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Ein Abend über Zivilgesellschaft – und Zuversicht

Wie wird man Teil eines lebendigen Organismus, der die Welt verändert? Indem man jenen zuhört, die sich bereits auf den Weg gemacht haben. Brot für die Welt und das Futurium haben eingeladen zu einem Abend, der Weltrettung erlebbar machte. Und es kamen Menschen, die sich für ihre Vorstellung von Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen – in Hongkong, Ghana und auf Lesbos.

Von Kai Schächtele am
Das Titelbild der Veranstaltung im Futurium

Über Zivilgesellschaft so zu sprechen, dass man selbst ein Teil davon werden möchte, ist in dieser Zeit, als würde man versuchen, freudvoll über den Zauber des Straßenverkehrs zu philosophieren. Eine Viertelstunde im Feierabendstau reicht, um schreiend davon laufen zu wollen – wenn man denn könnte. Mit dem sperrigen Begriff „Zivilgesellschaft“ ist es auf den ersten Blick nicht besser: Ein paar Klicks in einem x-beliebigen sozialen Netzwerk – und man möchte das Smartphone aus dem Fenster werfen.

Woher kommen also die Kraft und der Mut zum Handeln? Sie entstehen aus einem einfachen Perspektivwechsel. Verkehr ist kein abstraktes Gebilde. Man ist selbst immer Teil des Staus, über den man sich gerade beschwert. Und Zivilgesellschaft ist kein Organismus, der losgelöst wäre vom eigenen Denken und Tun.

Wer zu der Gesellschaft beitragen möchte, in der man selbst leben will, muss aussteigen aus dem Getöse und sich selbst auf den Weg machen. Dorthin, wo sich Menschen finden, die irgendwann entschieden haben, nicht länger tatenlos dabei zuzusehen, wie Gesellschaften ins Rutschen kommen.

Weltrettung ist kein Funsport

Solche Menschen hatten Brot für die Welt und das Futurium am 6. Dezember nach Berlin eingeladen. Unter dem Titel „Wanted! Starke Zivilgesellschaften“ erzählten sie, wohin ihr Zorn einerseits und der Glauben an eine andere Zukunft sie getragen haben: an die Spitze der Demokratie-Bewegung in Hongkong; auf die Insel Lesbos, um Geflüchteten beizustehen, deren Menschenrechte verletzt werden; ins Zentrum einer Bewegung von Ghana, die für die Zukunft junger Menschen auf dem afrikanischen Kontinent streitet.

Heraus kam dabei ein Abend, der eindrucksvoll zeigte: Ein Mensch allein kann die Welt nicht verändern. Aber er kann viele andere mit seiner Leidenschaft anstecken und sie ermuntern, Teil eines lebendigen Organismus zu werden. Weltrettung ist kein Funsport. Aber wer einmal angefangen hat, will nicht mehr damit aufhören. „Es ist naheliegend, verzweifelt zu sein“, sagt Nathan Law, der 30-jährige Hongkonger, dessen Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit ihn 2021 zur Flucht nach London zwang. „Aber keine Hoffnung zu haben, ist bescheuert.“

Zum Aktivismus gerufen

Law berichtet, wie es so weit kommen konnte. Mit Anfang 20 hatte er sich zum Repräsentanten seiner Universität wählen lassen. Sein Plan war, dieses Amt ein Jahr lang auszuüben. Doch dann erlebte er, wie seine Heimatstadt Hongkong immer unfreier wurde. Freunde, die die Regierung kritisierten, kamen ins Gefängnis. Und er erhob seine Stimme. „Ich hatte nie den Plan, eine öffentliche Figur zu werden“, erzählte er. „Aber die Zeit hat mich ausgewählt.“

Heute sind auf seine Verhaftung 100.000 Pfund ausgesetzt und er engagiert sich aus dem Exil für Bedingungen, die ihn irgendwann in seine Heimat zurückkehren lassen. Auch wenn das manchmal nervt: „Aktivist zu sein, ist nicht aufregend und bedeutet nicht, jeden Tag auf die Straße zu gehen, sondern oft einfach nur vor dem Computer zu sitzen.“

