gesetzespaket, mit dem sie große Infrastrukturvorhaben begünstigen und Investoren aus dem Ausland anlocken will. Das Paket umfasst 1.244 Artikeln und 79 Gesetzestexte, die Arbeits- und Umweltschutzgesetze deregulieren und branchenweite Mindestlöhne abschaffen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Relevante Fachgremien oder die Zivilgesellschaft wurden bei dem Gesetzesvorhaben nicht einbezogen.

Große Welle des Protests

Im ganzen Land kam es zu Protesten gegen das Gesetzespaket. Hunderte von Demonstrierenden wurden festgenommen. Sie kritisierten, dass mit den Gesetzen Umweltstandards wie die verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfungen ausgesetzt und Arbeiterrechte oder die Rechte auf Information und freie Meinungsäußerung geschwächt wurden. Ihnen fehlte Transparenz und sie bemängelten, dass das Omnibus-Paket die Macht bei der Nationalregierung konzentriere und so die Handlungs- und Entscheidungsbefugnisse der Lokalregierungen untergrabe.

Geschäfte mit Militärs

Dass die Kritik berechtigt ist, zeigt ein Fall im Sommer 2021 in Westpapua, dem westlichen Teil der Insel Neuguinea, der zu Indonesien gehört. Die Insel ist reich an Bodenschätzen, es gibt Öl, Erdgas, Kupfer und Gold. Gleichzeitig sind in Westpapua 80 Prozent der Menschen arm: Etwa 2,4 Millionen Menschen ernähren sich weitgehend von dem, was sie selbst anbauen.

Im Sommer 2021 beklagten neun NGOs, darunter eine Partnerorganisation von Brot für die Welt, in einer Studie, dass seit Jahren Militär- und Polizeistützpunkte auffällig nah an Bergbaugebieten errichtet wurden. Es gebe enge Verflechtungen zwischen dem Militär beziehungsweise pensionierten Generälen und den vor Ort tätigen Unternehmen, die unter anderem Goldminen besitzen. Auch der aktuelle Minister für maritime Angelegenheiten und Investitionen, Luhut Binsar Panjaitan, profitiere davon. Der Vorwurf der NGOs: Die Regierung nutzt ihre Macht nicht nur, um die Wirtschaft anzukurbeln, sondern auch, um persönliche Interessen zu sichern.

Gesetz zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit

Die Studie wurde öffentlich breit diskutiert, die Regierung aber äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Stattdessen zeigte der Minister und Ex-General Panjaitan zwei Aktivisten wegen Diffamierung an, die sich öffentlich dazu geäußert hatten. Die beiden Aktivisten Haris Azhar und Fatia Maulidiyanti sollten sich öffentlich entschuldigen, so zwei auf die Anzeige von Panjaitan folgende Vorladungen. Die Forderung stützte sich auf ein indonesisches Gesetz, das bei der Einschränkung von Meinungsfreiheit im Netz zunehmend an Bedeutung gewinnt: Das ITE-Gesetz („Information and Electronic Transaction Law“) wurde 2008 verabschiedet und 2016 überarbeitet.

Ursprünglich war es geschaffen worden, um auf dem neuen Feld des E-Commerce den Umgang mit Hasskriminalität, Falschmeldungen und Pornographie zu regeln. Inzwischen nutzt es die indonesische Regierung, um Kritik zu unterbinden. Denn das Gesetz lässt viel Interpretationsspielraum. Es definiert zwar, was unter Strafe steht und was nicht. In Artikel 27 etwa wird Verleumdung definiert. Artikel 28 behandelt Falschmeldungen und Hasskriminalität. Beide Artikel sind allerdings so verfasst, dass sie den Behörden und der Polizei erlauben, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.

Nach Chat in Haft

Wie groß das Machtgefälle ist zwischen jenen, die Menschenrechtsverletzungen oder Korruption anprangern, und Vertretern der Regierung, zeigen auch andere Fälle. Dass schon in Gefahr gerät, wer in einer halböffentlichen Chatgruppe Kritik übt, zeigt der Fall des Hochschullehrers Saiful Mahdi. Er beschwerte sich in einer Nachricht an seine Kolleginnen via Messenger-Dienst über das Einstellungsverfahren für Dozenten an seiner Fakultät. Er landet für drei Monate im Gefängnis.

Insgesamt wurden von Amnesty International im Jahr 2020 119 Fälle von mutmaßlichen Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung durch das ITE-Gesetz registriert ‒ mit insgesamt 141 Verdächtigten, darunter 18 Aktivistinnen und vier Journalisten. Die Folge ist eine Atmosphäre der Einschüchterung, in der nicht nur Menschenrechtsverteidiger sich selbst zensieren, bevor sie Missstände öffentlich machen. Auch andere Gesetze tragen zu dieser traurigen Entwicklung in Indonesien bei. Alle Versuche der Zivilgesellschaft, die Regierung zu einem anderen Kurs zu bewegen, blieben erfolglos. Seit Februar 2021 durchsucht sogar eine eigene Cyber-Einheit der Polizei die Sozialen Medien und Chat-Apps nach vermeintlich strafbaren Inhalten. Wer online Kritik übt, erhält von der Cyber-Einheit mitunter eine Nachricht mit der Botschaft: Wenn Sie diesen Post nicht umgehend löschen, werden Sie nach dem ITE-Gesetz bestraft.

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Atlas der Zivilgesellschaft 2022

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