Die Sonne brennt, es ist heiß und schwül, als uns Tuendy Vargas am Eingang seiner Bananenfarm empfängt. Wir sind in Mao City, es ist der dritte Tag unserer Reise in die Dominikanische Republik. Organisiert hat sie Fairtrade Deutschland für seine Mitgliedsorganisationen, darunter Brot für die Welt. Wir wollen mehr über den Anbau von Kakao und Bananen unter Fairtrade-Bedingungen vor Ort erfahren.
Preisdruck und Klimakrise
Tuendy Vargas ist 46 Jahre alt und damit eines der jüngsten Mitglieder der Bananenkooperative BANELINO. BANELINO wiederum ist eine der ältesten Bananenkooperativen in der Dominikanischen Republik. Das Land in der Karibik zählt zu den wichtigsten Exportländern von Bananen nach Europa. Die vergangenen Jahre waren schwer für die Kooperative und ihre Mitglieder wie Vargas, der 13 Personen beschäftigt. Der Preisdruck ist hoch und seit Jahren sinkt der Ertrag klimabedingt. Die zurückliegenden zwei Jahre waren besonders trocken.
BANELINO und andere Kooperativen stehen deshalb unter massivem Druck. In den vergangenen fünf Jahren haben etwa 15 Prozent der Kleinproduzent*innen im Land aufgegeben. Ohne den Fairen Handel wäre es wohl jede*r Zweite von ihnen gewesen, sagt Domingo López, stellvertretender Vorsitzender der Kooperative. Der arbeitsintensive Bananenanbau leidet unter fehlender Arbeitskraft. Viele junge Menschen verlassen die ländlichen Regionen und versuchen ihr Glück in Städten oder im Ausland.
Resilienz durch nachhaltige Anbaupraktiken und Diversifizierung
Dabei bietet der Faire Handel Perspektiven: höhere Einnahmen, Nachhaltigkeit, Qualifizierung. BANELINO etwa setzt auf hundert Prozent bio-fairen Anbau und nun auch verstärkt auf Diversifizierung durch den Anbau von Kakao, Kokosnüssen und weiteren Früchten sowie Hühnerhaltung und Honigproduktion. Das schützt die Menschen vor giftigen Pestiziden, aber auch die Böden und trägt zu einer höheren Klimaresilienz bei. Und es verbessert die Einkommen der Kleinproduzent*innen. So wird der Anbau auch für jüngere Generationen wieder attraktiver.
Mit der Fairtrade-Prämie unterstützt BANELINO außerdem mehrere Schulen, die Kinder der Produzent*innen, von deren Angestellten sowie Kinder aus den Gemeinden besuchen. Die Kooperative betreibt außerdem zwei Gesundheitszentren und mobile Gesundheitsstationen auf dem Land, wo die Gesundheitsversorgung besonders prekär ist. Vor allem haitianische Migrant*innen, die oft im Bananenanbau arbeiten, haben kaum Zugang zu einer angemessenen Versorgung über das Gesundheitssystem. „BANELINO übernimmt hier Aufgaben, denen der Staat nicht nachkommt“, so Domingo López.
Auch die besuchten Kakaokooperativen FUNDOPO, COOPROAGRO sowie CONACADO Agroindustrial leisten über die Prämien wichtige Dienste im sozialen, ökologischen und ökonomischen Bereich. Im Ort La Parcela etwa hat FUNDOPO zusammen mit den Kakaoproduzent*innen und Gemeindemitgliedern eine Wasserversorgung errichtet. Dadurch haben mehrere Gemeinden Zugang zu sauberem Wasser. Zuvor mussten sie dafür einen Fußweg von mehreren Stunden auf sich nehmen, erklärt uns die 73-jährige Estanilla Zunica, Mitglied der Kooperative.
Ein ganzheitlicher Ansatz – und lokale Wertschöpfung
Die Kakaokooperative COOPROAGRO – seit vielen Jahren auch ein wichtiger Partner der GEPA (die vor 50 Jahren von Brot für die Welt mitgegründet wurde) – führt Schulungen zu nachhaltigem Anbau und besserer Vermarktung durch. Die Bohnen werden in eigenen Anlagen gemeinschaftlich fermentiert und getrocknet. Die Kooperative plant, bis 2030 ganz auf dynamischen Agroforst umzustellen.
Bei CONACADO wiederum werden 20 Prozent des Rohkakaos zu Kakaobutter, Kakaopulver und Kakaonibs weiterverarbeitet – bald soll auch Schokolade hergestellt werden. Das ist besonders relevant, denn bis heute wird nur ein geringer Anteil der weltweit geernteten Kakaobohnen in den Ursprungsländern verarbeitet. Der allergrößte Teil der Wertschöpfung findet in Ländern des Globalen Nordens statt.
Die Kooperativen sind mehr als wirtschaftliche Zusammenschlüsse: Über die Verwendung der Prämien, die oft in Projekte fließen, die ganzen Gemeinden zugutekommen, entscheiden die Mitglieder demokratisch. Frauenförderung spielt eine zentrale Rolle: Bei BANELINO etwa sind 38 Prozent der Kleinproduzent*innen und 60 Prozent der Mitarbeitenden Frauen. Schulungen zu Verhandlungsstrategie und Betriebswirtschaft bereiten auf Führungspositionen vor, Programme zu „positiver Maskulinität“ binden Männer ein.
Grundsätzlicher Kurswechsel notwendig
Der Faire Handel übernimmt soziale und ökologische Verantwortung entlang von Lieferketten: transparente, langfristige Handelsbeziehungen, die Zahlung von Mindestpreisen und Prämien. Bei Bio-Produkten kommt außerdem ein Bio-Zuschlag hinzu. Doch noch immer sind die für die meisten Fairhandelsprodukte festgesetzten Mindestpreise oft nicht existenzsichernd für Kleinproduzent*innen und Arbeiter*innen (siehe weitere Informationen zu existenzsichernden Einkommen und Löhnen hier).
Auch hören wir bei unserem Besuch von vielen Kooperativen-Vertreter*innen den Appell: „Bitte kauft mehr fair erzeugte Produkte!“ Denn nur rund 75–80 Prozent der Ernte können zu Fair-Handels-Bedingungen verkauft werden. In Westafrika etwa, wo ein Großteil des weltweit konsumierten Kakaos angebaut wird, können die Kooperativen sogar oft nur 30 bis 40 Prozent ihrer fair erzeugten Kakao-Bohnen auch zu einem Fair-Handels-Preis verkaufen. Den Rest müssen sie auf dem konventionellen Markt veräußern, der von hochvolatilen Weltmarktpreisen geprägt ist.
Unser globales Wirtschaftssystem bevorzugt übermächtige Konzerne, die auf dem Rücken von Bäuer*innen, Arbeiter*innen, Lieferant*innen und Verbraucher*innen ihre Profite erhöhen. Es braucht daher gesetzliche Verpflichtungen, um den Schutz von Umwelt, Klima und Menschenrechten – einschließlich existenzsichernder Einkommen und Löhne – in Lieferketten zu gewährleisten. Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) und die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch das LkSG steht erneut unter Beschuss. Und die CSDDD droht aktuell, mit dem Argument des Bürokratieabbaus massiv abgeschwächt zu werden. Von einem wirksamen Schutz von Kleinproduzent*innen und Arbeiter*innen am Anfang globaler Lieferketten, wie ihn der Faire Handel zumindest teilweise sichert, sind wir noch weit entfernt.
Hier geht es zur Petition: „Nimm’s in die Hand: Rette mit uns das Lieferkettengesetz.“