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Honduras: Afro-indigene Gemeinde in Bedrängnis

Die afro-indigene Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz an der honduranischen Atlantikküste erreichte vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof ein Urteil zum Schutz ihres angestammten Territoriums. Getan hat sich wenig. Der Fall bekräftigt: Neue internationale Instrumente wie das Escazú-Abkommen werden nur Erfolg haben, wenn Mechanismen zu ihrer Umsetzung in der Realität auch greifen.

Von Gastautoren am
Familie

Familie an der Küste

Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz – Wenn internationale Instanzen und Abkommen auf die Realität stoßen

Ein Artikel von Gerold Schmidt

Gerold Schmidt ist freier Journalist und Übersetzer. Im Kontext des Escazú-Abkommens führte er mehrere Interviews mit Partnerorganisationen von Brot für die Welt zu den Themen Menschenrechtsverteidiger*innen, Umwelt, Naturressourcen und Rechte indigener und bäuerlicher Gemeinden.

Es ist nur ein kurzer Klick auf Google Maps, um die Umrisse der Landgemeinde Triunfo de la Cruz an der Atlantikküste von Honduras auf den Bildschirm zu laden. Sofort erscheinen neben der Landkarte gleich mehrere Hotelempfehlungen. Von kleineren Unterkünften bis zu Luxushotels: Das Angebot in der Umgebung der Hafenstadt Tela, zu der die Gemeinde Triunfo de la Cruz verwaltungsmäßig gehört, ist breit. Airbnb verspricht Übernachtungen ab 20 US-Dollar. „Genieße den Ozean und höre der Brise in Harmonie mit der Natur zu“, wirbt ein Gastgeber. „Komm, um Frieden und Ruhe zu finden“, preist ein anderer sein Domizil in unmittelbarer Strandnähe an. „Ein Platz zum Verweilen und Relax“, so ein dritter Anbieter. Kaum jemand der potentiellen Gäste wird wissen, dass die ebenfalls angepriesenen „paradiesischen Strände“ oftmals Gewalt und Angriffe für die einheimische afro-indigene Garífuna-Bevölkerung bedeutet haben. Seit Jahrzehnten muss sie sich gegen die Begehrlichkeiten von Tourismusunternehmen wehren. Nicht nur in der Gemeinde Triunfo de la Cruz. Denn die honduranische Atlantikküste, in dessen unmittelbarer Nähe die meisten Garífuna-Gemeinden seit über 200 Jahren angesiedelt sind, eignet sich aus Investor*innensicht hervorragend für Hafen-, Hotel- und Golfanlagen. Afro-indigene Gemeinden, die weiterhin vom Fischfang und Subsistenzlandwirtschaft mit Yucca-, Bananen- und Maniokanbau leben und ihr kulturelles Erbe bewahren wollen, stören da nur. Der Widerstand gegen versuchten und konsumierten Landraub auf ihren angestammten Territorien hat zahlreiche Todesopfer und Verschwundene unter den Garífunas gefordert. Von staatlichen Behörden und Sicherheitskräften können sie keine Hilfe erwarten. Im Gegenteil. Triunfo de la Cruz ist ein Beispiel dafür. Die schon vor 15 Jahren ausgesprochenen Empfehlungen der Interamerikanischen Menschensrechtskommission an den honduranischen Staat, ihre Landrechte zu respektieren, finden ebenso wenig Echo, wie das theoretisch rechtsverbindliche Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofes von 2015. Geschehen ist von staatlicher Seite… nichts.

