Wer sich in Georgien für Menschenrechte einsetzt, riskiert viel – manchmal alles. Der Austausch, den ich kürzlich mit unseren Partnerorganisationen in Georgien hatte, hallt nach. Was die Vertreterinnen vor Ort mir über ihre aktuelle Situation berichten, lässt keinen Zweifel daran, dass die Räume für zivilgesellschaftliches Engagement immer enger werden. Und doch spüre ich in diesen Gesprächen vor allem eines: Mut. Es gibt Hoffnung. Und die feste Überzeugung, dass Veränderung möglich ist. Diese Haltung verdient unsere Unterstützung. Wenn Menschen unter schwierigen Bedingungen für Gerechtigkeit und Frieden arbeiten, dann ist es unsere Aufgabe, an ihrer Seite zu stehen. Auch, weil es bei der Lage in Georgien um eine Entwicklung geht, die uns alle betrifft.
Wenn politische Mitsprache verstummt
Was sich derzeit im Land abspielt, so formulierte es eine der Partnerinnen, sei Teil einer globalen Entwicklung: „Es ist wie eine Maschinerie, die sich gegen die Zivilgesellschaft richtet, in vielen Ländern gleichzeitig, mit wachsender Härte. Und die Maschine rollt weiter.“ In Georgien, das laut dem aktuellen „Atlas der Zivilgesellschaft“ von Brot für die Welt in der Kategorie „beschränkt“ eingeordnet wird, lässt sie Handlungsräume für zivilgesellschaftliches Engagement dramatisch schrumpfen, mit jedem neuen Gesetz, mit jeder Diffamierung, mit jeder Kontrolle. Besonders betroffen sind Organisationen, die sich für Demokratie, Frauenrechte und Frieden einsetzen.
Besonders alarmierend: Der Zugang zu politischen Entscheidungsträger*innen ist für viele NGOs inzwischen nahezu vollständig blockiert. Was früher möglich war, etwa das Mitwirken an politischen Programmen auf lokaler oder nationaler Ebene, ist heute weitgehend unterbunden. Partizipative Mechanismen seien systematisch abgeschafft worden, berichteten die Aktivistinnen. Die Folge: Stimmen aus der Zivilgesellschaft finden kaum noch Gehör.
Ein Gesetz schafft Angst
Ein zentrales Thema unseres Gesprächs war das sogenannte FARA-Gesetz – ein Gesetz, das Organisationen mit ausländischer Finanzierung zwingt, sich als „Agenten“ zu deklarieren. Nach russischem Vorbild konstruiert, schafft es ein Klima des Misstrauens. Die Regierung betreibe gezielte Propaganda, so eine der Frauen. NGOs würden öffentlich als Lügner diffamiert, ihre Arbeit als gefährlich dargestellt, ihre internationalen Partner als Drahtzieher bezichtigt. In mehreren Fällen sei es bereits zu Verhören, Strafzahlungen und systematischer Einschüchterung gekommen.
Besonders betroffen sind Gruppen, die ohnehin zu den verletzlichsten der Gesellschaft gehören. Das sind unter anderem Binnenvertriebene, Alleinerziehende, Frauen ohne Zugang zu Wohnraum oder Sozialleistungen. Aktivistinnen, die sich in ihren Gemeinden für bessere Lebensbedingungen einsetzen, riskieren ihre berufliche Existenz. Besonders in ländlichen Regionen, wo viele von ihnen in Kindergärten oder Schulen arbeiten. Die Angst, ihre Familien zu gefährden, bringt viele zum Schweigen.
Neue Wege, neue Stärke
Und doch war in dem Gespräch kaum Resignation zu spüren. Im Gegenteil: Die Frauen berichteten eindrucksvoll davon, wie sie neue Wege finden, ihre Arbeit auch jenseits von direkter politischer Einflussnahme fortzusetzen. Wo klassische Advocacy nicht mehr möglich ist, setzen sie auf Bildungsarbeit, wirtschaftliche Stärkung und lokale Selbstorganisation. Frauen werden ermutigt, kleine unternehmerische Initiativen zu gründen, Verantwortung für ihre Gemeinden zu übernehmen, neue Formen von Leadership zu entwickeln. All dies ist, das wurde deutlich, politisches Handeln. Es ist Widerstand in anderer Form.
Dabei spielt die Solidarität unter den Organisationen eine zentrale Rolle. Viele suchen nach Wegen, die Repression gemeinsam zu bewältigen. Sei es durch neue juristische Strategien, durch den Austausch bewährter Methoden, durch gegenseitige psychologische Unterstützung. Einige setzen weiterhin auf gewaltfreien Protest – mit Bedacht und dem festen Willen, niemanden in Gefahr zu bringen. „Wir sind Teil des Widerstands“, sagte eine der Aktivistinnen. „Aber wir tragen Verantwortung. Für uns. Und für die Frauen, mit denen wir arbeiten.“
Verlässlichkeit zählt – jetzt mehr denn je
Auch uns als unterstützende Organisation hat der Austausch wichtige Impulse gegeben. Denn die Herausforderungen liegen nicht nur auf georgischer Seite. Weltweit erleben wir, wie Entwicklungszusammenarbeit zunehmend unter politischen und ökonomischen Druck gerät. Wenn Mittel für langfristige Programme gekürzt werden, hat das Folgen. Vor allem für Regionen, in denen nachhaltige Strukturen dringend gebraucht werden.
Umso wichtiger ist es, dass wir als Brot für die Welt flexibel und verlässlich bleiben – im Denken, im Handeln, in der Förderung. Unsere Partnerorganisationen brauchen nicht nur kurzfristige Hilfe, sondern langfristige Stärkung: rechtlich, strategisch, emotional. Und sie brauchen internationale Stimmen, die sichtbar bleiben. Wir dürfen nicht still werden.