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In Kamerun macht Frieden Schule

In Kamerun führen Armut und fehlende politische Teilhabe zu gewaltsamen Konflikten. Im Norden terrorisiert Boko Haram die Bevölkerung. Dem wirkt der Zivile Friedensdienst (ZFD) entgegen, indem er die Dialogfähigkeit in der Gesellschaft stärkt. Florentine Fandio koordiniert seit zehn Jahren die Arbeit der ZFD-Partnerorganisationen und Friedensfachkräfte in dem zentralafrikanischen Land.

Von Michael Billanitsch am
Florentine Fandio vor einer Moderationswand

Florentine Fandio ist ZFD-Koordinatorin in Kamerun

Was sind die Herausforderungen für den ZFD in Kamerun?

Wir arbeiten mit dem ZFD daran, Einstellungen und Verhalten von Menschen zu verändern, aber auch Strukturen in der Gesellschaft. Das ist in einem Land wie Kamerun, in dem patriarchale Strukturen noch eine sehr große Rolle spielen, nicht einfach. Es beginnt mit der Erziehung: wir wachsen in einer Kultur des Schweigens auf. In den Familien und auch auf Regierungsebene haben die älteren Leute das Sagen. Dabei ist über die Hälfte der Bevölkerung unter dreißig Jahren alt. Und diese Hälfte hat kaum Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse auszudrücken. Unser Ziel ist es, dass vor allem junge Menschen und Frauen ihre Interessen frei und gleichberechtigt in die Gesellschaft einbringen können.

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?

Weil junge Leute kaum Perspektiven haben, werden manche gewalttätig. In den Medien wird fast täglich über Gewalt an Schulen berichtet: Schüler*innen gegen Schüler*innen oder gegen Lehrer*innen. Mit unseren Partnern versuchen wir das zu verändern und veranstalten regelmäßig Trainings für sie. Wir stellen darin die Frage: „Wie können wir bestehende Konflikte gewaltfrei lösen?“

Wir haben in allen zehn Regionen Kameruns erforscht, warum und wo genau Gewalt im Jugendmilieu entsteht. In Bezug auf die Lebensperspektiven haben wir als Friedensarbeiter*innen nur wenig Einwirkungsmöglichkeiten. Allerdings können wir junge Leute sehr gut dabei unterstützen, ihre Anliegen zur Sprache zu bringen. Während einer unserer Sensibilisierungs­ und Lobbykampagnen unter Jugendlichen im Departement Mayo Sava waren mehr als hundert Jugendliche aus ganz unterschiedlichen Gruppen der Gesellschaft anwesend. Wir schaffen Räume für den Dialog zwischen Jugendlichen und staatlichen Institutionen, damit sie ihre Bedürfnisse formulieren können.

Worauf achten Sie bei der Auswahl der Zielgruppen?

Die Vielfalt der Gesellschaft zu berücksichtigen, ist Teil unseres „Do no harm“­Ansatzes und hilft uns dabei, sozialen Zusammenhalt zu stärken. Zum Beispiel haben wir im extremen Norden mit Binnenflüchtlingen gearbeitet, die vor Boko Haram geflüchtet sind. Dort haben wir in Absprache mit dem Lamido – einem traditionellen muslimischen Führer – vor einem Camp eine Getreidemühle aufgebaut, weil die Frauen sonst immer viele Kilometer zur nächsten Mühle laufen mussten. Und zu dieser Mühle kommen nicht nur geflüchtete Frauen, sondern auch solche aus der Umgebung. Dadurch kommen Menschen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen zusammen und lernen sich kennen.

Wir haben in einigen Fällen erreicht, dass Frauen als „Notable“, also besonders angesehene Personen, neben Männern in einigen königlichen Häusern sitzen – und das in der nördlichen Region von Kamerun, die konservativ muslimisch geprägt ist. Seitdem werden mehr Konflikte gelöst, weil die Frauen mit in die Diskussionen einbezogen sind.

Kamerun ist ein großes Flächenland, größer als Deutschland. Wie organisieren Sie die Arbeit des ZFD?

