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Migration ist ein Entwicklungsmotor

In Berlin findet eine Staatenkonferenz mit 130 Delegationen und zivilgesellschaftlichen Vertretern statt, das Global Forum on Migration and Development. Sophia Wirsching von Brot für die Welt erklärt, warum das Forum eine große Chance für ein gutes Regelwerk ist und was sie von Deutschland erwartet.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Das Global Forum on Migration and Development wurde von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, es befasst sich mit dem Zusammenhang von Migration und Entwicklung. Aber nicht nur. Um was geht es diesmal?

Die Vereinten Nationen (UN) haben im September 2016 in der „Erklärung von New York“ beschlossen, bis Ende 2018 zwei „Global Compacts“ auszuarbeiten und dem GFMD kommt dabei eine wichtige Rolle bei der Erreichung dieser Zielmarke zu. Ein „Global Compact“ befasst sich mit Migration und ein komplementärer Global Compact mit Flucht. Letzterer wird auf dem humanitären Völkerrecht und der Genfer Flüchtlingskonvention aufbauen. Für den Compact zu Migration ist es weniger klar, wir hoffen, dass die Konventionen der internalen Arbeitsorganisation für Arbeitsmigrantinnen und -migranten bekräftigt werden und, dass auch die Inhalter der UN-Wanderarbeitnehmerkonvention zum Tragen kommen. Auch die migrationsrelevanten Ziele der Agenda 2030 sollten eine Grundlage für den „Global Compact“ sein.

Warum ist so ein UN- Migrationsregime so wichtig?

Angesicht von 244 Millionen Migrantinnen und Migranten weltweit ist jeder Staat von internationalen Wanderungsbewegungen erfasst. Die Konventionen der UN und der ILO zum Schutz der Rechte von Migrantinnen und Migranten wurden von den Staaten nicht in ausreichender Zahl ratifiziert oder unzureichend umgesetzt. Es klaffen Lücken in der internationalen Gestaltung von Migration. Diese wird bisher vornehmlich an den Interessen der Zielländer ausgerichtet, also von ihnen ermöglicht oder eingeschränkt je nach Arbeitsmarktbedarf, demografischen Entwicklungen, gesellschaftlicher Akzeptanz und anderen Faktoren.

Was erwarten Sie von so einem Global Compact?

Wir erwarten, dass der Migrant und die Migrantin ins Zentrum einer menschenrechtsbasierten Migrationspolitik gerückt wird. Der Compact sollte auf den bereits bestehenden Menschenrechtskonventionen aufbauen und den nachhaltigen Entwicklungszielen dienen, die in der UN- Agenda 2030 festgeschrieben sind. Wir unterstützen auch, dass sich Migrantenorganisationen als Entwicklungsakteure ganz aktiv bei der Ausarbeitung dieser normativen Standards beteiligen können. Brot für die Welt nimmt im Rahmen des kirchlichen Netzwerkes „Churches Witnessing Migrants“ und als Mitgliedsorganisation von VENRO (Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.) an diesem Verhandlungsprozess im Rahmen der Civil Society Days teil. 

Was erhoffen Sie sich von der Bundesregierung, die ja den Vorsitz zusammen mit Marokko bei der Konferenz hat? 

Wenn die Regierungsvertreter im GFMD die Forderungen von Peter Sutherland, dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter zum Thema „Migration“  aufgreifen und sie in die „Global Compact“ mit einspeisen, dann ist das aus Sicht von Brot für die Welt ein erfolgreicher Prozess. Auch der deutsche Botschafter Götz Schmidt-Bremme hatte sich den 16 Forderungen angeschlossen, die im sogenannten Sutherland-Report im Februar dieses Jahres veröffentlicht worden sind. Die Forderungen berühren eine breite Themenpalette – von der Dringlichkeit, die Situation von Migrantinnen und Migranten in Krisensituationen zu verbessern bis hin zur Idee, die Gebühren für Rücküberweisungen in Heimatregionen zu senken.

Wirkt diese Konferenz auch auf die innenpolitische Situation hier?

Bundesregierung sollte die Konferenz auch nutzen und aufzeigen, dass Migration per se kein Problem darstellt. Migration ist etwas Normales und jeder Mensch hat das Recht, zu bleiben oder zu gehen. Mehr noch: Migration setzt wichtige Impulse für die Entwicklung von Herkunfts- und Zielländer der Migranten. Anhand zahlreicher Beispiele und Fakten lässt sich den Vorurteilen gegenüber Migrantinnen und Migranten in der deutschen Gesellschaft etwas entgegen setzen. So machen Remittances, also Gelder, die Arbeitsmigranten in ihre Herkunftregionen zurücküberweisen ein Vielfaches der staatlichen Entwicklungsgelder aus. Der deutsche Arbeitsmarkt ist schon längst zunehmend auf Migrantinnen und Migranten angewiesen. Wenn Migration legal, sicher und informiert stattfindet, profitieren alle und Migration wird zum Entwicklungsmotor. Ein Global Compact sollte insofern auch gering Qualifizierten eine Chance eröffnen, in die EU einzureisen und das Recht auf Familiennachzug für Arbeitsmigrantinnen und –migranten stärken. Wir möchten erreichen, dass auch Einreise-, Aufenthalts- und Beschäftigungsregelungen für Menschen ohne Papiere gestärkt werden.

