In Frankreich rollt seit zwei Wochen der Ball. Und in ganz Europa sitzen Menschen zusammen vor Fernsehern, Leinwänden und Radios und verfolgen, was ihre Lieblingsmannschaft auf dem Platz so anstellt. Mit der KO-Runde beginnt der wirklich spannende Teil des Wettbewerbs. Dann entscheidet ein Spiel über Weiterkommen oder Heimreise. Doch gerade dann macht das Zuschauen eigentlich nur Spaß, wenn es fair zugeht.
Was wäre Fußball ohne Regeln?
Denn seien wir doch ehrlich: Kaum ein Mensch freut sich wirklich darüber, wenn ein Team nur deshalb weiterkommt, weil es die fähigsten Schwalbenkönige in seinen Reihen hat. Oder über jemanden, der in einem unbeobachteten Moment seinen Gegenspieler mit dem Ellbogen niederstreckt und dann den Ball ins Tor schiebt. Zum Glück gibt es solche unbeobachteten Momente auf dem Platz dank Schiedsrichter samt Assistenten und der Superzeitlupe kaum mehr. Bleibt ein übler Regelverstoß im Spiel ungeahndet, kann ein Spieler auch nachträglich noch gesperrt werden. Und es wird ja schon länger diskutiert, ob man nicht doch den Videobeweis einführen sollte, um wirklich jeden Irrtum zu vermeiden.
Beim Fußball geht es also genau nach Regeln zu. Da zählt jeder Millimeter, wenn es um Abseits geht. Im Welthandel dagegen gilt oft das Gegenteil. Verfechter der freien Wirtschaft sind sich sicher, dass der Markt und die Balance aus Angebot und Nachfrage von selbst alles zum Besten regeln.
Man stelle sich ein völlig regelfreies Fußballspiel vor. Ein Spiel, bei dem jeder Tritt erlaubt ist. Wer möchte dabei schon gern auf dem Platz stehen!
Schwalbenkönige gibt's auch in der Wirtschaft
Bräuchten wir nicht auch in der Wirtschaft klare Regeln, wann Abseits ist? Bräuchten wir nicht manchmal die ökonomische - oder besser: die ökologische und soziale - Superzeitlupe, die Regelverstöße klar ersichtlich macht? Denn solange wir eine solche Transparenz nicht haben, verwundert es kaum, dass sich unter den Spekulanten und Investoren unserer Zeit leider nur allzu oft die Schwalbenkönige der Wirtschaftswelt tummeln. Und dass die Schwachen gewissermaßen regelmäßig von den Starken vom Spielfeld getreten werden.
Das ist möglich, weil in der Weltwirtschaft, anders als auf dem grünen Rasen, kaum jemand ganz genau hinschaut. Der Faire Handel dagegen will genau das erreichen. Er will zeigen, dass es auch anders geht: transparent, gerecht und mit vielen Gewinnern. Klar, den Welthandel zu verändern dauert länger als 90 Minuten. Auch länger als 120 Minuten plus Elfmeterschießen. Aber gerade durch die Langfristigkeit werden im Fairen Handel die Schwachen, die sonst keine Chance auf dem Spielfeld der Ökonomie haben, zu Gewinnern. Und legen wir doch mal die Hand aufs Herz: Waren und sind wir nicht bei der EM alle auch ein bißchen für Island und Wales?
Machen Sie ein faires Public Viewing
Fußball verbindet und begeistert. Fairer Handel will und kann das auch - wenn sich möglichst viele an ihm beteiligen. Ein EM-Spiel ist daher eine hervorragende Gelegenheit, zu zeigen, dass es nicht nur auf dem Spielfeld fair und transparent zugehen sollte, sondern auch in der Welt der globalen Warenströme. Und deshalb gleich ein kleiner Vorschlag.
Wie wäre es mit einem Fair Public Viewing im Verein, in der Gemeinde oder im Bekanntenkreis? Man kann zum Beispiel eine Torwand aufbauen und darauf mit fair gehandelten Fußbällen schiessen. Man kann alle Gäste ihr individuelles Trikot gestalten lassen - fair gehandelte T-Shirts finden sich inzwischen in allen Farben. Und natürlich kann man fair gehandelten Kaffee, Limo und Wein anbieten, fair gehandelte Snacks wie Schokolade, Nüsse, Chips, Oliven dazu reichen und vieles mehr.
Und wenn jemand fragt: "Warum das Ganze? Was hat das mit Fußball zu tun?" Dann kann man hervorragend darüber diskutieren, warum wir auf dem Platz immer genau hinschauen, wenn es um Fairness geht - aber im Supermarkt auch gern mal zu den Foul-Produkten greifen. Wenn er dann endlich kommt, der Anpfiff, bleibt nur zu hoffen, dass wirklich das beste Team mit Fairplay den Pott holt. Vielleicht schaffen es ja wieder Jogis Jungs! Aber wer weiß, vielleicht macht das Rennen ja diesmal auch Belgien - oder sogar Island? Oder Wales?