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Gewerkschaft und Hilfswerke fordern Rohstoffwende

Die Corona-Krise macht deutlich: Globale Lieferketten sind nicht resilient. Die in Deutschland verwendeten Rohstoffe werden im Globalen Süden oftmals unter menschenunwürdigen und umweltzerstörerischen Bedingungen abgebaut. In einer Gemeinsamen Erklärung fordern Brot für die Welt, IG Metall und Misereor von Bundesregierung und Industrie verbindliche Leitplanken für Menschenrechte und Umweltschutz.

Von Sven Hilbig am

Die Corona-Krise hat uns vor Augen geführt, wie anfällig globale Lieferketten für externe Schocks sind. Die Folgen für die Beschäftigten in diesen Lieferketten sind dramatisch. In zahlreichen Ländern des Globalen Süden verfügen sie über keine soziale Absicherung. Viele Unternehmen sind derzeit damit beschäftigt, ihre Lieferketten resilienter zu gestalten, und von Regierungen im Norden werden Programme aufgelegt, um dies zu unterstützen.

Nach Ansicht von Brot für die Welt, Misereor und der IG Metall haben deutsche Industriebetriebe ein berechtigtes Interesse an einer sicheren Versorgung mit Rohstoffen. Eine gesicherte Rohstoffversorgung stellt für das Überleben vieler Betriebe und damit für den Erhalt von Arbeitsplätzen eine wichtige Voraussetzung dar. Zukunftstechnologien ändern nichts an dieser Abhängigkeit. Im Gegenteil. Das Internet der Dinge und vor allem die E-Mobilität werden die Nachfrage nach Lithium, Kupfer, Kobalt und weiteren metallischen Rohstoffen sogar noch weiter erhöhen.

Das berechtigte Anliegen der Rohstoffversorgung darf nicht um jeden Preis und zu Lasten von Mensch und Umwelt in den Abbauländern verfolgt werden. Brot für die Welt, die IG Metall und MISEREOR erwarten gerade jetzt von den deutschen Industrieunternehmen und von der Politik, dass sie bei allen Maßnahmen zur Rohstoffsicherung bestehende menschenrechtliche, arbeitsrechtliche und ökologische Standards anerkennen, einhalten und von ihren Lieferanten verpflichtend einfordern. Eine zukunftsfähige Rohstoffpolitik muss darüber hinaus den Herausforderungen unserer Zeit, wie Klimawandel, Übernutzung der Ressourcen, Zerstörung der Artenvielfalt und Ausbeutung der Meere, gerecht werden. Technologische Entwicklungen, wie der Ausbau erneuerbarer Energien und der Elektromobilität sowie die Digitalisierung, müssen diesem Ziel dienen. Sie müssen die Lasten für Mensch und Umwelt verringern - sowohl hier in Deutschland, als auch in den rohstoffreichen Regionen des globalen Südens.

Die drei Organisationen fordern daher in einer Gemeinsame Erklärung Leitplanken für Menschenrechte und Umweltschutz bei der Rohstoffsicherung ein. Sie erwarten von der Bundesregierung und der deutschen Industrie, dass sie die folgenden Prinzipien sieben Prinzipien als Leitplanken ihrer Rohstoffpolitik anerkennen und diese in konkrete Maßnahmen umsetzen:

Transparenz

Mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette ist eine erste wesentliche Voraussetzung, die Herkunft von Rohstoffen rückverfolgen und den Schutz von Umwelt und Menschenrechten überprüfen und sicherstellen zu können. Deutsche Industrieunternehmen sollten ihre Bemühungen fortführen und intensivieren, Transparenz entlang der gesamten Lieferkette herzustellen, insbesondere in Bezug auf risikobehaftete Rohstoffe. Unternehmen sollten EU-weit nach dem Vorbild der EU-Verordnung zu Konfliktmineralien verpflichtet werden, Transparenz in den Lieferketten für alle metallischen Rohstoffe herzustellen. Denn auch beim Abbau von Eisenerz aus Brasilien, Kupfer aus Peru, Platin aus Südafrika und seltenen Erden in China kommt es regelmäßig zu massiven Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden. Nach Möglichkeit sollten Unternehmen risikobehaftete Rohstoffe direkt von den Bergbauunternehmen beziehen, um den Einfluss auf die Abbaubedingungen zu erhöhen.

Partizipation

Die Bundesregierung ratifiziert die ILO-Konvention 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker und verpflichtet Unternehmen gesetzlich dazu, diese Vereinbarung einzuhalten. Bevor Rohstoffprojekte in Angriff genommen werden, muss somit die Partizipation der jeweiligen lokalen Bevölkerung gewährleistet werden. Das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (Free Prior and Informed Consent – FPIC), das in der Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation - ILO) festgeschrieben ist, muss ohne Abstriche gewährleistet werden. Ergebnisoffene Dialogprozesse müssen in den Abbaugebieten institutionalisiert werden, um gravierende Konflikte zwischen der Bevölkerung, den Unternehmen und dem Staat zu verhindern.

