Die Bundesregierung hat in den vergangenen zwei Jahren in der Migrationspolitik die Auslagerung von Flüchtlingsschutz und Migrationskontrolle vorangetrieben. Sie hat außerdem Programme zur Förderung von Rückkehr von MigrantInnen aus Deutschland in Herkunftsstaaten konzeptionell deutlich ausgeweitet und finanziell aufgestockt.
Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde in der Unterabteilung „Flucht und Migration“ ein ganzes Referat für Rückkehr eingerichtet. Das Bundesministerium des Inneren für Bau und Heimat und das BMZ kooperieren seit 2017 nach eigener Einschätzung „sehr erfolgreich“ im Programm „Perspektive Heimat“, das einerseits Rückkehranreize und –vorbereitung in bzw. aus Deutschland stärken soll und andererseits im Herkunftsland Reintegrationsmöglichkeiten verbessern soll.
Im Fokus des Programms stehen neben den Balkanstaaten, nord- und westafrikanischen Staaten auch Länder, die durch Unsicherheit und gewaltsame Konflikt gezeichnet sind. Darunter Irak und Afghanistan.
Während für restriktives Migrationsmanagement Mittel zur Verfügung gestellt werden, erfahren Ressourcen für Asylverfahrensberatung und Integration in Deutschland weniger Aufwuchs. In den Herkunftsländern wiederum drängt sich die Frage auf, ob die Förderung von Rückkehrenden aus Deutschland tatsächlich den Entwicklungsbedarfen der Partnerländer entspricht oder, ob es nicht vielmehr so ist, dass weniger Entwicklungsziele als innenpolitischen Ziele durchgesetzt werden sollen.
Brot für die Welt und die Diakonie Deutschland haben sich nun gemeinsam positioniert und kurz und knapp dargestellt, welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen gewährleistet sein sollten, um entwicklungsförderliche und menschenrechtsbasierte Rückkehr überhaupt zu gewährleisten.
Entwicklungszusammenarbeit sollte keine Begründung für Rückkehr sein
Entwicklungszusammenarbeit sollte nicht als Begründung für verstärkte Ausreisepolitik angeführt werden. Brot für die Welt sieht daher seine Rolle angesichts der aktuellen politischen Debatten in Deutschland auch darin, den inhaltlichen Austausch und Beratung über die Zusammenhänge und Möglichkeiten von Entwicklungszusammenarbeit und Rückkehr zu befördern und über die Erfahrungen von Partnerorganisationen aufzugreifen.
Die Brot für die Welt Perspektive auf Rückkehr
Rückkehr ist bei einem Großteil der Migrierenden zumindest anfangs Teil des Migrationsvorhabens. Ob und inwiefern eine Rückkehr ins Herkunftsland angestrebt wird, ist abhängig von verschiedenen Rahmenbedingungen, Interessen und Umständen des Einzelfalls. Migrantinnen und Migranten verfolgen durch die Migration meist legitime eigene Interessen, ohne deren Berücksichtigung staatliche Gestaltungs- und Steuerungsbemühungen in der Regel nicht erfolgreich sind.
Aus entwicklungspolitischer Perspektive können durch Rückkehrmigration positive politische, soziale und wirtschaftliche Impulse gesetzt werden, wenn Rückkehrerinnen und Rückkehrer im Ausland erworbenes Kapital, Kompetenzen oder Fachwissen produktiv in den Arbeitsmarkt des Herkunftslandes einbringen können oder wenn transnationale Kontakte für Zusammenarbeit genutzt werden können.
Es kann für den Herkunftsstaat aber auch eine zusätzliche Belastung darstellen, Rückkehrende aufzunehmen und bei der Reintegration zu unterstützen (Bsp. Afghanistan, das allein im vergangenen Jahr mehr als eine Millionen Menschen aus Pakistan aufgenommen hat).
