Als er mit 14 Jahren in die siebte Klasse gekommen ist, hat er kaum gelacht und so gewirkt, als ob er in seiner eigenen Welt eingeschlossen wäre. Obaidehs Leistungen waren so schlecht, dass er in eine Sonderklasse wechseln musste. Auch die Gebärdensprache beherrschte der gehörlose Junge kaum. Im Laufe des Schuljahres blühte er jedoch auf im Internat des „Holy Land Institute for the Deaf“ (HLID).
Die Gehörlosenschule wurde vor mehr als 50 Jahren von der „Episcopal Church in Jerusalem and the Middle East“ gegründet. Es war das erste Institut in Jordanien für Kinder mit Behinderungen. „Wir glauben an eine Welt, in der alle als gleichwertig zu betrachten sind, sowohl in den Augen der Menschen als auch in den Augen des Schöpfers, des Herrn, unseres Gottes “, lautet das Credo der Partnerorganisation von Brot für die Welt. Diese hat sich seit den Anfängen immer weiter vergrößert und weiterentwickelt. Inzwischen sind mehr als ein Dutzend Abteilungen unter dem Dach von HLID. Dazu gehören die Schule für gehörlose und taubblinde Menschen, ein Internat, die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie die Betreuung gehörloser Kinder in Gemeinden.
Eine weitere Komponente der Tätigkeit ist die gezielte Förderung jordanischer Jugendlicher mit Hörbehinderungen. Durch eine Berufsausbildung sollen sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Im Durchschnitt nehmen rund 40 Schülerinnen und Schüler an der Berufsausbildung teil. Sie können Automechaniker oder Metallarbeiter werden, Teppichweberin oder Kinderbetreuerin. Ziel ist es, die Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. HLID hat aber auch zum Ziel, in den Nachbarländern die Aus- und Fortbildung für Gehörlose zu etablieren. Eine weitere Komponente ist nämlich ein Fortbildungsinstitut für Lehrerinnen und Lehrer sowie Assistenzlehrerinnen und –lehrer. Auch gehörlose Mitarbeitende nehmen daran teil. Das Ausbildungsprogramm besuchen jährlich bis zu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Der Hauptstandort der Abteilung ist zwar Jordanien.
Kurse werden aber auch im Irak, in Ägypten oder im Westjordanland angeboten. Die Lehrkräfte dort lernen neue Methoden, Theorien und Ideen kennen. Damit erhalten sie neue Impulse für ihre Arbeit, nachdem sie oft jahrzehntelang an keinen Fortbildungen mehr teilnehmen konnten. Angesichts der vielen Menschen, die aus Syrien fliehen mussten, startete HLID 2013 im Flüchtlingslager Zaatari gemeinsam mit der gastgebenden Gemeinde Programme für Menschen mit Behinderungen. Die Vorschularbeit für Kinder mit Behinderungen wurde auf ein weiteres Flüchtlingslager ausgeweitet, das Camp Azraq. Es sei wichtig, dass die Kinder nicht entscheidende Jahre des Lernens verpassen, betonen die Verantwortlichen bei HLID.
Für die Vorschularbeit wurden 25 junge syrische Frauen und Männern zu Assistenzlehrerinnen und –lehrern ausgebildet. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass sie im Falle der späteren Rückkehr in ihre Heimat mit dem erworbenen Knowhow die ehemaligen Schulen für Kinder mit Behinderungen mit aufbauen können.
Ansprechpartner: Lutz Wollziefer
Kontakt: asien@brot-fuer-die-welt.de