Lieferkettengesetz

Vor dem Hintergrund, dass viele deutsche Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht freiwillig nachkommen, bringt die Bundesregierung ein Gesetz zur menschenrechtlichen Sorgfalt in Wertschöpfungsketten („Lieferkettengesetz“) auf den Weg. Unternehmen werden dadurch verpflichtet, sich in einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte zu verpflichten, menschenrechtliche Risiko- und Folgenabschätzungen durchzuführen, Vorbeuge- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, transparent über Risiken und Maßnahmen zu berichten und Beschwerdemechanismen einzurichten. Bei Verstößen sollten Unternehmen mit einem Bußgeld belegt und von öffentlicher Förderung ausgeschlossen werden. Wenn sie über Tochterunternehmen oder Geschäftspartner im Ausland zu vorhersehbaren und vermeidbaren Menschenrechtsverletzungen beitragen, sollten sie auch in Deutschland zivilrechtlich dafür haftbar gemacht werden.

Level playing field

Auf EU-Ebene setzt sich die Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft 2020 für eine Regulierung ein, die alle EU-Mitgliedstaaten zur gesetzlichen Verankerung menschenrechtlicher und umweltbezogener Sorgfaltspflichten verpflichtet. Eine entsprechende Initiative hat EU-Justizkommissar Didier Reynders angekündigt. Auf die nationale Ebene beschränkte Initiativen sind keine ausreichende Antwort auf die Herausforderung globaler Wertschöpfungsketten. Ebenso unterstützt die Bundesregierung auf Ebene der Vereinten Nationen aktiv die laufenden Verhandlungen über ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten. Damit leistet sie einen Beitrag, für alle Unternehmen weltweit ein level playing field zu schaffen. Unternehmen, die Menschen- und Arbeitsrechte sowie Umweltstandards missachten, dürfen dadurch keinen Kosten- und Wettbewerbsvorteil erlangen.

Rechte von Arbeitnehmer*innen

Die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihrer Organisationen, wie sie in den ILO-Konventionen festgelegt sind, müssen in Rohstoffprojekten eingehalten sowie die Gründung und Arbeit von freien Gewerkschaften garantiert und gefördert werden. Die Rohstoffkonzerne werden aufgefordert, die bestmögliche Technik zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern anzuwenden.

Handels- und Investitionsschutzabkommen

Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass bereits vor Beginn von Verhandlungen zu Handels- und Investitionsschutzabkommen menschenrechtliche und ökologische Folgeabschätzungen durchgeführt und ihre Empfehlungen in den Verhandlungsmandaten berücksichtigt werden. Außerdem müssen in den Abkommen verbindliche Menschenrechts-, Arbeitsrechts-, Klima- und Umweltschutzklauseln verankert werden. Rohstoffreiche Staaten müssen zudem weiter das Recht haben, durch Exportzölle wichtige Einnahmen zu generieren, Exportmengen zu regulieren sowie die Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsauflagen gegenüber Bergbauunternehmen zu verbessern. Ihr politischer Gestaltungsspielraum darf durch Abkommen nicht eingeschränkt werden. Investoren erhalten keine Sonderbehandlung: Investor-State-Dispute-Settlement (ISDS)-Klauseln werden aus den Handels- und Investitionsabkommen ersatzlos gestrichen, damit Unternehmen nicht gegen ökologische, soziale und menschenrechtliche Auflagen der Regierungen klagen können.

Grenzen des Wachstums

Die Grenzen des Wachstums müssen in der deutschen und EU-Rohstoffpolitik stärker berücksichtigt werden. Rohstoffe sind nicht nur rein physisch begrenzt. Auch die Notwendigkeit zum Schutz von Klima, Umwelt, Menschen- und Arbeitsrechten begrenzt den Zugang zu Rohstoffen. Ein fundamentaler Politikwechsel hin zu einer zukunftsfähigen Rohstoffpolitik muss daher in sehr viel stärkerem Umfang als bisher auf eine Senkung des Rohstoffverbrauchs von derzeit 16 Tonnen pro Kopf auf ein verträgliches Maß (ca. 4 Tonnen pro Kopf) abzielen. Zur Erreichung dieses Ziels sind eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich wie z.B. Investitionen in ressourcenschonende Techniken, das Schließen von Stoffkreisläufen und das Ausschöpfen der Recyclingpotentiale im Rohstoffbereich. Produkte müssen reparatur- und recyclingfreundlich sein, die Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit von Produkten sollte gesetzlich verankert werden. Rohstoffintensive Produktions- und Konsumbereiche müssen schrittweise tiefgreifend umstrukturiert werden, z.B. im Bereich der Mobilität durch Förderung von ÖPNV.

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