Analyse

Gesundheit: Sicherheitsrisiko oder Menschenrecht?

Abwehrbereitschaft oder Prävention. Verteidigung oder Vorbeugung. Wie widersprüchliche Konzepte der globalen Gesundheitssicherheit und der öffentlichen Gesundheit die Reaktion auf die Covid-19-Pandemie prägen.

Von Mareike Haase am
Icon Gesundheit

Das Konzept der Globalen Gesundheitssicherheit (Global Health Security) ist seit einigen Jahren Teil des Diskurses, insbesondere seit dem Ausbruch des Ebola-Fiebers 2014 in Westafrika.

Grob gesagt geht es darum, die eigene Bevölkerung vor globalen Gesundheitsrisiken zu schützen, zum Beispiel vor grenzüberschreitenden Pandemien wie dem Ebola-Fieber, die wirksam "abgewehrt" oder "bekämpft" werden sollen. Krankheitsausbrüche werden dabei als Sicherheitsrisiko für die eigene Wirtschaft oder den Nationalstaat beschrieben und es werden Maßnahmen formuliert, um diese "Bedrohung" abzuwenden.

Weg von Bedürfnissen der Menschen – hin zur Risikoorientierung

Durch dieses sicherheitspolitische Framing besteht die Gefahr, dass Gesundheitsbelange nur dann als relevant angesehen werden, wenn ein globales Sicherheitsrisiko besteht. Andere Herausforderungen werden in Folge dessen marginalisiert: chronische, nicht-übertragbare Erkrankungen, soziale Aspekte von Gesundheit, wie Ausgrenzung durch Krankheit, schwache Gesundheitssysteme oder mangelnder Zugang zu Medikamenten in ärmeren Ländern. Die Prioritäten verlagern sich mehr und mehr von einem bedarfsorientierten zu einem risikoorientierten Ansatz. Es scheint, dass dabei Gesundheit weniger als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und individuelles Wohlergehen verstanden wird und auch weniger als ein Menschenrecht, das allen Menschen gleichermaßen zugestanden werden muss.

Durch Covid-19 geraten weitere Gesundheitsthemen aus dem Blick

Gegenwärtig, in der Covid-19-Pandemie, wird dieser Trend zu Global Health Security weiter verstärkt. So hat die Pandemie, fast ein Jahr nach dem Auftreten der ersten Fälle in China, alle gesundheitspolitischen Diskussionen und Maßnahmen fest im Griff. Andere Gesundheitsthemen werden überschattet – durch die Konzentration der begrenzten medizinischen Ressourcen auf die Pandemie und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit vielerorts, werden gar lebenswichtige Gesundheitsdienste unterbrochen. Viele Impfprogramme werden nicht mehr durchgeführt, HIV/ Aids-Behandlungen zurückgefahren, es werden weniger Malarianetze verteilt, die Geburtshilfe wird eingeschränkt - mit weitreichenden Folgen.

Dieser Krisenmodus erscheint notwendig: Die Pandemie betrifft uns ja schließlich alle. Gleichzeitig ist aber klar, dass das Virus dort die drastischsten Auswirkungen hat, wo es auf strukturelle Schwächen, auf krankmachende Umstände trifft. Denn von der Pandemie besonders betroffen sind Menschen, die sich aufgrund schlechter Arbeits- oder Lebensbedingungen nur schwer vor einer Ansteckung schützen können: weil sie sich kaum auf Distanz halten oder Hygiene-Maßnahmen umsetzen können, weil sie durch Mangelernährung gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind und weil sie keinen ausreichenden Zugang zu Gesundheitsdiensten haben.

Im Bewusstsein dieser Risikosituation wurden in vielen Ländern strenge Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie verhängt, mit drastischen Nebenwirkungen. Menschen, die von der Hand in den Mund leben, können ihren Tagelohn nicht verdienen, ihre Familien nicht ernähren, ihre Mieten nicht bezahlen. Soziale Sicherheitsnetze, in denen staatliche Unterstützung vor Einkommensverlusten schützt, gibt es in den meisten Ländern der Welt nicht.

Welche Rolle die Bedingungen spielen, unter denen wir leben

Wie Covid-19 heute, hat uns auch HIV/Aids bereits frühzeitig gelehrt, dass eine Infektion nicht vorrangig von der genetischen Veranlagung, sondern von sozioökonomischen Bedingungen abhängt, unter denen Menschen leben. Dies hat 2008 auch die Kommission für soziale Determinanten der Weltgesundheitsorganisation formuliert:

"Soziale Gerechtigkeit ist eine Frage von Leben und Tod. Ungleichheiten in der Gesundheit ergeben sich aus den Umständen, unter denen Menschen aufwachsen, leben, arbeiten und altern. Die Bedingungen, unter denen Menschen leben und sterben, werden von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kräften geprägt.“

Obwohl dies seit langem anerkannt ist, haben sich globale Gesundheitsansätze bisher vor allem auf kurzfristige und technische Lösungen konzentriert, wie die Bekämpfung bestimmter Krankheiten oder die Durchführung einzelner Impfprogramme. Es wurde zu wenig getan, um bestehende Konzepte wie Primary Health Care umzusetzen, um den zugrundeliegenden Ursachen von Krankheit zu begegnen. Und so vernachlässigen die Strategien der meisten Länder auch jetzt, während der Covid-19-Pandemie, strukturelle Prävention der Erkrankung und einen umfassenden Schutz besonders vulnerabler Gruppen. 

Ziehen wir die richtigen Lehren aus der Pandemie für die Zukunft?

Die ersten Lehren, die heute schon aus der Pandemie gezogen werden, zielen im Sinne einer Versicherheitlichung fast ausschließlich auf eine bessere Pandemievorsorge in Form von Impfungen und auf den Ausbau der Pandemiereaktionsfähigkeit ab. Infolgedessen werden gefährdete Gruppen auch bei zukünftigen Krankheitsausbrüchen größeren Risiken ausgesetzt sein.

Notwendig ist es nun, endlich Lebensbedingungen umfassend zu verbessern, so dass Menschen weniger den gesundheitlichen und den sozioökonomischen Gefahren einer Pandemie ausgesetzt sind. Darüber hinaus gilt es, Gesundheitssysteme insgesamt zu stärken, so dass mit einer Gesundheitskrise umgegangen und zugleich eine medizinische Regelversorgung aufrechterhalten werden kann. Schließlich müssen wir besser verstehen, weshalb Pandemien entstehen und Krankheitserreger - wie im Falle von Covid-19 aber auch zuvor bei Ebola - vermehrt über Tiere auf den Menschen übertragen werden. Tatsächlich führt uns die Pandemie vor Augen, wie eng unsere Gesundheit mit der unserer Umwelt verbunden ist und wie sehr das Verhältnis zwischen Mensch, Tier und Umwelt aus der Balance geraten ist.

Anlässlich des World Health Summits 2020 veranstaltete Brot für die Welt eine öffentliche Diskussion zum Thema Global Health Security, um Aspekte zu diskutieren, die kaum Raum innerhalb des World Health Summits erhielten. Dabei wurde analysiert, welche Auswirkungen Global Health Security auf die globale Gesundheitsgerechtigkeit hat und welche Kritik notwendig ist, um zu besseren Politikalternativen zu gelangen. Die englische Veranstaltung mit Rednerinnen aus den Bereichen Politikwissenschaft, Sozial-Epidemiologie und Public Health kann online angesehen werden.

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