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"Wir müssen aufwachen und den Hungernden helfen"

Marina Peter, Mitarbeiterin von Brot für die Welt, bereiste den Südsudan und Kenia. Sie kommt mit erschütternden Berichten über Hunger und Krieg zurück. Frau Peter warnt, dass die Weltgemeinschaft Geld und Hilfe in Bewegung setzen muss, sonst sind über drei Millionen Menschen durch Hunger bedroht.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Frau Peter, Sie waren im Südsudan und haben die Not der Menschen und den Hunger gesehen. Was können Sie berichten?

Ich war zuerst in der Provinz Equatoria und dort in der Hauptstadt Yei. Sie gleicht einer Geisterstadt, die meisten Menschen sind geflohen. Tausende verstecken sich vor Kämpfen, Plünderungen und Massakern in den umliegenden Wäldern, unerreicht von jedweder Hilfe. In Yei sind Lebensmittel sind völlig überteuert, weil sie eingeflogen werden müssen. Jeder erzählt, dass er höchstens  noch eine Mahlzeit am Tag hat. Ein Ei kostet umgerechnet drei Dollar, wenn es überhaupt eines gibt. Wie die Menschen überleben, kann ich mir gar nicht vorstellen.

Waren Sie auch in der Hauptstadt Juba?

Ja, wir haben selbst in Juba überall abgemagerte Leute gesehen. Frauen, die halb verhungerte Kinder im Arm haben, wühlen im Müll herum. Soldaten betteln, da sie keinen Sold mehr bekommen. Das ist ein doppeltes Gefahrenpotential, weil sie sich notfalls mit ihren Waffen etwas holen können. Es fühlt sich an wie die Ruhe vor dem Sturm, nur dass der Sturm längst da ist. Mit Einbruch der Dunkelheit bleibt jeder hinter verschlossenen Türen. Keiner ist sicher. Wer kann, bringt seine Familie raus aus der Hauptstadt.

Wie erreicht humanitäre Hilfe die Menschen?

Es ist eine zweischneidige Sache. Die Regierung hat die „Hungersnot“ ausgerufen und humanitäre Hilfe ist dringend erforderlich. Gleichzeitig verhindert sie Hilfslieferungen. Man kommt nirgends wohin. Als ich dort war, sind sechs Mitglieder einer Hilfsorganisation, darunter vier Kenianer, umgebracht worden. Die Regierung spricht von „unbekannten Bewaffneten“. Auch wenn es in diesem Fall noch eine Untersuchung geben wird, ist klar, dass Soldaten häufig die Täter bei solchen Übergriffen sind. Meistens zählen einheimische humanitäre Helfer zu den Opfern. Auch war geplant, dass  die Organisationen 10.000 Dollar für die Arbeitserlaubnis nur eines Mitarbeiters bezahlen sollen! So wird humanitäre Hilfe verhindert und Hunger als Waffe benutzt.  Auf der anderen Seite hat die Regierung neuerdings einen humanitären Korridor für Hilfsgüter erlaubt, die über den Sudan eingeführt werden und im Norden des Südsudan ankommen sollen. Es wird sich zeigen, ob das funktioniert und welche Interessen dahinter stehen.

Wie werden die Menschen auf dem Land versorgt?

Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen ist das „air dropping“ in einigen Gebieten die einzige Möglichkeit, die Menschen zu versorgen. Die Hilfsgüter werden aus der Luft abgeworfen. Das ist einerseits schwierig, weil die Menschen sich das irgendwo zusammensuchen müssen und man nicht weiß, wen die Hilfe erreicht. Aber vor allem ist es unglaublich teuer. Man braucht sehr viel Geld.

Wie groß ist das Ausmaß der Hungersnot?

Wenn man die Gebiete am Horn von Afrika mit berechnet, dann können es ganz schnell drei bis dreieinhalb Millionen Menschen werden, die von akuter Hungersnot bedroht sind. Darauf weisen die Vereinten Nationen und viele Hilfsorganisationen schon länger hin. Doch in der jetzigen Situation, in der man noch Menschenleben retten könnte, passiert nichts. Es kommt bei den UN-Organisationen und allen anderen viel zu wenig Geld an. Wenn es um andere Dinge geht, stehen schnell Milliarden Dollar zur Verfügung – das ist das Zynische. Es ist ganz deutlich, dass wir auf verschiedenen Ebenen hier vollständig versagen.

Inwieweit versagt die internationale Gemeinschaft?

