Bolivien

Bolivianischer Populismus

Die bolivianische Regierung verfolgt eine so genannte patriotische Agenda, mit der Boliviens Entwicklungsrückstand aufgeholt werden soll. Eine eigenständige Zivilgesellschaft ist dabei nicht vorgesehen. Stattdessen sind NGOs gesetzlich dazu verpflichtet, den nationalen Entwicklungsplan umzusetzen.

Die politische Lage in Bolivien

  • CIVICUS-Einstufung: beschränkt
  • 70 Prozent der Frauen im ländlichen Raum leben in Armut
  • Anteil der Oppositionsmedien ist auf 15 Prozent gefallen

Eine wichtige Rolle im multi-ethnischen Bolivien spielen Indigene, die 42 Prozent der Bevölkerung stellen. Die Verfassung erkennt 36 verschiedene Ethnien an. Bolivien ist gleichzeitig eines der Länder mit der größten sozialen Ungleichheit in Lateinamerika. Rund 36 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, die Hälfte davon sogar in extremer Armut.

Präsident Evo Morales, der das Land seit 2006 regiert, ist selbst indigen. Nach seiner Agenda Patriótica soll Bolivien selbst von seinen natürlichen Ressourcen profitieren und sich den üblichen Modellen der Ausbeutung von Bodenschätzen durch internationale Konzerne verweigern. Dafür wurden die Bodenschätze verstaatlicht und die Rechte für den Abbau heimischen Unternehmen zugewiesen. Für die Pläne zur sozial inklusiven Entwicklung des Landes wurde Morales gelobt. Der Rückhalt in der Bevölkerung schwand aber, als klar wurde, dass dafür geschützte indigene Territorien preisgegeben werden und Kritik an den Plänen nicht erwünscht ist.

Gegen Indigene und deren Fürsprecher

Solche Kritik versucht die Regierung zu unterdrücken. Alle gemeinnützigen Organisationen sind heute dazu verpflichtet, den nationalen Entwicklungsplan in die Satzung aufzunehmen. Abweichende Meinungen zur Regierungslinie sind unerwünscht. Wer dennoch welche äußert, muss Repressalien befürchten. Die meisten Konflikte gibt es beim Abbau natürlicher Ressourcen und bei Infrastruktur-Projekten. Die Regierung geht nicht mehr nur gegen die indigenen Gemeinschaften vor, die sich durch Protestmärsche und Blockaden gegen solche Aktivitäten in ihren Territorien wehren. Sie ergreift auch Maßnahmen gegen alle, die indigene Gemeinschaften dabei durch Recherchen, Rechtsbeistand und Lobby-Arbeit unterstützen.

Umwelt- und Menschenrechts-Organisationen werden mit administrativen Maßnahmen schikaniert und öffentlich angegriffen. 2015 etwa drohte Vizepräsident Álvaro García Linera damit, vier bekannten und renommierten NGOs – unter ihnen die Brot für die Welt-Partnerorganisation Fundación TIERRA – die Registrierung zu entziehen, weil sie angeblich im Auftrag ausländischer Unternehmen Lügen verbreiten, um die Entwicklung des Landes zu sabotieren.

Profite maximieren und NGOs drangsalieren

Die Regierung setzt auf schnelle Gewinne durch den Abbau von Rohstoffen, berücksichtigt dabei aber die Interessen der Menschen in den betroffenen Regionen nicht, klagen NGOs. „Wenn wir das kritisieren und die in der bolivianischen Verfassung anerkannten Rechte auf Schutz der Lebensgrundlagen vor Verschmutzung und übermäßigem Wasserverbrauch durch extraktive Industrien verteidigen, wirft uns die Regierung vor, ‚rechtskonservativ und imperialistisch‘ zu sein“, sagt Iris Baptista Gutiérrez vom NGO-Dachverband Red Unitas. Die Regierung sei der Auffassung, dass sie „die Interessen der Zivilgesellschaft nicht nur vertritt, sondern auch verkörpert“, so Gutiérrez. „Kritische Stimmen von unabhängigen NGOs nimmt sie als Behinderung war.“

Mit Steuerprüfungen, Geldbußen oder gezielter Kürzung staatlicher Gelder werden unliebsame NGOs und Medien behindert. Übergriffe auf Journalist*innen haben zugenommen. Die nationale Presse-Agentur hat im Zeitraum von 2010 bis 2017 insgesamt 136 Fälle körperlicher Gewalt gegen Journalist*innen dokumentiert und 155 verbale Attacken gegen sie und ihre Medien.

Material zum Mitnehmen

Atlas der Zivilgesellschaft 2019

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