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Frauenrechte in Sierra Leone stärken

Heute ist der 25. November. Es ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Alarmierende aktuelle Zahlen zu Frauen, die durch ihre (Ex-)Partner, Brüder oder Väter ermordet wurden, fordern uns auf, uns in Deutschland und weltweit für die Rechte von Frauen und Mädchen zu engagieren. Wie das gehen kann, zeigen Partnerorganisationen des Zivilen Friedensdiensts in Sierra Leone.

Von Leon Schettler am
Aufklärungsposter The Fund for Global Human Rights

Aufklärungsposter The Fund for Global Human Rights über Gewalt an Frauen.

Gewalt an Frauen ist auch im Jahr 2025 noch ein endemisches Problem. Mehr als 80.000 Frauen sind im vergangenen Jahr laut einer Studie von UN Women Opfer von Femiziden geworden. Die meisten von ihnen wurden durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet. Femizid, das beschreibt die Ermordung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts und somit eine extreme Form geschlechtsspezifischer Gewalt. Zwar gibt es regional große Unterschiede, doch auch in Deutschland diskutieren wir aktuell zu Recht darüber, wie es sein kann, dass im Jahr 2024 laut Lagebericht des Bundeskriminalamtes noch immer 308 Frauen und Mädchen infolge von Gewalttaten durch ihre Brüder/Väter/Partner starben und die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt um 100.000 auf 266.000 steigen konnte.

Geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen ist ein Kontinuum und bleibt weltweit ein echtes Problem. Die Zahlen sind furchteinflößend: Mehr als 30 Prozent aller Frauen weltweit haben laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Laufe ihres Lebens Gewalt erfahren, die Dunkelziffer ist deutlich höher. Neben körperlicher und sexueller Gewalt haben auch psychische und emotionale Gewalt gravierende Folgen. Viele Frauen, die Gewalt erleben, haben danach Schwierigkeiten, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Sie leiden unter Depressionen, vereinsamen, verarmen – emotional und materiell. Häufig hat die Gewalt generationenübergreifende Auswirkungen auf die ganze Familie.

Dagegen müssen wir etwas tun – in Deutschland und weltweit. Man kann auch, wie unter anderem der Zivile Friedensdienst (ZFD) beweist!

Frauenrechte in Sierra Leone und Partnerorganisationen, die etwas verändern

Auf meiner Dienstreise in Sierra Leone gemeinsam mit dem BMZ, Engagement Global und Agiamondo durfte ich vergangene Woche ZFD Partnerorganisationen und Aktivist:innen treffen, die sich mutig und effektiv für die Rechte von Frauen einsetzen. Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt und belegt auf dem Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen (HDI) Platz 185 von 193 ausgewerteten Ländern. Der Women, Peace and Security Index bewertet die Gewalt gegen Frauen in einem Land – hier steht Sierra Leone auf Platz 138 von 177. Gewalt gegen Frauen, inklusive häuslicher und sexueller Gewalt, ist fest in Gesellschaft und Institutionen verankert. Anfang 2019 rief Präsident Maada Bio den nationalen Notstand aufgrund von sexualisierter Gewalt aus. Ausschlaggebender Vorfall war die grausame Mehrfachvergewaltigung eines 8-jährigen Mädchens. Etwa 83 % der Frauen und Mädchen im Alter von 15 bis 49 Jahren haben laut UNICEF eine Form weiblicher Genitalverstümmelung (FGM/C) erlebt; der Anteil an Mädchen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden, liegt bei 30%. Selbst dort, wo Gesetze Gewalt oder Diskriminierung verbieten, fehlt es häufig an Umsetzung oder Zugang zum Rechtssystem.

In diesem herausfordernden Kontext leisten die ZFD Partnerorganisationen von Brot für die Welt und Agiamondo in Sierra Leone beeindruckende, mutige und vielschichtige Arbeit für die Rechte von Frauen. Ihr Ansatz ist kultursensibel, strukturell durchdacht und stets auf nachhaltigen Wandel ausgerichtet. Die Arbeit findet dabei auf unterschiedlichen Ebenen statt und bindet verschiedene gesellschaftliche Autoritäten und Gruppen ein.

Arbeit in den Gemeinden und an kulturellen Normen

Ein Schwerpunkt liegt auf der Gemeinwesenarbeit: Die ZFD-Partnerorganisationen von Brot für die Welt und Agiamondo suchen gezielt den Dialog mit traditionellen Autoritäten wie den Chiefs auf Dorf- und Regionalebene bis hin zum Paramount-Chief. Die Arbeit mit religiösen Dachverbänden wie dem protestantischen Council of Churches Sierra Leone (CCSL) oder den katholischen Justice, Peace and Human Rights Commission (JPHRC) ermöglicht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch mit religiösen Führern, andere Organisationen wie MAGE (Men’s Association for Gender Equality) fokussieren auf die Arbeit mit Männern.