Ich meine zunächst das humanitäre Versagen, im Südsudan und am ganzen Horn von Afrika rechtzeitig einzugreifen. Die Warnungen waren ja alle seit mindestens einem Jahr da! Und selbst jetzt noch - im letzten Moment - wacht die Weltgemeinschaft nicht auf. Wenn die Regenzeit einsetzt, kommen humanitäre Helfer nirgends mehr hin. Das Problem ist, dass es darüber keine Bilder gibt, man sieht es nicht! Meiner Meinung nach ist das ein Skandal sondergleichen. Dass wir im Jahr 2017 wieder so eine Situation haben, nach all den Verpflichtungen und Verträgen der internationalen Gemeinschaft und nach all den hehren Worten… Ich weiß nicht, wie dass jemand einmal seinen Kindern oder Enkelkindern erklären will, was da jetzt abläuft.

Was können Sie noch von der Situation in der Region, am Horn von Afrika, berichten?

Aus Eritrea bekommen wir leider gar keine Meldungen, weil dort kaum eine Organisation Partner haben kann und die Regierung darüber schweigt. Wir gehen aber davon aus, dass die Hungersnot dort genauso schlimm ist wie in Somalia. Ich selbst habe den Norden Kenias bereist, wo die Dürre sehr ausgeprägt ist. Die Massai haben ihre Herden bereits in die Hauptstadt Nairobi gebracht, wo die Tiere natürlich auch nichts finden. Ich habe auch gesehen, dass Wildtiere auf der Suche nach etwas Essbarem aus ihren Gehegen ausgebrochen sind. Überall wird nur noch über die Dürre gesprochen.  Besonders im Norden und im Westen Kenias leiden die Menschen akut unter Hunger. Es ist bereits zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Farmern und Viehhaltern gekommen. Die Pastoralisten suchen mit ihren Tieren verzweifelt Weideflächen und lassen sie in den Feldern der Bauern grasen, was natürlich zu erheblichen Spannungen führt. Es gibt Provinzen, die für einen größeren Teil der Bevölkerung Vorräte angelegt und andere, die nicht vorgesorgt haben. Bei den einen ist es furchtbar knapp, aber sie kommen irgendwie damit hin und bei anderen geht gar nichts mehr. In Nairobi ist das Wasser bereits streng rationiert. Es hat zwar jetzt angefangen zu regnen, aber nach den Vorhersagen wird es zu wenig regnen. Auf der ganzen Linie kommt viel zu wenig humanitäre Hilfe an und viel zu spät.

Welche Rolle spielt die Dürre im Südsudan?

Im Südsudan gibt es dieselben Probleme, doch treten sie aufgrund der Kriegssituation noch verschärfter auf. Weil die Bauern ihre Felder wegen der Sicherheitslage nicht mehr bestellen können, ist der Boden völlig ausgedörrt. Durch die starken Erosionen kann er in der Regenzeit kein Wasser aufnehmen, was dann wiederum zu Überflutungen führt. Dazu kommt, dass Wälder mit Edel- und Teakhölzern von Kriegsgewinnlern weitläufig abgeholzt werden. Ich habe beispielsweise gesehen, wie ugandische Truppen, die im Südsudan einen Sonderstatus haben, mit einem Konvoi von Edelhölzern aus bestimmten Gebieten herausgefahren sind. Solche Geschäfte liefen nach Berichten der traditionellen Führer schon im Krieg davor so ab – also seit Anfang der 2000er Jahre. In diesen abgeholzten Regionen bleibt auch der Regen aus, die Erosion des Bodens und die Verwüstung nehmen zu. Damit verdienen einzelne Geschäftsleute und Militärs aus dem Südsudan und aus den Nachbarländern. Dürre gepaart mit Krieg sind also im Südsudan Gründe für die akute Hungersnot.

Informationen über unsere Hilfe:

Unsere Schwesterorganisation Diakonie Katastrophenhilfe ist mit ihren lokalen Partnerorganisationen im Südsudan, Somalia, Kenia und Äthiopien vor Ort und versorgt die Menschen mit Lebensmitteln, Saatgut und Zugang zu sauberem Trinkwasser. Neben der Nothilfe werden die Menschen zudem in der Vorsorge unterstützt. Dabei geht es insbesondere darum, Wissen zu vermitteln, wie Landwirtschaft trotz schwierigen klimatischen Bedingungen möglich ist.

 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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