Der ZFD arbeitet überall in Kamerun und die Partnerorganisationen haben durch ihre engagierte Arbeit auf der lokalen Ebene sehr großen Veränderungen erreicht und sind dort gut verankert. 2011 hat der ZFD seine Arbeit in Kamerun begonnen, zunächst auf der Graswurzelebene. Vier Jahre später habe ich meine Aufgabe als Koordinatorin übernommen. Im Jahr 2021 haben wir bei unserem Jahrestreffen mit 16 Partnerorganisationen eine Strategie dazu entwickelt, wie wir Friedenserziehung in ganz Kamerun etablieren können. Dafür mussten wir uns darüber verständigen, was uns als Gesellschaft zusammenhält und wo wir herkommen. Zum Beispiel wird in den Schulen kein vollständiges Bild der kamerunischen Geschichte geboten, davon was in der Kolonialzeit passiert ist. Es ist wichtig, dass wir ein gemeinsames Verständnis und ein kritisches Bewusstsein entwickeln, das uns verbindet.

Durch diesen umfassenden Prozess der Strategieentwicklung und die daraus resultierenden Advocacy­ Aktionen, an denen wir seit drei Jahren arbeiten, ist  Vertrauen entstanden. Die Partner verstehen sich jetzt als ein großes nationales Netzwerk für Friedensarbeit.

Mit was für Partnerorganisationen arbeitet der ZFD in Kamerun?

Brot für die Welt arbeitet zu einem Drittel mit protestantischen kirchlichen Organisationen und zu zwei Dritteln mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Etwa 30 Prozent der Menschen in Kamerun sind Muslime, sie leben vor allem im Norden. Damit wir auch diese Gruppen erreichen, haben wir eine Vereinbarung mit der Islamischen Union von Kamerun getroffen, die dort lokal verankert ist. Aber auch an katholischen Schulen gibt es von unseren Kolleg*innen von AGIAMONDO seit Jahren Friedenserziehung. Wir arbeiten also mit allen Glaubensgemeinschaften in Kamerun zusammen und sind dabei, eine neue Generation vorzubereiten, die anders mit Konflikten umgeht.

Welche Art der Friedenserziehung wird an den Schulen geleistet?

Normalerweise sprechen Schüler*innen in Kamerun nicht direkt aus, was sie bewegt. Aber durch die neuen Methoden hat sich die Atmosphäre in der Klasse verändert. Die jungen Leute lernen Kritikfähigkeit, sie reflektieren selbst, was sie brauchen. Wir träumen von einer Gesellschaft, in der die Menschen nicht nur das tun, was sie gesagt bekommen, aber der Weg ist noch lang.

Deswegen wollten wir das jetzt auf der nationalen Ebene anpacken. Wir wollen mit den Schulministerien zusammenarbeiten, dass sie auf längere Sicht neue Curricula einführen. In den evangelischen Schulen, die wir unterstützen, werden Lehrerinnen und Lehrer in neuen pädagogischen Methoden trainiert und wir haben groß artige Ergebnisse erzielt. Die Lehrer*innen verstehen sich inzwischen als „Facilitator“, sie ermöglichen einen Dialog.

Am wichtigsten sind die Ergebnisse natürlich für die Kinder. Viele Konflikte, die in die Schulen getragen werden, kommen aus dem privaten Umfeld. Wenn zum Beispiel ein Schüler zu spät gekommen ist, dann wurde er früher geschlagen. Wenn jetzt der Konflikt mit den Methoden der gewaltfreien Kommunikation analysiert wird, stellt sich heraus, dass der Grund für das Zuspätkommen Probleme im Elternhaus waren und das Problem kann angegangen werden. Die Lehrer*innen sind jetzt in Mediation geschult, ebenso wie die Schüler*innen selbst. Vor zwei Wochen war ich in so einer Schule und ein Kind hat gesagt: „Ich vermittle, wenn es Probleme mit meinen Eltern gibt. Ich bin ein Friedensschüler.“

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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