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Erdrutschsieg bei Wahlen in Mexiko

Die Tendenz der offiziellen Hochrechnungen hat sich bestätigt, Mexiko erlebte historische Wahlen: Nicht nur, dass 20.000 politische Ämter zu vergeben waren. Zum ersten Mal wird eine Frau Präsidentin des Landes: Claudia Sheinbaum Pardo, die frühere Bürgermeisterin der Millionenmetropole Mexiko-Stadt.

Von Wolfgang Seiß am
Die zukünftige Präsidentin Mexikos, Claudia Sheinbaum (r.), zusammen mit der gewählten Gouverneurin von Morelos, Margarita Saravia.

Die zukünftige Präsidentin Mexikos, Claudia Sheinbaum (r.), zusammen mit der gewählten Gouverneurin von Morelos, Margarita Saravia, und einem Enkel Emiliano Zapatas.

Die mexikanischen Präsidentschafts-, Bundesstaaten- und Bezirkswahlen brachten überraschende Ergebnisse. Zwar war der Sieg von Claudia Sheinbaum, der Kandidatin der Koalition aus der Arbeiterpartei PT, der Grünen Partei (Partido Verde Ecologista, PVEM) sowie MORENA, der Partei des amtierenden Präsidenten López Obrador, in vielen Umfragen vorausgesagt worden. Aber, dass Sheinbaum wie López Obrador mit absoluter Mehrheit gewann und dessen Stimmenzahl noch um fünf Millionen steigern konnte, überraschte doch viele Beobachter*innen.

Zwar wird das Endergebnis erst in einigen Tagen vorliegen, aber noch in der Nacht verkündete das Nationale Wahlinstitut eine Hochrechnung basierend auf der Auszählung von knapp 6.000 Wahllokalen landesweit mit einem Wahrscheinlichkeitsgrad von 95 Prozent: Danach erhielt Claudia Sheinbaum zwischen 58 und 60 Prozent der abgegebenen Stimmen, ihre Widersacherin der Allianz aus PAN, PRI und der PRD, Xóchitl Gálvez, zwischen 26 und 28 Prozent.

Gewalt im Wahlkampf – relativ ruhiger Wahltag

Viele sprachen bereits im Vorfeld von historischen Wahlen. Denn die jahrzehntelang regierende Partei der Institutionalisierten Revolution PRI hatte ein Wahlbündnis mit ihrem ehemaligen politischen Gegner, der konservativen „Acción Nacional“ (PAN) und der ursprünglich als linke Alternative zur PRI gegründeten PRD geschlossen. Historisch war aber auch die hohe Gewaltrate im Wahlkampf: Über 100 Kandidat*innen aller Parteien fielen Anschlägen zum Opfer, in der Regel auf Landkreis- oder Bezirksebene, wo sich bewaffnete Machtgruppen der organisierten Kriminalität im Verbund mit ihren Allierten aus Politik und Sicherheitskräften Einfluss und damit Schutz und Kooperation durch die Kandidaten erhofften. Sofern diese ablehnten, wurden sie umgebracht. In zwei Landkreisen in Chiapas, Pantelhó und Chicomuselo, wurden die Wahlen aufgrund der Unsicherheit und Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen abgesagt, knapp 61.000 Menschen konnten damit nicht wählen.

War das Vorfeld der Wahlen von Gewalt überschattet, verlief der Wahltag selber mehr oder minder ruhig: In einzelen Wahllokalen gingen Wahlscheine aus, oder sie öffneten mit Verspätung. Vor den Wahllokalen bildeten sich bereits am Morgen lange Schlangen von Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgeben wollten, obwohl es bedeutete, erneut an einem hitzerekordverdächtigen Tag auf die Stimmabgabe zu warten.

In sieben von neun Bundesstaaten, in denen die Gouverneure – analog den deutschen Ministerpräsidenten – gewählt wurden, konnten sich ebenfalls die Kandidat*innen von MORENA durchsetzen; lediglich in Jalisco gewann der Kandidat der dort bereits regierenden Partei, Movimiento Ciudadano, in Guanajuato die Alllianz aus PRI, PAN und PRD. Bei den Wahlen zum Senat und dem Abgeordnetenhaus – Mexiko hat ein Zwei-Kammer-System – wird die Regierungskoalition voraussichtlich in beiden Kammern die Mehrheit erzielen.

