Hohe Erwartungen an die neue Regierung
Die Samtene Revolution im Frühjahr 2018 brachte einen politischen Umbruch. Frauenrechtsorganisationen hoffen jetzt auf eine Verbesserung der sozialen, politischen und ökonomischen Stellung der Frauen.
Die politische Lage
- CIVICUS-Einstufung: beschränkt
- Rund 25 Prozent der Abgeordneten im Parlament sind Frauen. Es gibt nur eine Ministerin.
- Frauen verdienen in Armenien durchschnittlich 20 Prozent weniger als Männer.
Als Präsident Sersch Sargsjan von der Republikanischen Partei Armeniens (RPA) im Frühjahr 2018 im Anschluss an seine letzte Amtszeit als Staatspräsident in das Amt des Ministerpräsidenten wechseln wollte, um seinen politischen Einfluss zu erhalten, regten sich früh Proteste im ganzen Land. Nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten brach eine ungeahnte Protestwelle los und Hunderttausende gingen auf die Straße. Angeführt wurden die zumeist friedlichen Proteste gegen ihn durch den Oppositionspolitiker Nikol Paschinjan.
Unter dem Slogan „Mach einen Schritt, stoppe Sersch“ schlossen sich immer mehr Armenierinnen und Armenier der Samtenen Revolution an. Sie konnten schließlich den Rücktritt Sargsjans durchsetzen. Bei Neuwahlen im Dezember 2018 erhielt Paschinjans Oppositionsbündnis mehr als 70 Prozent der Wählerstimmen.
Eine neue kritische Zivilgesellschaft
Zwar gibt es in Armenien zahlreiche professionelle Nichtregierungsorganisationen. Viele von diesen nahmen in der Vergangenheit jedoch eher die Funktion von Sozialdienstleistern wahr. Nur wenige äußerten deutliche politische Forderungen und positionierten sich damit als oppositionelle Kräfte. Sie fürchteten bürokratische oder steuerrechtliche Schikanen oder die öffentliche Diskreditierung durch regierungsnahe Medien. Der Regierungswechsel lässt nun hoffen, dass Nichtregierungsorganisationen in Armenien zukünftig auch stärker als kritische politische Instanz auftreten.
Frauen kämpfen um Anerkennung
Frauen waren während der friedlichen Revolution in Armenien allgegenwärtig. Sie standen häufig in vorderster Reihe, um Straßen und Kreuzungen zu blockieren. Viele von ihnen demonstrierten nicht nur für das Ende der Regierung Sargsjan, sondern auch für ihre Rechte als Frauen. Der neue Regierungschef Paschinjan erklärte nach seinem Amtsantritt, dass sich seine Regierung in Zukunft für eine stärkere Repräsentanz von Frauen in der Politik einsetzen werde. Doch aktuell sind nur ein Viertel der Abgeordneten Frauen und es gibt nur eine Ministerin. Auch sonst fehlen nach Ansicht von Frauenrechtsaktivistinnen bislang noch konkrete Fortschritte. Das Regierungsprogramm zum Beispiel enthält keine geeigneten Ansätze zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit.
Noch immer ist die armenische Gesellschaft patriarchalisch geprägt. Die traditionellen Geschlechterrollen, die Frauen vor allem in der Verantwortung für reproduktive Aufgaben in Haushalt und Familie oder in der Pflege von Angehörigen sehen, sind insbesondere auf dem Land weit verbreitet. Der stillschweigende Konsens über die tradierte Rolle der Frau in der Gesellschaft betrifft auch die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. Frauenorganisationen, die klar feministisch auftreten und bestehende Geschlechterverhältnisse infrage stellen, sind eher eine Ausnahme. LGBTI-Aktivistinnen und -Aktivisten werden besonders als Bedrohung wahrgenommen und sind in den sozialen Medien massiven Angriffen ausgesetzt.
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