Nennen Sie mal ein Beispiel, was in so einem Compact konkret stehen könnte?

Beispielsweise könnte darin festgeschrieben stehen, dass Rekrutierungsagenturen nur noch lizensiert arbeiten sollen, um Transparenz herzustellen und den Schutz der Migranten zu garantieren. Es soll verhindert werden, dass Agenturen Jobs unter falschen Maßgaben versprechen oder überteuerte Gebühren erheben, die zur Abhängigkeit und Verschuldung von Migranten führen. Die Anwerbegebühren sollte der Arbeitgeber tragen, nicht der Arbeitnehmer. Das wäre ein ganz konkretes Beispiel.

In welchem Bereich muss Deutschland migrationspolitisch aufholen?

Wir sprechen uns dafür aus, dass die Bundesregierung die UN Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen ratifiziert. Hier ist auch das Recht verbrieft, Migranten und Migrantinnen ohne Papiere Zugang zu Gesundheitsversorgung, Arbeit und Bildung zu gewähren. Deutschland kann hier ein Signal setzen. Man muss mit dem „Global Compact“ nicht bei Null anfangen, sondern mit bestehenden Standards verknüpfen. Dazu gehören auch die migrationsrelevanten Konventionen der ILO[swi1] . Darüber hinaus sollte sich Deutschland innerhalb der EU dafür stark machen, dass Entwicklungshilfe nicht an Auflagen und Abkommen geknüpft wird, damit Herkunfts- und Transitländern Migration in die EU begrenzen und eindämmen. Das ist eine sehr gefährliche aktuelle Entwicklung, der die Bundesregierung etwas entgegensetzen muss. Das GFMD sollte ein anderes Narrativ von Migration etablieren und nach außen kommunizieren. In diesem Sinne fordern wir, die positive Wechselwirkung zwischen Migration und Entwicklung durch eine entsprechende Entwicklungszusammenarbeit zu fördern und Ursachen für erzwungene Migration und Flucht zu mindern.

Was hat das Global Forum on Development and Migration seit 2006 gemacht, nachdem es vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen wurde?

Bisher konzentrierte sich das Global Forum on Development and Migration darauf, „Good Practices“ für bilaterale Projekte zu Migration zwischen Staaten zu diskutieren. Nach über 10 Jahren gilt es als beispielgebend für stockende, schwierige Themen, die innerhalb der Vereinten Nationen nicht vorankommen und deshalb in weniger verbindliche Formate ausgelagert wurden. In diesen Raum für Dialog konnte auch die Zivilgesellschaft Stück für Stück weiter vordringen. Dieser Raum ist ein nicht zu unterschätzender Bestandteil für das Vertrauen, das Staaten ineinander benötigen, um kooperative, konstruktive Politik zu vereinbaren.

Können Sie uns Beispiele für die verhandelten Projekte nennen?

Es geht beispielsweise um finanzielle Förderungen und Instrumente, durch die die Zielländer Rücküberweisungen von Migranten flankieren und steuern können, damit sie entwicklungspolitisch gewinnbringend eingesetzt werden, beispielsweise als Investition in die Bildung ihrer Kinder. Oder es wird über „Ausbildungspartnerschaften“ diskutiert. Durch sie lassen sich entweder Rückkehroptionen von migrierten Fachkräften und Akademikern verbessern oder man investiert direkt in die Ausbildung von Menschen im Herkunftsland als eine Kompensationsleistung. Mit diesen Ausbildungspartnerschaften will man etwas gegen die Effekte des sogenannten „brain-drain“ tun, wenn gut ausgebildete Fachkräfte und Akademiker durch den Arbeitsmarktbedarf in den besser bezahlten Zielländern ihre Heimat verlassen und es dadurch zu massiven Versorgungsengpässen kommt.

Als ein Beispiel von „Good Practices“ führt die Bundesregierung auch ein Abkommen über philippinische Migranten an, die in Deutschland im Pflegebereich arbeiten. Man spricht hier von einer Triple-Win-Situation für alle Beteiligten. Deutschland möchte seinen wachsenden Bedarf an Pflegekräften decken, der Arbeitsmarkt der Herkunftsländer wird entlastet und der Arbeitsaufenthalt der Migranten wird durch Visavereinbarungen, durch festgeschriebene Arbeitsrechte, Arbeitsschutz und Sozialversicherungsleistungen klar reguliert.

 

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