Der kultursensible Ansatz wird von diesen Partnern wie allen im Dachverband Forum Against Harmful Practices (FAHP) engagierten NGOs als unabdingbar bezeichnet: Präventions- und Interventionsmaßnahmen sind so gestaltet, dass sie die kulturellen Traditionen, Überzeugungen und sozialen Dynamiken in den Gemeinschaften anerkennen, aber nicht unkritisch übernehmen. Ziel ist, die Lebensrealitäten der Menschen zu verstehen, die Gründe für bestimmte Praktiken wie FGM nachzuvollziehen – und gemeinsam mit den Betroffenen Veränderungen anzustoßen. Während Maßnahmen von außen oft auf Widerstand stoßen, setzen die Partner auf Dialog und Empowerment statt Konfrontation und Stigmatisierung. Besonders deutlich wird der Ansatz bei der Entwicklung alternativer Rituale: In enger Zusammenarbeit mit Hebammen, Eltern und vor allem mit den Mädchen und Frauen selbst werden neue, gewaltfreie Rituale etabliert. Diese erfüllen weiterhin wichtige soziale Funktionen, etwa die Aufnahme junger Mädchen in die Gemeinschaft, verzichten aber auf gesundheitsschädliche Praktiken.

Berufsbildung als Schlüssel zu mehr Selbstwert und wirtschaftlicher Perspektive

Die Brot für die Welt Partnerorganisationen wie MADAM (Mankind Activities Development Accreditation Movement), SLOIC (Sierra Leone Opportunities Industrialization Centre) und SiLNorF (Sierra Leone Network on the Right to Food) bieten marginalisierten Jugendlichen und gerade auch von Gewalt betroffenen Mädchen praxisnahe, zertifizierte Ausbildungen in verschiedenen handwerklichen, handwerklich-technischen und landwirtschaftlichen Berufen an – vom Nähen und Kochen über Friseurhandwerk, Solarenergie und Mechanik bis zur umweltfreundlichen Landwirtschaft. Dabei geht es neben praktischen Skills stets um eine umfassende Stärkung der Mädchen und Frauen: Sie erfahren, welche Rechte sie haben, wie sie sich gegen Gewalt schützen können und entwickeln Mut, in traditionellen Strukturen ihre Stimme zu erheben.

Advocacy und strategische Prozessführung auf nationaler und internationaler Ebene

Neben der Arbeit auf Community-Ebene engagieren sich die Partner von Brot für die Welt und Agiamondo auch auf politischer und juristischer Ebene. So war bspw. der Agiamondo Partner WAVES (Women Against Violence and Exploitation) maßgeblich daran beteiligt, dass das Thema FGM auf die politische Agenda gelangte und in Gesetzgebungsprozesse eingebracht wurde. Hier gab es jüngst einen herben Rückschlag, denn es gelang trotz massiver Advocacy-Bemühungen nicht, ein ausdrückliches FGM-Verbot im neuen Child Care Act 2025 zu verankern.

Ein historischer Durchbruch aber gelang im Juli 2025 mit einer Klage vor dem Gerichtshof der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS): Zusammen mit anderen Frauenrechtsorganisationen unterstützten unsere Partner im Fall „Forum Against Harmful Practices and Others v. Republic of Sierra Leone“ eine Klage gegen den Staat Sierra Leone vor dem ECOWAS-Gericht. Anlass war der Fall von Ms. Kadijatu Balaima Allieu, die unter Zwang FGM durch die traditionsreiche „Bondo Society“, eine Art Geheimbund, erfuhr und bedroht sowie inhaftiert wurde. Die Ankläger:innen nahmen Bezug auf mehrere international anerkannte Menschenrechtsnormen, darunter die Afrikanische Charta der Menschenrechte und das Maputo Protokoll dieser. Das Urteil war ein Meilenstein im Kampf gegen Gewalt an Frauen in Westafrika: Das Gericht stellte klar, dass FGM als grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu werten ist. FGM sei eine Form von Folter, für die es keine kulturelle Rechtfertigung geben kann. Allgemein gehaltene Gesetze oder unverbindliche Versprechen reichten nicht aus, so das Gericht; der Staat müsse konkrete, durchsetzbare Gesetze schaffen, um Mädchen und Frauen zu schützen. Die Richter verurteilten Sierra Leone, forderten explizit ein Gesetz zum Verbot von FGM und sprachen Ms. Allieu eine Entschädigung zu. Wichtig ist dabei auch, dass das Urteil nicht nur einzelnen Betroffenen hilft, sondern auch strukturelle Veränderungen einfordert. Dies ist ein starkes Signal für die Rechte aller Frauen und Mädchen im Land und darüber hinaus.

Fazit

All dies zeigt: Der ZFD leistet in Sierra Leone eine beeindruckende und mutige Arbeit an der Seite von Frauen und Mädchen. Die Partnerorganisationen von Brot für die Welt und Agiamondo bekämpfen Gewalt nicht nur lokal, sondern auch mit politischem Druck und juristischer Ausdauer. Sie fördern gesellschaftliche Sensibilisierung und begleiten eine neue Generation starker, selbstbestimmter Frauen.

Die Umsetzung des Urteils steht im Übrigen aus und dürfte von der ECOWAS genau beäugt werden. Aktuell hat den ECOWAS Vorsitz: Julius Maada Bio, der Präsident von Sierra Leone. Eine Anfrage unserer Partner zum Stand der Umsetzung in Sierra Leone ist bereits bei ihm eingegangen.

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