Ein weiteres Novum: Die „Grüne Partei“, in Allianz mit MORENA und der Arbeiterpartei PT, früher Stimmenlieferant der PRI, konnte bei diesen Wahlen mehr Stimmen erzielen als die vormalige „Staatspartei“ PRI. Noch ist unklar, ob die PRD ihren Parteistatus aufgrund der zu geringen Stimmenzahl verlieren wird.

Historische Wahlen

Historisch ist die Tatsache, dass Mexiko-Stadt in Zukunft erneut von einer Frau reagiert wird: Clara Brugada konnte sich gegen zwei männliche Kandidaten von PAN und der Partei Movimiento Ciudadano (MC) durchsetzen. Der Bundesstaat Morelos, Heimat des Revolutionshelden Emiliano Zapata, wird in Zukunft ebenfalls zum ersten Mal in seiner Geschichte von einer Frau – Margarita Saravia – regiert. Die Herausforderungen in diesem Bundesstaat mit seiner Hauptstadt Cuernavaca sind groß: Eine Zunahme organisierter Kriminalität ist dort seit Jahren zu verzeichnen.

Eine Frau als Gouverneurin eines Bundesstaates wurde in Mexiko erstmals im Jahr 1979 in Colima gewählt: Griselda Álvarez, Kandidatin der PRI und der Partido Socialista. 45 Jahre danach übernimmt nun zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau das Präsidentenamt. Volle Gleichberechtigung für die Frauen Mexikos, wie sie sich Griselda Álvarez erhoffte, ist nach wie vor eine Herausforderung für die neue Präsidentin, denn Gewalt gegen Frauen und deren Benachteiligung ist in vielen Belangen sehr präsent in Mexiko.  

Große Herausforderungen

Bestand haben wird die Politik einer Armutsreduktion und Korruptionsbekämpfung, der sich auch Andrés Manuel López Obrador verschrieben hatte. Allerdings blieben bislang eine juristische Verfolgung und Aufarbeitung entsprechender Fälle aus. Dem Thema einer dringend nötigen Justizreform wird sich die neue Präsidentin widmen müssen. Ebenso wie der effektiveren Bekämpfung der nach wie vor in vielen Bereichen herrschenden Korruption. Ein Element, die soziale Ungleichheit in Mexiko anzugehen, soziale,-, Gesundheits- und Energieprojekte zu finanzieren.

Die neue Regierung, die am 1. Oktober ihr Amt antreten wird, hat insbesondere beim Thema Menschenrechte eine Bringschuld. Die Probleme von tausenden von Verschwundenen, nicht identifizierten Leichen, Gewalt und Bedrohungen sowie Feminiziden sind bislang weit davon entfernt, gelöst zu werden. Ein Thema, das im Wahlkampf keine besondere Rolle spielte. Auch das Thema Sicherheit, mit dem die Kandidatin der Opposition zu punkten versuchte, hatte keine Auswirkungen auf das überraschend hoch ausgefallene Wahlergebnis zu Gunsten von Claudia Sheinbaum. Angesichts dessen wird es von besonderer Bedeutung für die weitere Arbeit zu Menschenrechten in Mexiko sein, genau zu analysieren, wie die Themen Menschenrechte und Gewalt – offenbar Randthemen in der politischen Debatte – in der politischen Mitte verortet werden können.

Claudia Sheinbaum wird zwar den Kurs ihres Vorgängers zur Unterstützung des staatlichen Ölkonzerns PEMEX und der Öl-Raffinierie Dos Bocas fortsetzen. Angesichts der Dürre in vielen Teilen Mexikos, einer Auswirkung der Klimakatastrophe, bleibt aber zu hoffen, dass die zukünftige Präsidentin als promovierte Physikerin und ehemaliges Mitglied im Klimarat (IPCC) alternative Energie- und Wasserschutzmaßnahmen vorantreiben wird.

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