Interview

„Wollt ihr euren Enkelinnen das wirklich antun?“

Mona Refat (38) arbeitet als Sozialarbeiterin für die Hilfsorganisation BLESS, Partnerorganisation von Brot für die Welt. In Workshops klärt sie über die Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung auf. Ihre Großmutter hatte sie einst beschneiden lassen – ohne dass ihre Eltern dies wussten.

Von Online-Redaktion am
Mona Refat (38) arbeitet als Sozialarbeiterin für BLESS.

Bricht das Schweigen: Mona Refat (38) arbeitet als Sozialarbeiterin für BLESS.

Frau Refat, sprechen die Menschen in Ihren Workshops heute anders über das Thema weibliche Genitalverstümmelung als noch vor sieben Jahren?

Ja! Früher hat man das Thema in Ägypten totgeschwiegen, obwohl es jede Frau und jedes Mädchen betraf. Oder man lächelte verlegen, sobald die Sprache darauf kam. Heute hingegen sind viele Teilnehmende der Workshops bereit, über Genitalverstümmelung und ihre Folgen zu diskutieren – wenngleich es den meisten sehr schwer fällt, über Sex zu sprechen. Heute wird auch offener als früher vor Beschneidungen gewarnt: nicht nur in den Sozialen Medien, im Fernsehen, in Schulen oder seitens der Regierung. Auch Verwandte oder Nachbarn melden sich häufig, wenn eine Familie die Beschneidung einer Tochter plant. Ich kann dann zu dieser nach Hause gehen, sie aufklären und im Idealfall umstimmen.

Schrecken nicht auch die Gesetze ab? Weibliche Genitalverstümmelung ist in Ägypten seit 2008 verboten und 2016 wurde das Strafmaß noch verschärft: Heute droht nicht nur Ärzten, die Mädchen beschneiden, sondern auch den Familienangehörigen bis zu sieben Jahre Haft ...

Schon. Aber die Meinung, dass Klitoris und Schamlippen etwas Schmutziges und nicht beschnittene Frauen enthemmt sind, hält sich hartnäckig. Mit Herz und Glauben halten viele Menschen an der schlimmen Praxis fest. Entsprechend lax wird das Gesetz umgesetzt und entsprechend unbehelligt bleiben viele Eltern, Hebammen und Ärzte. Manche Väter und Mütter nicken und stimmen zu, wenn man ihnen sagt, dass die Beschneidung die Rechte der Mädchen verletzt. Und dann fahren sie in den Ferien doch mit dem Kind nach Oberägypten – dort gibt es noch viele praktizierende Beschneiderinnen. Oder sie gehen – und das ist heute bei drei von vier Beschneidungender Fall – mit den Mädchen zu einem Arzt, der den Eingriff heimlich mit Betäubung und Skalpell vornimmt. Und gegen viel Geld: Früher zahlten sie dafür 150 ägyptische Pfund, umgerechnet etwa 7 Euro. Seit dem Verbot nehmen die Ärzte 1.000 Pfund.

Die Regierung hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, dass bis 2030 keine Mädchen mehr beschnitten werden. Was sind für Sie die größten Herausforderungen?

Am schwierigsten ist es bis heute, die Großmütter und Schwiegermütter zu überzeugen. Die Frauen dieser älteren Generation sind der Schlüssel! Aber sie bestehen oftmals auf eine Beschneidung – und begründen das mit Tradition und Moral. Ich erinnere sie dann an den Tag ihrer eigenen Beschneidung und frage sie: Wollt ihr euren Enkelinnen das wirklich antun? Habt ihr den Schmerz und den Schock etwa vergessen? Sie antworten und reagieren dann sehr unterschiedlich: Die einen gehen wütend weg. Andere beginnen zu reden und zu erzählen. Manche sprechen dann das erste Mal über das Erlebte, über ihre Wunden an Seele und Körper.

Und die Männer?

Die übernehmen bei den Christen oft nur die Meinung ihrer Mütter. Oder bei den Muslimen die ihrer Väter, Brüder und Freunde. Manche haben auch Angst vor dem Gerede der Kumpels, sollten die erfahren, dass die Ehefrau nicht beschnitten ist. Dennoch ist es manchmal leichter, Männer als Frauen zu überzeugen, die Beschneidung zu unterlassen. Bei Männern kann ich an den Verstand appellieren.

Wie machen Sie das?

Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Nehmen wir den Vater und Ehemann, der unbedingt will, dass seine Tochter beschnitten wird. Ich gehe dann zu ihm und sage ihm: Du weißt doch, was passiert. Dass deine Tochter große Schmerzen und Beschwerden, kein erfülltes Sexualleben und damit sehr wahrscheinlich auch eine unglückliche Ehe haben wird. Dass ihr künftiger Ehemann womöglich zu einer anderen Frau geht, weil seine eigene Frau nichts fühlt. Wenn er mir dann entgegnet, dass er aber eine tugendhafte Tochter haben möchte, sage ich ihm: Ob deine Tochter anständig und sittsam ist, hängt von ihren Gedanken ab, nicht von ihrem Körper. Lust lässt sich nicht einfach abschneiden, sie entsteht im Kopf. Wenn er dann immer noch darauf beharrt, dass Beschneidung Tradition und Regel ist, dann erwidere ich, dass wir heute viele Dinge sein lassen, die wir früher gemacht haben.

Und damit überzeugen Sie immer?

Nein, nicht immer. Auch wir erreichen nicht alle Männer und schaffen es nicht, alle zu einem Umdenken zu bewegen. Aber die meisten Männer ändern ihre Meinung – zumal sie als Ehepartner letztendlich ja auch unter den Folgen der Genitalverstümmelung leiden. Überzeugungsarbeit leiste ich aber vor allem, indem ich Eltern und Großeltern klar mache, dass weder die Bibel noch der Koran die Genitalverstümmelung vorschreiben. Kein Gott fordert das! Ich sage ihnen: Frag den Priester oder den Imam, die mit BLESS zusammenarbeiten! Die Leute hören darauf, was die beiden sagen.

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