Wut als Motor

Isa Krischke stammt aus Spanien. Sie ist 26 Jahre alt und lebt seit sechs Jahren auf der griechischen Insel Lesbos. Dort dokumentiert sie, wie grundlegende Rechte von Menschen verletzt werden, die sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Europa machen. Sie tut das, weil es sie wütend macht, wie die EU nach ihrer Beobachtung ihre eigenen Werte verrät: Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde. „Wir erleben eine Erosion des Rechtsstaats: Es gibt Menschenrechtsverletzungen überall entlang der Balkanroute, aber niemanden, der dafür Verantwortung übernimmt“, sagt sie. Ähnliches passiert am Mittelmeer: „Maskierte ziehen Boote zurück ins Meer, um zu verhindern, dass Geflüchtete die Insel  erreichen.“

Und sie erlebt, wie auch diejenigen in Bedrängnis geraten, die sich für deren Rechte einsetzen. „Es wurden lächerliche Gesetze erlassen. Die erlauben zum Beispiel, uns der Spionage zu verdächtigen. Die griechische Regierung glaubt, wenn sie uns loswird, würden Menschen aufhören zu fliehen. Aber das wird nicht passieren.“

Kampf für Recht auf Bildung

Der Aktivismus des 24-jährigen Jeffrey Opoku aus Ghana begann an der High School. Er beobachtete einen 14-Jährigen, der Geld für Kinder sammelte, die unter einem Krieg in Somalia litten. Opoku war tief beeindruckt und fragte sich: Und was bedeutet das für mich? Also begann er sich zu informieren. Er lernte die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen kennen. Die wurden vor acht Jahren verabschiedet mit dem Ziel, bis 2030 weltweit die Armut zu überwinden, Gesundheit für alle zu ermöglichen und die Welt in eine nachhaltige Zukunft zu führen.

Opoku pickte sich Ziel 4 heraus – das Recht auf eine hochwertige Bildung  und startete das Projekt „Education 4 Adaptation“. Seitdem lernen Schülerinnen und Schülern, wie sie ihre Schule sauber halten können und selbst Teil einer nachhaltigen Zukunft werden. Diese Idee weitete sich bald auf das ganze Land aus. Er gründete die Sustainability Week Accra. „Ich glaube an die Kraft und die Schönheit gemeinsamen Handelns“, sagte er. Nur so sei es möglich, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen und sie daran zu erinnern, dass sie die Basis legen müssen für die Zukunft vor allem junger Menschen.

Zivilgesellschaft sind wir alle

Die drei Beispiele zeigen eine Dramatik, die von Deutschland aus betrachtet weit weg erscheint. Den beiden Fachfrauen zum Thema Zivilgesellschaft, Silke Pfeiffer von Brot für die Welt und Siri Hummel vom Maecenata-Institut, gelang der Brückenschlag: Für eine funktionierende Demokratie gelten weltweit dieselben Bedingungen. Sie braucht eine starke Zivilgesellschaft, die wachsam bleibt.

Dazu gehört laut Silke Pfeiffer auch die Form, in der wir debattieren: „In Deutschland erleben wir zur Zeit eine große Diskursverschiebung. Plötzlich wird in Europa das Recht auf Asyl in Frage gestellt, anstatt darüber zu sprechen, Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten zu unterstützen, mehr Wohnungen zu bauen und mehr Kitaplätze zu organisieren. Zivilgesellschaft sind wir alle. Und das beginnt schon dort, wo in Gesprächen gedankliche Grenzen verschoben werden.“

Nicht locker lassen, auch wenn es anstrengend wird, zugewandt bleiben und die Zuversicht nicht verlieren – mit diesem Auftrag entließ der Abend das Publikum in die Berliner Nacht.

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Lachender Junge

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