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Ausländische-Agenten-Gesetze: Was steckt dahinter?

Der Atlas der Zivilgesellschaft zeigt verschiedene Instrumente, mit denen Regierungen und andere Akteur:innen Zivilgesellschaft unterdrücken und einschränken. In der neuen Serie „Background Blogs zum Atlas“ vertiefen wir den Blick auf einzelne Instrumente und Hintergründe. In der ersten Ausgabe geht es um Ausländische-Agenten-Gesetze. Anlass ist ein kürzlich erlassenes Gesetz in Kirgisistan.

Von Christine Meissler am
Weltkarte des Atlas der Zivilgesellschaft 2024

Die Weltkarte des Atlas der Zivilgesellschaft 2024 zeigt, dass Freiheitsrechte in den meisten Ländern dieser Welt beschränkt werden.

Alle Proteste der kirgisischen Zivilgesellschaft, ausländischer Botschaften in Bischkek und Interventionen von UN-Expert:innen nutzten nichts: Mitte März 2024 nahm das kirgisische Parlament den vom russischen „Ausländische-Agenten-Gesetz“ inspirierten Gesetzesentwurf innerhalb von zwei Minuten und ohne jegliche Debatte in dritter und letzter Lesung an. Am 2. April unterzeichnete der Präsident das Gesetz, das somit rechtskräftig wurde.

Was bedeutet ein „Agenten-Gesetz“ für die Zivilgesellschaft?

Wie das russische Vorbild von 2012 schreibt das kirgisische Gesetz vor, dass Nichtregierungsorganisationen (NRO), die finanzielle Förderung aus dem Ausland erhalten und sich an „politischen Aktivitäten“ beteiligen, sich beim kirgisischen Justizministerium als „ausländische Vertreter“ registrieren lassen müssen. Außerdem müssen diese NRO alle erstellten Materialien durchgängig mit dem Hinweis versehen, dass sie „von einer nicht kommerziellen Organisation, die die Aufgaben eines ausländischen Agenten wahrnimmt, erstellt, verteilt und (oder) versandt wurden“. Problematisch ist vor allem, dass der Begriff „ausländischer Agent“ unterstellt, dass aus dem Ausland finanzierte NRO verräterische Aktivitäten im Dienste ausländischer Interessen ausüben. Außerdem ist die Definition von „politischer Tätigkeit“ im Entwurf so weit gefasst, dass Behörden die demokratisch wichtige Arbeit von NRO unmöglich machen können.

Russisches Vorbild – weltweite Zunahme

In den letzten Jahren hat die Anzahl der „Ausländischen-Agenten-Gesetze“ beziehungsweise der Versuche, solche Gesetze zu erlassen, weltweit zugenommen. Weitere Beispiele aus dem Jahr 2023 kurz zusammengefasst:
 

  • Ebenfalls nach russischem Vorbild wurde ein „Gesetz über ausländische Agenten“ in der Republika Srpska, dem serbischen Teil Bosnien-Herzegowinas, verabschiedet.
     
  • Auch wenn die sogenannte „Patriot Bill“ in Simbabwe einen anderen Namen trägt: Das Gesetz hat eine ähnliche Zielrichtung. Es stellt die „vorsätzliche Verletzung der Souveränität und nationaler Interessen Simbabwes“ unter Strafe. Die vagen Formulierungen können willkürlich gegen Menschenrechtsverteidiger:innen oder andere kritische Stimmen eingesetzt werden. Die Folgen: lange Haftstrafen oder Entzug des aktiven und passiven Wahlrechts. Internationale Lobbyarbeit insbesondere von Menschenrechtsorganisationen, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, werden damit unmöglich gemacht.
     
  • In Georgien war der Widerstand erfolgreich: Demonstrationen der Zivilgesellschaft im Frühjahr 2023, bei denen auch Partnerorganisationen von Brot für die Welt aktiv waren, verhinderten die Pläne für ein „Agenten-Gesetz“ dort vorerst. Im März 2024 legte die Regierungspartei „Georgischer Traum“ das gleiche Gesetz mit verändertem Titel erneut dem Parlament vor.

Warum Gesetze zu „ausländischen Agenten“ als Instrument gegen die Zivilgesellschaft?

Das Gesetz in Russland von 2012 hat vorgemacht, wie repressiv „Ausländische-Agenten-Gesetze“ sein können: Die Betroffenen müssen alle sechs Monate ausführliche Finanzübersichten und Berichte bei der Regierung einreichen und sich jährlichen Prüfungen unterziehen. Nicht nur die formalen Auflagen des russischen Gesetzes sind quasi nicht zu erfüllen, so dass viele zum Aufgeben gezwungen wurden. Durch das Agenten-Label werden NRO, ihre Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen stigmatisiert. Denn der Begriff stand in Zeiten der Sowjetunion für den „Feind“.

Es wird indiziert, dass sie dem Land und der Gesellschaft mit Hilfe von ausländischen Geldern bewusst Schaden zufügen wollen. In Russland verstärkten regierungsnahe Medien diesen Diskurs. Behörden und öffentliche Einrichtungen zogen sich aus der Zusammenarbeit zurück, ehrenamtliche Mitarbeitende verloren ihre Stellen. Organisationen und Aktivist:innen wurden marginalisiert, sie verloren an Unterstützung und Anerkennung und erhielten kaum noch Spenden aus der Bevölkerung. Unabhängige Medien verloren Werbepartner, ohne die sie aufgeben mussten. Nach dem Beginn des Ukrainekriegs wurde das russische Gesetz nochmals verschärft: Inzwischen können alle Organisationen oder Einzelpersonen zu „Agenten“ erklärt werden, die aus dem Ausland unterstützt werden; dazu reichen bereits Kontakte oder Einladungen ins Ausland.

Ursprünge in den USA?

Russland beruft sich darauf, dass die Ursprünge der „Ausländischen-Agenten-Gesetze“ in den USA liegen. Tatsächlich gibt es seit 1938 ein US-amerikanisches Gesetz mit dem Namen „Foreign Agent Registration Act“ (FARA). Es registriert „Agenten“, die im Auftrag ausländischer Regierungen, Parteien oder Institutionen tätig sind und politische oder wirtschaftliche Vorteile durch die Beeinflussung amerikanischer Entscheidungsprozesse anstreben.

Sie sind verpflichtet, ihre Finanzquellen und Ausgaben regelmäßig offen zu legen. Materialien müssen den Hinweis enthalten, dass sie im Auftrag einer ausländischen Rechtsperson erstellt wurden. Ursprünglich sollte das Gesetz kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Propaganda des faschistischen Deutschlands in den USA transparent werden lassen. Wichtigste Unterschiede zum russischen Gesetz: Es wird kaum angewendet und die Beweislast liegt bei den Justizbehörden und nicht wie in Russland bei NRO oder Medien. Trotzdem bleibt es ein problematisches Gesetz, auf das sich repressive Regierungen beziehen können.

Bald auch in der EU?

Weil sich vor allem vor Wahlen „Fake News“ inflationär verbreiten, um den Wahlausgang und politische Entscheidungen zu beeinflussen, will die EU dagegen vorgehen. Ein Sonderausschuss des Europäischen Parlaments schlug 2022 vor, ausländische Finanzierung von NRO auch in der EU zu beschränken. Dieser Vorschlag und die zu weit gefasste Definition, was eine ausländische Einmischung bedeutet, sind höchst problematisch. Denn ein mögliches „EU Foreign Interference Law“ wäre eine Gefahr für die Demokratie und die Handlungsräume der Zivilgesellschaft sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU.

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