Brot für die Welt begrüßt die rasche Aufnahme neuer Verhandlungen sowie das rasche Zustandekommen eines neuen Friedensabkommens ausdrücklich. Der neue Friedensvertrag wurde am 24. November 2016 in Bogotá unterzeichnet und soll nicht erneut einer Volksabstimmung unterworfen werden. Viele der von den Verfechtern der "Nein-Kampagne" unter Ex-Präsident Uribe eingebrachten Punkte wurden berücksichtigt, führten aber nicht zu der von ihm geforderten tiefgreifenden Überarbeitung des Abkommens, weshalb er und seine Partei „Centro democrático“ das neue Abkommen weiterhin ablehnen.
Präsident Santos: „Ein besseres Friedensabkommen“
Das neue Abkommen sichert der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) für die Wahlperioden 2018 und 2022 weiterhin Sitze sowohl im Unterhaus des Parlaments als auch im Senat zu, wenngleich ihre Wahlkreise in den am stärksten vom Konflikt beeinflussten Zonen eingeschränkt werden. Der Forderung Uribes, das Übergangsjustizsystem komplett zu streichen, wurde nicht stattgegeben, allerdings wurde es verwässert, indem nun ausschließlich kolumbianische Richter in das Tribunal berufen werden sollen und das Verfassungsgericht die Entscheidungen des Tribunals überprüfen und sogar ablehnen kann.
Damit, so Vertreter der Indigenenorganisation ACIN, würde ein wichtiges Instrument zur Unabhängigkeit des Übergangsjustizsystems unterwandert und Korruption und Vetternwirtschaft sowie Straflosigkeit gegenüber staatlichen, militärischen oder auch paramilitärischen Akteuren Tür und Tor geöffnet.
ACIN: Landrechte im neuen Vertrag unklar formuliert
Für die Partnerorganisation ACIN sind neben dem Thema Justizsystem vor allem Änderungen im Bereich Land/ländliche Entwicklung bedenklich: So lassen die Formulierungen in diesem Kapitel befürchten, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft gegenüber der agroindustriellen Produktion deutlich im Nachteil sein wird, da nun von „integraler ländlichen Entwicklung“ gesprochen wird, die eher der Vision einer groß angelegten agroindustriellen Produktion folgt, die kleinbäuerliche (Land-)Wirtschaft isoliert und damit bedeutungslos erscheinen lässt.
Dass der Schutz des Privateigentums nun im Vertrag mehrfach genannt und „am verfassungsmäßigen Recht auf Privateigentum“ nicht gerüttelt werde, ist grundsätzlich positiv, allerdings fragen sich die Vertreter ACINs, was mit all dem Land geschieht, das über teilweise undurchsichtige Wege von Großgrundbesitzern „erworben“ wurde und von dem zumindest teilweise angenommen werden kann, dass es sich dabei um das Land von Vertriebenen handelt.
Fraglich bleibt damit auch, woher die für die (Um-)Verteilung an Landlose oder von ihrem Land Vertriebenen vorgesehenen drei Millionen Hektar kommen sollen, wenn einerseits Privatbesitz auch in Fällen zweifelhafter Herkunft nicht hinterfragt wird und gleichzeitig staatliche Flächen auch für die geplanten ZIDRES (Sonderproduktionszonen für agroindustrielle Produktion) vorgesehen sind.
Einer weiteren Änderung im Bereich Landreform zufolge wird den Autoritäten die alleinige Entscheidungsmacht über die (Um-)Verteilung der vorgesehenen drei Millionen Hektar zugesprochen. Lokale Gemeinden haben zwar die Möglichkeit, an den Prozessen teilzunehmen, darüber entscheiden können sie jedoch nicht.
Reparationsleistungen durch die FARC wurden gekürzt
Auch die finanzielle Beteiligung der FARC an den Reparationsleistungen für die Opfer wurde erneut präzisiert und ihre Finanzierung als zukünftige Partei um 30 Prozent gegenüber dem „alten Vertrag“ gekürzt. Organisationen der Zivilgesellschaft können nicht als Anklagende agieren, ihre Rolle wird auf die Einreichung von Informationen oder Beweisen begrenzt.
Schließlich wurde auch den Bedenken vieler - vor allem evangelikaler - Kirchen bezüglich einer vermeintlichen Bevorzugung von LGBTI-Gruppen stattgegeben und der Text an missverständlichen Stellen präzisiert. Insgesamt wird betont, dass Frauen besonders unter dem Konflikt leiden oder gelitten haben und ihre Rechte als Opfer besonders geschützt werden sollen.
Eine besonders besorgniserregende Entwicklung ist die zunehmende Bedrohung von und Aggressionen gegenüber bäuerlichen, indigenen, afrokolumbianischen, kirchlichen oder anderen sozialen Führungspersonen und Menschenrechtsverteidiger/innen durch (neo-)paramilitärische und kriminelle Gruppen. Allein 2016 wurden 71 soziale Führungspersonen und Menschenrechtsverteidiger/innen ermordet, und solange Präsident Santos dies nicht ändern und diese Menschen nicht wirksam schützen kann, kann es auch keinen dauerhaften Frieden geben.
ACIN betont, dass sich die Zivilgesellschaft nun über alle Differenzen und Unterschieden hinweg zusammenschließen und sich vernetzen müsse, damit sie bei der Erarbeitung von Gesetzen zur Umsetzung des Friedensabkommens mit einer Stimme sprechen kann.