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Klimawandel und Migration der Ärmsten im Tschad

Wenn Wasser knapp wird, Böden verdorren, Verwüstung zunimmt, dann haben Viehirten und Bauern keine Lebensgrundlage mehr. Klimawandel betrifft Millionen Menschen in Afrika. Hindou Ibrahim, Koordinatorin einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, beschreibt die Flucht vor Klimawandel im Tschad.

Von Ehemalige Mitarbeitende am

Was sind die Folgen des Klimawandels im Tschad?

Hindou Oumarou Ibrahim, Koordinatorin Frauenorganisation, N'Djamena Tschad: Die Jahreszeiten haben sich verändert. Seit drei bis fünf Jahren haben wir so gut wie keine Regenzeit mehr. Es regnet viel unregelmäßiger und weniger, nur zwei bis drei Monate und im Süden maximal sechs Monate im Jahr. Es fällt zwar auch Starkregen auf völlig vertrocknete Böden, aber dann ist es wieder zu trocken.

Normalerweise sinken die Temperaturen in der kalten Jahreszeit nachts auf 10°Celsius, aber heutzutage kühlt es nicht mehr ab. Es wird immer heißer - im April bis zu 48°Celsius in den Städten und in der Wüste über 50°Celsius. Unter diesen Bedingungen können weder Bauern noch Viehhirten arbeiten und leben.

Wie wirkt sich das auf das Leben vor Ort aus?

Hindou Oumarou Ibrahim: Das Leben von Männern und Frauen verändert sich sehr unterschiedlich. Wenn der Klimawandel die Lebensgrundlagen zerstört, haben Männer keine andere Chance als wegzugehen. Es handelt sich also nicht mehr um saisonale Migration, sondern um ständige Migration entweder in eine andere Region oder in Länder wie Libyen, in Richtung Nordafrika oder Richtung Europa. Mit diesen Zielen migrieren Menschen aus dem Tschad, aber auch aus Mali, dem Niger, Senegal oder Nigeria.

Frauen bleiben meistens zurück und sind doppelt belastet, denn sie müssen die Kinder durchbringen. Gleichzeitig machen sich zunehmend junge Frauen im arbeitsfähigen Alter auf den Weg in die großen Städte, um ein Auskommen zu finden. Auch das ist ein neues Phänomen der klimabedingten Migration.

Die schleichende Verschlechterung der Lebensbedingungen wirkt sich auch auf die Sicherheitssituation aus. Beispielsweise erhält eine Terrororganisation wie Boko Haram dadurch Auftrieb. Denn junge Männer lassen sich anwerben und akzeptieren jedwede Bedingungen, um sich und ihren Familien neue Einkommensquellen zu erschließen. Diese angespannte Sicherheitslage führt dann wiederum zu neuen Fluchtbewegungen.

Es gibt also andere Migrationsbewegungen als früher?

Hindou Oumarou Ibrahim: Früher sind die ausgebildeten jungen Leute auf der Suche nach einer Chance und einem Job weggegangen. Heute verlassen auch Menschen ohne Schulausbildung ihre Heimat, weil sie einfach kein Auskommen mehr finden, auch weil die Konkurrenz um Arbeit größer geworden ist. Mittlerweile gehen sogar Frauen und Familien mit. Die Männer gehen, um Verantwortung für ihre Familien zu übernehmen und ihre Würde zu behalten. Sie wollen Geld nach Hause schicken, aber eines Tages wieder zurückkehren. Migration ist also nicht nur für Zielländer ein Thema, sondern auch für die Zurückgebliebenen, die auf Nachrichten von ihren Angehörigen warten und auf Überweisungen angewiesen sind.

Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt noch, vor Ort zu bleiben und Perspektiven zu entwickeln?

Hindou Oumarou Ibrahim: Das ist schwierig, weil sich der Klimawandel mit der übermäßigen Hitze und dem unregelmäßigen Regen nicht einfach stoppen lässt. Wir haben das natürliche Gleichgewicht zerstört und es lässt sich nicht schnell wieder aufbauen. Auch die Konkurrenz um natürliche Ressourcen wird weiter zunehmen.

Trotzdem müssen Männer wie auch Frauen in die Lage versetzt werden, sich alternative Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. Bauern und Viehzüchter können durch Landmarkierungen, Bewässerungssysteme oder besseren Zugang zu Märkten für ihre  Produkte unterstützt werden. Die Frauen müssen in die Lage versetzt werden, durch Handel zum Einkommen der Familie beizutragen. Nur so können die Einheimischen in ihren Kommunen bleiben und eigentlich will niemand weggehen.

Wie arbeitet Ihre NGO in den Kommunen?

Hindou Oumarou Ibrahim: Einerseits bestärken wir die Menschen darin, für ihre Rechte einzutreten und Ressourcen besser zu nutzen, die ihnen geblieben sind. Andererseits setzen wir uns für eine Politik ein, die die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen abzumildern versucht. Wir brauchen Programme, damit wir uns besser an das veränderte Klima anpassen können und die verbleibenden natürlichen Ressourcen schonen. Wir fordern auch, dass die betroffenen Gemeinden bei solchen Programmentwicklungen ein Mitspracherecht haben und vor allen Dingen unterstützt werden.

Wie wichtig ist für Sie die Partnerschaft mit Brot für die Welt?

Hindou Oumarou Ibrahim: Mit der Hilfe von Brot für die Welt können wir Kommunen darin unterstützen, Ideen zu entwickeln und das umzusetzen, was sie wirklich wollen. Nur dann werden sie aktiv, schützen ihre natürlichen Ressourcen und bauen sich eine Bleibeperspektive auf. Es geht darum, die Dagebliebenen zu schützen und erfolgreich Programme in unseren Ländern durchzuführen.

Was erwarten Sie von der deutschen Regierung?

Hindou Oumarou Ibrahim: Auf den Klimakonferenzen sprechen wir nicht wirklich darüber, dass Migration eine Folge von Umweltzerstörung und Klimawandel ist. Die deutsche Regierung könnte eine völkerrechtliche Lösung initiieren. Es geht um Fragen von Kompensationen sowie um Schutz und die westliche Welt hat die finanziellen und technischen Möglichkeiten dafür. Und es geht darum, dass die Industrieländer technisch dazu beitragen, damit wir unser Land aufbauen, unsere natürlichen Ressourcen schützen und die Menschen dableiben können.

Wie sollte der Westen mit der Migration umgehen?

Hindou Oumarou Ibrahim: Man kann die Menschen nicht daran hindern, ihr Land zu verlassen. Da hätte man früher etwas unternehmen müssen. Die Industriestaaten müssen solidarisch mit den betroffenen Ländern sein und dafür sorgen, dass sich die Menschen in Würde auch bei ihnen niederlassen können. Dafür sind die Industrieländer verantwortlich, weil sie alles mit verursacht haben. Sie müssen helfen, die Probleme zu lösen, doch auch wir müssen uns anstrengen soviel wir können. Migration lässt sich begrenzen, aber komplett wird sie nicht verschwinden. Wenn wir jetzt nicht gemeinsam Lösungen angehen, werden immer mehr Menschen zwangsweise weggehen.

 

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