Entführungsterror

Stattdessen erlebte die Gemeinde Triunfo de la Cruz, auf deren Territorium etwa 10 000 Menschen leben, am 18. Juli 2020 eine neue Horrorgeschichte. Eine Gruppe von mehr als zehn vermummten und bewaffneten Männern drang um 6 Uhr morgens in Jeeps und auf Motorrädern in die Ortschaft ein. Das Büro des UNO-Menschenrechtshochkommissariats in Honduras schreibt in seinem Jahresbericht 2020 sogar von einem über 30-köpfigen Kommando. Die deutsche Journalistin und Honduras-Expertin Erika Harzer berichtete zu dem Vorfall im Januar 2021 bei amnesty international: Die Männer „trugen Einsatzwesten der Ermittlungspolizei DPI. Gewaltsam verschleppten sie den Vorsitzenden des Gemeinderats Snider Centeno, Milton Martínez und Suami Mejía, die dem Landverteidigungskomitee angehören, sowie Gerardo Trochez. Ebenfalls entführt wurde Junior Juarez, ein enger Freund der Gemeinde… Jemand rief die Polizeibereitschaftsnummer 911 an, meldete dort den Überfall und bat um Hilfe. Mehr als 50 Minuten lang wütete das Überfallkommando in El Triunfo de la Cruz und durchsuchte ungestört sieben Häuser. Aus der zwölf Kilometer entfernten Polizeistation in Tela kam niemand zu Hilfe. Dann raste das Überfallkommando mit den fünf Männern aus dem Dorf.“ Harzer berichtet zudem davon, dass die in der Gemeinde installierten Sicherheitskameras genau zum Zeitpunkt des Überfalls nicht funktionierten. Zusammen mit der Untätigkeit der Polizisten in Tela erhärtet dies den Verdacht, dass kriminelle Polizisten die Aktion ausführten – in welchem Auftrag auch immer. Bis heute fehlt von den fünf Entführten jede Spur. Die staatlichen Behörden waren nicht in der Lage beziehungsweise nicht willens, effektive Ermittlungen durchzuführen. Snider Centeno und seine Mitstreiter hatten sich vor ihrer Entführung immer wieder für die Umsetzung des Urteils des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes und die Landrechte der Gemeinde eingesetzt.

Jahrzehntelanger Einsatz für Landrechte in kompliziertem Kontext

Landkonflikte auf dem Territorium von Triunfo de la Cruz gehen mindestens bis in die 1960er Jahre zurück. Unklare Grenzziehungen, ein fehlender offizieller kollektiver Landtitel für das von den Garífuna beanspruchte Gesamtareal, illegaler, aber von den Behörden in der Stadt Tela gedeckter Verkauf von Landstücken, die als gemeinsames Garífuna-Land gar nicht veräußerlich sein dürften, sowie der andauernde Versuch der Tourismusindustrie, auf dem Garífuna-Gebiet Fuß zu fassen, begünstigten die Streitigkeiten. Für die Gemeinde Triunfo de la Cruz war es in den letzten Jahrzehnten zudem wenig hilfreich, dass die karibische Atlantikküste ein Handelsweg für die Drogenkartelle ist, die sich Meeresrouten und Küstenstreifen streitig machen. Um die Lage weiter zu verkomplizieren, wird das Küstenhinterland als geeignet angesehen, Ölpalmen-Monokulturen anzulegen oder in größerem Ausmaß Viehzucht zu betreiben. Dies bedeutet ständigen Druck durch externe Interessengruppen, die sich Garífuna-Land aneignen wollen. Schließlich wächst die Stadt Tela immer weiter über ihre ehemaligen Grenzen hinaus. Bereits Ende der 1990er Jahre versprach die Stadt kommunalen Angestellten Land auf einem Gebiet, das die Garífuna als ihr Territorium ansehen. Im Jahr 2000 erklärte der honduranische Kongress zudem das Gebiet „Punta Izopo“ zum Naturpark. Das neue Schutzgebiet überlappt sich mit einem Teil des angestammten Territoriums von Triunfo de la Cruz. Das entsprechende Dekret zu Punta Izopo sprach zwar kein Zugangsverbot für die Garífuna aus, erlegte ihnen aber auf, sich „strikt“ an den Flächennutzungsplan zu halten. Ein weiteres Konfliktpotential.

Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofes

Da der honduranische Staat keinerlei Anstalten machte, den Garífunas von Triunfo de la Cruz ihre Landrechte zu garantieren, brachte die Garifuna-Organisation Ofraneh (Organización Fraternal Negra Hondureña) den Fall 2003 vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission. Der Ofraneh sind 46 Garífuna-Gemeinden angeschlossen. Seit über 40 Jahren setzt sich die Organisation für die kulturellen Rechte und den territorialen Schutz der Garífunas ein. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission ordnete 2006 staatliche Schutzmaßnahmen für Triunfo de la Cruz und Nachbargemeinden an. 2012 erließ sie ähnliche lautende Empfehlungen. Doch der Staat reagierte nicht darauf. In der Zwischenzeit gab es wiederholte Versuche, eine Parallelstruktur zum traditionellen Gemeinderat aufzubauen und Triunfo de la Cruz zu spalten. 2013 übergab die Kommission den Fall Triunfo de la Cruz an den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof. Im Rahmen der Anhörungen argumentierte die honduranische Regierung unter anderem damit, die Garífunas seien wegen ihrer afrostämmigen Herkunft keine indigene Bevölkerung und könnten daher kein angestammtes Territorium für sich geltend machen. Das Gericht lehnte dieses Argument rundweg ab. Es stellte im Gegenteil eine besondere Beziehung der Garífuna zum Boden, den natürlichen Ressourcen, dem Wald, dem Strand und dem Meer sowie weitere Merkmale fest, die sie eindeutig als indigenes Volk kennzeichnen. Nach einer Ortsbesichtigung im August 2015 sprach der Gerichtshof am 8. Oktober 2015 sein Urteil. Dieses war für die Garifuna von Triunfo de la Cruz eigentlich ein weitgehender Erfolg. Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof bemängelte die fehlenden kollektiven und kulturell angemessenen Landtitel. Er sprach die unklaren Grenzziehungen sowie den begrenzten Zugang der Garifunas zu ihren Territorien aufgrund der Schaffung von Naturschutzgebieten an. Das Gericht bestätigte die Vorwürfe fehlender Rechtssicherheit, erwähnte illegale Landbesetzungen und Vertreibung der Garífunas durch Dritte, sprach die fehlenden vorherigen Information und Konsultationen über geplante touristische Großprojekte, den illegalen Verkauf von Gemeindeland und die Bedrohungen durch staatliche Stellen an. Das Gericht nahm zudem explizit Bezug auf die Passagen der ILO-Konvention 169, die die Rechte der indigenen Völker erwähnen. Das Urteil verpflichtete den Staat neben einer Reihe weiterer Bestimmungen, das Territorium der Garífuna bis Ende 2017 eindeutig als Kollektivland zu kennzeichnen – mit dem erwähnten Ergebnis bis heute.