Eine Rückkehr von Migrantinnen und Migranten in das Herkunftsland bedeutet außerdem den Verzicht bzw. das Ausbleiben von Rücküberweisungen, die teils höher ausfallen als die Entwicklungshilfegelder.
Was ist freiwillige Rückkehr?
Freiwillige Rückkehr erfolgt im Rahmen einer individuell von Anfang als zeitlich begrenzt geplanten Migration oder, wenn sich Migrierende, obwohl ein Verbleib im Ausland möglich wäre, für eine Rückkehr entscheiden. Als unfreiwillige Rückkehr wird also die Rückkehr von Menschen angesehen, die eine dauerhafte Migration beabsichtigten, aber sich gezwungen sehen, zurückzukehren.
Anders als im Sprachgebrauch der Bundesministerien ist damit auch eine Rückkehr mangels Aufenthalts- oder Bleiberecht, die nicht mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt wird, eine unfreiwillige Rückkehr, deren Nachhaltigkeit fragwürdig ist.
Entscheidend für eine individuelle Rückkehrentscheidung ist, wie attraktiv die Rückkehr in das Herkunftsland erscheint, ob überzeugende Reintegrationsangebote bestehen und ob Unterstützung bei der Arbeitsmarktreintegration erfolgt.
Erfolgreiche Rückkehrprogramme sind aufwändig, da sie einerseits auf den Einzelfall bezogen sind, jedoch gleichermaßen den wirtschaftlichen und sozialen und politischen Kontext berücksichtigen müssen.
Voraussetzungen, um Rückkehr positiv zu nutzen
In Entwicklungsländern sind Angebote, die Rückkehrende in Ausbildung oder Beschäftigung vermitteln oder bei wirtschaftlicher Selbständigkeit unterstützen, selten. Ebenso ist die formale Anerkennung von im Ausland erworbenen Fähigkeiten nach der Rückkehr oft nicht möglich oder langwierig und kostenintensiv. Im Zielland erworbene Sozial- und Rentenansprüche lassen sich häufig nicht oder nur eingeschränkt übertragen, was Reintegrationsperspektiven schmälern kann.
Projektförderungen von Brot für die Welt: Rückkehrpolitik sollte im Aufnahmeland einem menschenrechtsbasierten Ansatz folgen, indem den Verletzlichkeiten von Rückkehrenden und ihren Familien vorgebeugt und entgegengewirkt wird. Das bedeutet auch, vormalige Migrationsursachen, die aus Diskriminierung und Benachteiligung resultieren, zu überwinden, etwa indem der Zugang zu sozialen Grunddiensten gewährleistet wird. Gleichzeitig muss auch dafür Sorge getragen werden, dass Gemeinden im Rahmen von Rückkehrprogrammen nicht benachteiligt oder negativ durch Rückkehr beeinträchtigt werden.
Brot für die Welt unterstützt Projektpartner beispielsweise in Nachkriegssituationen, die sich dafür einsetzen, die Rückkehr von ehemaligen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen zu ermöglichen. Darüber hinaus gibt es Projekte, deren Maßnahmen darauf abzielen, MigrantInnen und Flüchtlingen zur Seite zu stehen, die unrechtmäßig und ohne Unterstützungsangebote zurückkehren mussten. In weiteren Projekten werden die rechtlichen Ansprüche der Arbeitsmigrantinnen und -migranten nach ihrer Rückkehr geltend gemacht, z.B. bei der Durchsetzung von im Ausland erworbenen Renten- oder Sozialversorgungsansprüchen oder dem Einklagen von Verantwortung für Rechtsverletzungen.
Die Projektmaßnahmen werden von Partnerorganisationen entwickelt und sind in Regionalstrategien von Brot für die Welt eingebettet. Sie richten sich nicht explizit an aus Deutschland zurückkehrende Personen, sondern nehmen vulnerable Gruppen in den Blick (bspw. Opfer von Menschenhandel). Die Projektpartner zielen in ihren Maßnahmen i.d.R. auf eine Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen oder die Bereitstellung von Grunddiensten für Rückkehrende.