Honduras
Perspektiven für heimgekehrte Migranten
In der Hoffnung auf ein besseres Leben zieht es jedes Jahr zehntausende Menschen aus Honduras Richtung USA. Doch viele Migranten erleben Schreckliches auf der Reise und kehren schwer traumatisiert zurück. Die Scalabrini-Schwestern helfen ihnen, ein neues Leben aufzubauen.
Der zerstörte Traum vom Auswandern
Mexiko, Bundesstaat Veracruz: Es ist kurz vor vier Uhr nachts, als Miguel Elcides auf dem Dach des Güterzugs Richtung USA einnickt. Der 16-Jährige aus Honduras ist seit Tagen unterwegs. „Schlaf bloß nicht ein“, hatte sein Freund ihm eingeschärft, „sonst bist du tot.“ Doch die Müdigkeit ist stärker, Miguel rutscht vom fahrenden Zug und stürzt in die Tiefe. Er bricht sich beide Unterschenkel, spürt Blut an den Hosenbeinen, schreit um Hilfe, aber niemand hört ihn. Erst Stunden später wird er gefunden und muss notoperiert werden. Dabei verliert er seine Füße. Die Wunden entzünden sich, und die Ärzte amputieren ihm auch noch die Beine. Als er aus der Narkose erwacht und seine Stümpfe sieht, weint Miguel.
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Migration als Flucht vor Armut und Gewalt
Vier Jahre später sitzt der junge Mann in seinem Häuschen in El Empalme, eine Stunde nördlich der Hauptstadt von Honduras, Tegucigalpa. „Als ich zurückkehrte, wollte ich nicht mehr leben“, sagt er leise. „Meine Hoffnungen und Träume für die Zukunft, alles hatte sich zerschlagen.“ Miguel ist einer von etwa 100.000 jungen Menschen in Honduras, die jedes Jahr ihr Leben aufs Spiel setzen, um der Not und Perspektivlosigkeit zu entkommen. Honduras zählt zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas und zu den gewalttätigsten, weil es im Drogenkorridor zwischen Kolumbien und den USA liegt.
Bildergalerie: Das Trauma überwinden

Für Miguel Elcides ist der Versuch, mit 16 Jahren in die USA auszuwandern, zum Horrortrip geworden. Heute braucht er Beinprothesen und Krücken.
© Christoph Püschner

Er fiel in eine schwere Depression und hatte Selbstmordgedanken, doch dann bekam er medizinische und psychologische Hilfe.
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Karen Núñez von den Scalabrini-Schwestern unterstützt die Rückkehrer, insbesondere wenn sie versehrt und traumarisiert sind wie Miguel.
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Sie organisiert Selbsthilfegruppen, in denen die Rückkehrer über ihre Probleme und Ängste reden. Die Gemeinschaft stärkt und motiviert den Einzelnen.
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Viele der Versehrten empfinden sich als Last für die Angehörigen, doch die Gruppe gibt ihnen Kraft. Sie erarbeiten auch Businesspläne zusammen für Kleinstunternehmen.
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Miguel hat inzwischen einen kleinen Lebensmittelladen, mit dem er den Lebensunterhalt für sich und seine junge Familie erwirtschaftet.
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Denn Miguel ist seit kurzem Vater. Mit seiner Freundin Patricia und ihrer gemeinsamen Tochter Marcela blickt er wieder hoffnungsvoll in die Zukunft.
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Hilfe für traumatisierte Migranten
„Nach meiner Rückkehr fiel ich in eine schwere Depression“, erzählt Miguel, „ich hatte Albträume und Selbstmordgedanken.“ Dass er diese Krise überstand, hat er vor allem einer Person zu verdanken: „Karen stand mir vom ersten Tag an zur Seite“, sagt er, während ein Lächeln über sein Gesicht huscht. „Nur durch ihre Hilfe habe ich es geschafft.“ Karen Núñez arbeitet für die Ordensgemeinschaft der Scalabrini-Schwestern (Asociación Hermanas Scalabrinianas, AHS).
Die tatkräftige 33-Jährige koordiniert ein von Brot für die Welt finanziertes Projekt, das zurückgekehrte Migrantinnen und Migranten unterstützt, insbesondere wenn sie wie Miguel mit einer Behinderung heimkehren. „Diese Menschen sind traumatisiert“, erzählt Karen Núñez. „Wir bieten ihnen medizinische Versorgung, Prothesen und psychosoziale Hilfe an.“ In Selbsthilfegruppen und Workshops lernen sie, mit ihrem neuen Leben klarzukommen. Wenn ihnen das mal schwer fällt, können sie sich immer an die Beratungshotline des Projekts wenden. „Und wir entwickeln natürlich gemeinsam neue Perspektiven für die Zukunft.“
Neuer Lebensmut dank Perspektive
Dank der Unterstützung der Scalabrini-Schwestern konnte Miguel Elcides einen kleinen Lebensmittelladen eröffnen. „Im Moment verdiene ich knapp 150 Euro pro Monat“, freut er sich. Doch das Schönste für ihn ist seine vor kurzem geborene Tochter Marcela. Er hat das feste Ziel, sich gemeinsam mit ihr und seiner Freundin Patricia ein neues Leben aufzubauen. Der kleine Laden ist für die junge Familie der erste Schritt in eine bessere Zukunft.
Material zum Mitnehmen

Projektinformation Honduras
Hier finden Sie mehr Informationen zum Projekt in Honduras: Persönliche Geschichten der heimgekehrten Migranten, Interviews mit Verantwortlichen, Zahlen über das Projekt und Länderinfos.
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