Kein Einzelfall, sondern ein Symptom

Unterdessen ist seit dem Oktober 2020 ein weiteres Verfahren vor dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof aus der unmittelbaren Region anhängig. Es betrifft die Garifuna-Gemeinde San Juan Tela, die sich auf der anderen Seite der Stadt Tela befindet. San Juan kämpft ebenfalls seit Jahrzehnten gegen die gleichen Probleme wie Triunfo de la Cruz. Dabei wechseln die Tourismusprojekte teilweise die Namen und möglicherweise auch die Investor*innen. Doch die Vorhaben bleiben bestehen. Fehlende Konsultationen und fehlende Informationen lassen die Garifunas bewusst in Unsicherheit. Der Fall der Gemeinde Triunfo de la Cruz ist symptomatisch. Nicht nur für die Behandlung der Garifunas in Honduras, sondern für die staatliche Haltung gegenüber kleinbäuerlichen und indigenen Bevölkerungen in vielen Ländern. Er macht verständlich, warum viele Organisationen in Lateinamerika ein neues Vertragswerk wie das Escazú-Abkommen zwar begrüßen, ihre Erwartungen aber eher bescheiden halten. So ratifizierte Honduras die ILO-Konvention 169. Das geschah 1994, seit Anfang 1995 ist die Konvention 169 in Honduras rechtsverbindlich in Kraft. In der Theorie schreibt die Konvention eine Reihe Konsultations- und Partizipationsmechanismen für die indigene Bevölkerung vor, wenn ihre Rechte und ihr Land von Vorhaben betroffen sind. Genauso bietet sie auf dem Papier eine Reihe von Schutzvorkehrungen gegen die illegale Landnahme. Doch die Realität steht dem häufig diametral entgegen – in Honduras und anderswo.

Eigene Untersuchungskommission der Ofraneh

Unterdessen hoffen die Bevölkerung von Triunfo de la Cruz und die Ofraneh, dass die fünf Verschwundenen doch noch lebend wieder auftauchen. Als Reaktion auf die staatliche Untätigkeit machte die Ofraneh am 18. Februar 2021 offiziell die Einrichtung des Garifuna-Komitees zur Ermittlung und Suche der Verschwundenen von Triunfo de la Cruz (SUNLA) bekannt. Das Komitee soll bei seiner Arbeit von mehr als einem Dutzend lateinamerikanischen Organisationen unterstützt werden. Auch die Vereinten Nationen und die Interamerikanische Menschenrechtskommission haben Hilfestellung zugesagt. „Wir sind müde von den Lügen, die die honduranische Regierung vor den internationalen Instanzen präsentiert“, wurde die Ofraneh-Koordinatorin Miriam Miranda deutlich. Die inzwischen international bekannte Menschenrechtlerin erhielt für ihre Arbeit mehrere Preise, darunter 2019 in Berlin den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung. Miranda weiter: „Wir wollen keine Lügen, wir wollen Wahrheit. Wir wissen, dass es ein Risiko ist, die Wahrheit zu sagen. Aber wir wissen auch, dass sie uns in diesem Land sonst nach und nach umbringen.“ Aus Sicherheitsgründen verschweigt das Komitee vorerst die Namen seiner aktiven Mitglieder.

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